29.05.2018 - 12:37 Uhr
Valrahmeh
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Valrahmeh
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63
Ich will mein Pérubore zurück
Wenn ich als Kind krank war, gingen wir immer zu Doktor Landau. Er hatte eine kleine Praxis am Blvd de Courcelles, und man konnte von seinem Wartezimmer aus in den Parc Monceau blicken. Das fand ich immer besonders interessant, vor allem wegen der spielenden Kinder. Doch wir warteten nie lange, denn Dr. Landau war schon fast 70 und empfing nur noch Freunde und Bekannte, so dass man immer gleich dran kam. Dr. Landau stammte aus Dresden, floh 1938 vor den Nazis und beendete später sein Medizinstudium in Paris.
Sein Französisch klang seltsam, sein Deutsch auch, mein Vater sagte uns, das sei sächsisch. Während ein französischer Arzt kein Problem damit hat, seinen Patienten eine ganze Latte von Antibiotika und Paracetamol-Bömbchen aufs Rezept zu schreiben, setzte Landau immer auf die "Selbstheilungskräfte". Meine Mutter kann das Wort bis heute nicht aussprechen.
Obwohl meine Dauerkrankheit darin bestand, von Oktober bis April eine Streptokokken-Kolonie in meinen Nasennebenhöhlen zu beherbergen, brachte es Dr. Landau nicht fertig, diese lästigen Biester mit einem Antbiotikum zur Strecke zu bringen. Er verschrieb Schlammpackungen und Inhalationen. Darunter ein Mittel, das sich Pérubore nannte.
Man löste eine Sprudeltablette Pérubore in heißem Wasser auf, kriegte ein Handtuch über den Kopf und musste die Dämpfe einatmen. Pérubore duftete für mich als Kind sanft und pudrig nach einem vanilligen, exotischen Baum aus einem fernen Zauberwald der Inkas.
Ich konnte gar nicht genug davon bekommen und inhalierte das Zeug mindestens zwei Mal am Tag. Es hatte, wie auf der Packung stand, einen hohen Anteil an Perubalsam. Nicht, dass ich davon irgendetwas verstand, aber das exotische Wort Perubalsam, der cremige Vanille-Balsam-Duft und meine Mußestunden unter einem dunklen Handtuch verdichteten sich zu einer angenehm müden und weichen Kindheitserinnerung.
Ich habe mir später mal Pérubore gekauft und war entsetzt: die zart sprudelnden Tabletten wurden inzwischen durch Weichkapseln ersetzt, die ein stechendes Lavendel-Eukalyptus-Öl enthalten, grauenhaft.
Mein heißgeliebtes Pérubore schien auf immer verloren.
Bis mir kürzlich in der Parfumerie Bouteille in Cannes eine Werbedame von Atelier des Ors einen Spritzer Lune féline verpasste. Ich dachte, ich würde mit Lichtgeschwindigkeit zu Dr. Landau und meinen Inhalationen katapultiert werden.
Nur war das, was ich da roch, noch feiner, intensiver und sogar richtig elegant. Mein ohnehin schon sanftes, süßes Kinder-Perubalsam wurde durch exzellente Vanille geadelt, mit Holz und etwas Zimt abgerundet.
Ich bin längst erwachsen geworden - und mein Pérubore ist mitgewachsen und heißt jetzt Lune féline.
Es ist immer noch ein sanfter, müder, weicher Duft, der gleichzeitig aber auch etwas sehr Wertvolles und Elegantes an sich hat, was vermutlich am Holz liegt. Etwas Dunkles, Stilles, geht von ihm aus, nur sitze ich nicht mehr unterm Handtuch, sondern unterm Sternenzelt, es ist warm und kein Lüftchen regt sich. Es könnte in der stillen Villa eines französischen Plantagenbesitzers in Indochina sein, ich schaukele leise in einer Hängematte, aus dem oberen Stock weht ein leichter Duft von Opium herüber, der sich mit dem Geruch von Styrax aus dem kleinen Buddha-Altar im Erdgeschoss verbindet.
Mag sein, dass eine Katze hinter dem Gestrüpp am Ufer des Mekong hervorschaut, in deren Augen sich das Mondlicht spiegelt.
Sein Französisch klang seltsam, sein Deutsch auch, mein Vater sagte uns, das sei sächsisch. Während ein französischer Arzt kein Problem damit hat, seinen Patienten eine ganze Latte von Antibiotika und Paracetamol-Bömbchen aufs Rezept zu schreiben, setzte Landau immer auf die "Selbstheilungskräfte". Meine Mutter kann das Wort bis heute nicht aussprechen.
Obwohl meine Dauerkrankheit darin bestand, von Oktober bis April eine Streptokokken-Kolonie in meinen Nasennebenhöhlen zu beherbergen, brachte es Dr. Landau nicht fertig, diese lästigen Biester mit einem Antbiotikum zur Strecke zu bringen. Er verschrieb Schlammpackungen und Inhalationen. Darunter ein Mittel, das sich Pérubore nannte.
Man löste eine Sprudeltablette Pérubore in heißem Wasser auf, kriegte ein Handtuch über den Kopf und musste die Dämpfe einatmen. Pérubore duftete für mich als Kind sanft und pudrig nach einem vanilligen, exotischen Baum aus einem fernen Zauberwald der Inkas.
Ich konnte gar nicht genug davon bekommen und inhalierte das Zeug mindestens zwei Mal am Tag. Es hatte, wie auf der Packung stand, einen hohen Anteil an Perubalsam. Nicht, dass ich davon irgendetwas verstand, aber das exotische Wort Perubalsam, der cremige Vanille-Balsam-Duft und meine Mußestunden unter einem dunklen Handtuch verdichteten sich zu einer angenehm müden und weichen Kindheitserinnerung.
Ich habe mir später mal Pérubore gekauft und war entsetzt: die zart sprudelnden Tabletten wurden inzwischen durch Weichkapseln ersetzt, die ein stechendes Lavendel-Eukalyptus-Öl enthalten, grauenhaft.
Mein heißgeliebtes Pérubore schien auf immer verloren.
Bis mir kürzlich in der Parfumerie Bouteille in Cannes eine Werbedame von Atelier des Ors einen Spritzer Lune féline verpasste. Ich dachte, ich würde mit Lichtgeschwindigkeit zu Dr. Landau und meinen Inhalationen katapultiert werden.
Nur war das, was ich da roch, noch feiner, intensiver und sogar richtig elegant. Mein ohnehin schon sanftes, süßes Kinder-Perubalsam wurde durch exzellente Vanille geadelt, mit Holz und etwas Zimt abgerundet.
Ich bin längst erwachsen geworden - und mein Pérubore ist mitgewachsen und heißt jetzt Lune féline.
Es ist immer noch ein sanfter, müder, weicher Duft, der gleichzeitig aber auch etwas sehr Wertvolles und Elegantes an sich hat, was vermutlich am Holz liegt. Etwas Dunkles, Stilles, geht von ihm aus, nur sitze ich nicht mehr unterm Handtuch, sondern unterm Sternenzelt, es ist warm und kein Lüftchen regt sich. Es könnte in der stillen Villa eines französischen Plantagenbesitzers in Indochina sein, ich schaukele leise in einer Hängematte, aus dem oberen Stock weht ein leichter Duft von Opium herüber, der sich mit dem Geruch von Styrax aus dem kleinen Buddha-Altar im Erdgeschoss verbindet.
Mag sein, dass eine Katze hinter dem Gestrüpp am Ufer des Mekong hervorschaut, in deren Augen sich das Mondlicht spiegelt.
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