03.06.2014 - 13:41 Uhr
Yatagan
396 Rezensionen
Yatagan
Top Rezension
39
We have all the time in the world
Unkommentierte Düfte No. 38
"We have all the time in the world" sang Louis Armstrong als Titelsong im legendären James Bond „On Her Majesty‘s Secret Service“ (1969), in dem George Lazenby seinen ersten und letzten Auftritt hatte, quasi zwischen Sean Connery, dessen Zeit um war und dessen Darstellung eines Männerbildes nicht mehr in die späten 60er passte, und Roger Moore, der die smarte und zugleich zynische Haltung der 70er verkörperte und anschließend für lange Zeit übernahm. George Lazenby aber ist das Bindeglied zwischen den Zeiten, ist „zwischen den Zeiten“.
Als kleiner Exkurs sei hier noch angemerkt, dass der Bond mit George Lazenby keineswegs so schlecht war, wie gemeinhin behauptet wird, sondern im Gegenteil ausgesprochene Stärken aufwies, und das gilt auch für den eigenwilligen Hauptdarsteller (ein australisches Model, das seine Sache im Grunde wirklich gut machte).
Zeit ist auch das Thema der exklusiven Cartier-Serie, im engeren Sinne sogar Uhren bzw. römische Uhrenziffern, die dekorativ auf den wunderschönen Flaschen der Reihe prangen.
Betrachtet man die Ziffern genauer, so fällt auf, dass es Düfte mit den römischen Ziffern I, II, III, IV, VI, VII, VIII, X, XII und (kurioserweise) XIII gibt, nicht aber die V, IX und XI. Folgen diese „Zeiten“ noch oder wurden sie als Projekte verworfen? Boten die entsprechenden Tageszeiten keine Anknüpfungspunkte, die für ein Duftkonzept geeignet wären? Immerhin wurde jeder Duft der hochexklusiven Serie mit einer sinnreichen Umschreibung versehen; im Falle der Stunde VI, die uns hier beschäftigen soll, mit dem Namen „L‘Heure Brilliant“.
Zeit ist kein schlechtes Thema für Düfte. Nicht nur, dass es für jede Zeit des Tages sicherlich den richtigen, den passenden Duft geben dürfte, ein Thema also, das hier durchkomponiert wurde, sondern auch, weil Parfum uns lehrt, dass wir manche Dinge nicht beschleunigen können, denn Duft braucht Zeit, muss sich entwickeln und in Ruhe wahrgenommen werden. We have all the time in the world: anachronistisch und zeitlos richtig zugleich.
Dass die meisten Düfte der Serie kaum Liebhaber gefunden haben (man betrachte nur einmal die Liste der Besitzer am rechten Rand der L‘Heures; im vorliegenden Fall gerade mal eine Person), liegt wohl kaum oder gar nicht an der Qualität der Parfums, denn die ist eigentlich durchweg geradezu überirdisch gut, - vielmehr schon am hohen Preis, der bei ca. 230,00 Euro für 75 ml liegt und natürlich auch am limitierten Zugang.
Oder nahm sich am Ende einfach kaum jemand Zeit für diese kleinen Kunstwerke, sie zu finden, zu betrachten und zu prüfen?
Eine Anschaffung oder die Anschaffung einer Abfüllung (für die ich mich hier entschieden habe) könnte sich aber mehr als lohnen. Alle bisher von mir getesteten L‘Heure -Düfte von Cartier zeigen ganz deutlich, dass die Parfumeurin all dieser kleinen flüssigen Kunstwerke, Mathilde Laurent, offenbar keine Limitierung bei der Komposition zu beachten hatte. Dabei sagen die Duftnoten auch und gerade im Fall von L‘Heure Brilliant so gut wie nichts aus, führen eigentlich sogar in die Irre, wenn man den konkreten Fall genauer betrachtet.
In den Duftnoten finden wir lediglich Aldehyde, Gin und Zitrone, somit keine besonders spezifischen Angaben, sieht man mal einmal vom Gin ab, der derzeit sogar en vogue zu sein scheint und in einer Reihe modernerer Düfte als Ahnung oder Anmutung auftaucht, bei diesem Duft also visionär früh verwendet wurde.
Hier ist es jedoch keine alkoholische (Wacholder-)Gin-Note wie in Comme des Garcons‘ Sugi, Yoshs König oder Creeds Spice and Wood, sondern eine geradezu weiche, an einen süßlichen Longdrink mit Gin erinnernde Note, die zwischen warm und kühl changiert. Ich rieche eine feine Säure, eine Süße im Untergrund, ähnlich wie bei einer reifen Frucht, die Süße und Säure perfekt balanciert; ich rieche eine milde, etwas synthetisch anmutende Zitrone in der Kopfnote, die sich erstaunlich lange hält und einen schönen Gegenpol zu der dezent alkoholischen Note bildet; ich rieche einen weichen Ton, der mich an bestimmte Eissorten erinnert. Während sich der Duft entwickelt, kommt mir immer wieder ein leicht nussiger Ton (Pistazieneis?) in den Sinn.
Aldehyde, die hier die provozierend karge Liste der Noten anführen, variieren im Geruch. Während die gebräuchlichsten einen sanften Blumen- oder Fruchtgeruch verströmen, gibt es auch blumig-grüne Aldehyd, die Düften ein Gras- bzw. ein Pflanzenaroma verleihen. Solche dürften in diesem Fall Verwendung gefunden haben, denn der Duft entwickelt mit der Zeit in der Herznote einen immer stärkeren sanft-grünen, grasigen Geruch, der in der Basisnote immer weicher, cremiger und ein wenig süßer wird. Von Anfang an mischt sich diese Note mit fruchtigen Tönen.
Das alles mag nicht so revolutionär oder neu klingen, wurde aber in eine derart runde, harmonische und doch spannende Komposition gegossen, dass es sich lohnt, diesen Duft kennen zu lernen. Dass man von Anfang an merkt, dass die Blüten- und Grastöne (den Aldehyden geschuldet) ein wenig synthetisch auftreten, macht geradezu den besonderen Reiz des Duftes aus.
Ihr wollt nicht schon wieder einen neuen, unbekannten Duft kennen lernen?
Warum eigentlich nicht: "We have all the time in the world".
"We have all the time in the world" sang Louis Armstrong als Titelsong im legendären James Bond „On Her Majesty‘s Secret Service“ (1969), in dem George Lazenby seinen ersten und letzten Auftritt hatte, quasi zwischen Sean Connery, dessen Zeit um war und dessen Darstellung eines Männerbildes nicht mehr in die späten 60er passte, und Roger Moore, der die smarte und zugleich zynische Haltung der 70er verkörperte und anschließend für lange Zeit übernahm. George Lazenby aber ist das Bindeglied zwischen den Zeiten, ist „zwischen den Zeiten“.
Als kleiner Exkurs sei hier noch angemerkt, dass der Bond mit George Lazenby keineswegs so schlecht war, wie gemeinhin behauptet wird, sondern im Gegenteil ausgesprochene Stärken aufwies, und das gilt auch für den eigenwilligen Hauptdarsteller (ein australisches Model, das seine Sache im Grunde wirklich gut machte).
Zeit ist auch das Thema der exklusiven Cartier-Serie, im engeren Sinne sogar Uhren bzw. römische Uhrenziffern, die dekorativ auf den wunderschönen Flaschen der Reihe prangen.
Betrachtet man die Ziffern genauer, so fällt auf, dass es Düfte mit den römischen Ziffern I, II, III, IV, VI, VII, VIII, X, XII und (kurioserweise) XIII gibt, nicht aber die V, IX und XI. Folgen diese „Zeiten“ noch oder wurden sie als Projekte verworfen? Boten die entsprechenden Tageszeiten keine Anknüpfungspunkte, die für ein Duftkonzept geeignet wären? Immerhin wurde jeder Duft der hochexklusiven Serie mit einer sinnreichen Umschreibung versehen; im Falle der Stunde VI, die uns hier beschäftigen soll, mit dem Namen „L‘Heure Brilliant“.
Zeit ist kein schlechtes Thema für Düfte. Nicht nur, dass es für jede Zeit des Tages sicherlich den richtigen, den passenden Duft geben dürfte, ein Thema also, das hier durchkomponiert wurde, sondern auch, weil Parfum uns lehrt, dass wir manche Dinge nicht beschleunigen können, denn Duft braucht Zeit, muss sich entwickeln und in Ruhe wahrgenommen werden. We have all the time in the world: anachronistisch und zeitlos richtig zugleich.
Dass die meisten Düfte der Serie kaum Liebhaber gefunden haben (man betrachte nur einmal die Liste der Besitzer am rechten Rand der L‘Heures; im vorliegenden Fall gerade mal eine Person), liegt wohl kaum oder gar nicht an der Qualität der Parfums, denn die ist eigentlich durchweg geradezu überirdisch gut, - vielmehr schon am hohen Preis, der bei ca. 230,00 Euro für 75 ml liegt und natürlich auch am limitierten Zugang.
Oder nahm sich am Ende einfach kaum jemand Zeit für diese kleinen Kunstwerke, sie zu finden, zu betrachten und zu prüfen?
Eine Anschaffung oder die Anschaffung einer Abfüllung (für die ich mich hier entschieden habe) könnte sich aber mehr als lohnen. Alle bisher von mir getesteten L‘Heure -Düfte von Cartier zeigen ganz deutlich, dass die Parfumeurin all dieser kleinen flüssigen Kunstwerke, Mathilde Laurent, offenbar keine Limitierung bei der Komposition zu beachten hatte. Dabei sagen die Duftnoten auch und gerade im Fall von L‘Heure Brilliant so gut wie nichts aus, führen eigentlich sogar in die Irre, wenn man den konkreten Fall genauer betrachtet.
In den Duftnoten finden wir lediglich Aldehyde, Gin und Zitrone, somit keine besonders spezifischen Angaben, sieht man mal einmal vom Gin ab, der derzeit sogar en vogue zu sein scheint und in einer Reihe modernerer Düfte als Ahnung oder Anmutung auftaucht, bei diesem Duft also visionär früh verwendet wurde.
Hier ist es jedoch keine alkoholische (Wacholder-)Gin-Note wie in Comme des Garcons‘ Sugi, Yoshs König oder Creeds Spice and Wood, sondern eine geradezu weiche, an einen süßlichen Longdrink mit Gin erinnernde Note, die zwischen warm und kühl changiert. Ich rieche eine feine Säure, eine Süße im Untergrund, ähnlich wie bei einer reifen Frucht, die Süße und Säure perfekt balanciert; ich rieche eine milde, etwas synthetisch anmutende Zitrone in der Kopfnote, die sich erstaunlich lange hält und einen schönen Gegenpol zu der dezent alkoholischen Note bildet; ich rieche einen weichen Ton, der mich an bestimmte Eissorten erinnert. Während sich der Duft entwickelt, kommt mir immer wieder ein leicht nussiger Ton (Pistazieneis?) in den Sinn.
Aldehyde, die hier die provozierend karge Liste der Noten anführen, variieren im Geruch. Während die gebräuchlichsten einen sanften Blumen- oder Fruchtgeruch verströmen, gibt es auch blumig-grüne Aldehyd, die Düften ein Gras- bzw. ein Pflanzenaroma verleihen. Solche dürften in diesem Fall Verwendung gefunden haben, denn der Duft entwickelt mit der Zeit in der Herznote einen immer stärkeren sanft-grünen, grasigen Geruch, der in der Basisnote immer weicher, cremiger und ein wenig süßer wird. Von Anfang an mischt sich diese Note mit fruchtigen Tönen.
Das alles mag nicht so revolutionär oder neu klingen, wurde aber in eine derart runde, harmonische und doch spannende Komposition gegossen, dass es sich lohnt, diesen Duft kennen zu lernen. Dass man von Anfang an merkt, dass die Blüten- und Grastöne (den Aldehyden geschuldet) ein wenig synthetisch auftreten, macht geradezu den besonderen Reiz des Duftes aus.
Ihr wollt nicht schon wieder einen neuen, unbekannten Duft kennen lernen?
Warum eigentlich nicht: "We have all the time in the world".
24 Antworten