Achtung! Geschichtsexkurs vorab:
Imperator Caesar Divi filius Augustus, Pontifex maximus, Consul XIII, Imperator XXI, Tribuniciae potestatis XXXVII, Pater patriae, besser bekannt unter seinem Beinamen Augustus – der Erhabene – war Caesars Neffe und der erste römische Kaiser. Das war eine Leistung für sich, da die Römer sich geschworen hatten, nie wieder von einem König, geschweige denn von einem Kaiser, regiert zu werden, da sie schlechte Erinnerungen an die Fremdherrschaft der etruskischen Könige hatten.
Augustus war und ist Vorbild und Maßstab von Staatsoberhäuptern auf Grund seiner Erfolgsgeschichte, seiner unvorstellbaren Macht, seines Reichtums und seinem Nachruf. In der Forschung ist er heute immer noch sehr kontrovers diskutiert. Einige Historiker schätzen Augustus für die Taten für das römische Volk wie beispielsweise die kolossalen Bauten, die Erneuerung Roms, den Einsatz für das niedere Volk, die Modernisierung des Reiches und die beispiellose Ausbreitung des Imperiums unter seiner Herrschaft. Zudem hat Augustus, als er Ruhe und Ordnung im römischen Reich etablieren konnte, all seine Macht dem Senat zurückgegeben. Ein Akt, der einmalig in der Geschichte blieb. Zum Dank und im Gegenzug, übertrug ihm der Senat und das römische Volk nur noch mehr Macht und kürten ihn sogar trotz der Abneigung gegenüber Könige zum Kaiser. Unberechenbarer Zufall oder Kalkül? Das können wir heute nicht beantworten. Andere Historiker allerdings sehen in Augustus genau diesen Mann, der mit Kalkül, Brutalität, zahlreichen Kriegen und Gewalt wie ein Tyrann über Rom herrschte und die damals bekannte Welt unterjochte. Die Wahrheit wird wohl – wie so oft in der Geschichte – dazwischen liegen und es ist logisch und selbstverständlich, dass Augustus die Ausbreitung des Reiches und die Festigung seiner Macht nur durch Kriege und Gewalt erreichen konnte. Das ist Normalität für einen Kaiser. Nicht selbstverständlich ist allerdings der Einsatz für das römische Volk und die Zugeständnisse auch an ärmere Schichten, das, was Caesar selbst außer Acht ließ und wohl einer der Gründe war, warum Caesar ermordet wurde. Wie man Augustus oder Octavian auch bewerten mag, er bleibt eine der bedeutendsten und faszinierendsten Persönlichkeiten, die auf unserem Planeten gewandelt sind.
Nun zum Duft – wobei ich die Geschichte und die Assoziationen nicht ausblenden kann. Electimuss London selbst hat den Duft (laut ihrer Website) auf Grund der Stoffe kreiert, die zu Zeiten des Octavian und durch seine Eroberungen bekannt wurden. Darunter sind teure Gewürze wie Safran und Pfeffer (für uns heute selbstverständlich, damals exotisch und kostbar), exklusive Rosen wie die Taif-Rose, Weihrauch (der schon vor den Römern in anderen Kulturen verwendet wurde), Amber, Leder und persisches Oud.
Der Duft startet brutal mit dem Safran, dem Pfeffer und sofort ist da dieses animalische Oud. Beim ersten Sprühen auf den Teststreifen war ich überfordert. Das Animalische war mir deutlich zu stark und ich frage mich in diesem Moment tatsächlich „Wer mag sowas? Wer trägt sowas?“. Ich habe kurze Zeit später den Teststreifen in den Mülleimer unter meinen Schreibtisch geworfen. Dort landeten auch die anderen zahlreichen Teststreifen des Tages. Am Schreibtisch habe ich an den Tagen danach nach der Arbeit weiterarbeiten müssen und tief aus dem Mülleimer heraus pulsierte ein seltsamer, einzigartiger Duft. Kein anderer Duft konnte sich auch nur ansatzweise gegen die Rosen und das animalische Oud durchsetzen. Es strömte jeden Tag in meine Nase und hat mich begleitet. Mehr und mehr gefiel mir dieser Duft bis ich schließlich den Teststreifen aus dem Müll herausgekramt habe und ich nicht schlecht gestaunt habe, als mir klar wurde, dass es tatsächlich der Teststreifen von Octavian war, der mich jetzt so begeistert hat. Genau diese seltsame Mischung aus Gefälligkeit und dem gewissen Etwas, was nicht gefällig war und mich immer wieder an dem Duft riechen ließ. An dieser Stelle möchte ich auch auf die Stärke eingehen. An einem weiteren Test-Tag sprühte ich wieder einen Sprühstoß Octavian auf einen Teststreifen. Noch kurzem Riechen legte ich den Streifen in die Schublade meines Schreibtisches, ging den Flur entlang zum Bad und machte mich fertig für das Fitnessstudio. Bereits im Bad konnte ich Octavian riechen. Die ganze Wohnung roch danach. Ich nahm den Streifen also mit ins Auto, erledigte im Anschluss mein Workout und als ich wieder in die Garage ging und das Auto aufschloss, kam mir sofort ein Schwall Duft entgegen. So mächtig und stark ist Octavian. Man riecht dagegen nichts anderes mehr, andere Düfte erscheinen schwach und verwässert gegenüber dem Kaiser.
Auf der Haut sieht es ähnlich aus. Zu Beginn ist da das Safran und der Pfeffer, der sofort auch von dem animalischen Oud und den Rosen begleitet wird. Im Drydown geht der Fokus auf das Oud und die Rosen, wobei das Animalische hier meiner Meinung nach abschwächt und leicht ledrige, ambrierte Düfte das Oud etwas zähmen. Dieser Duft hält nun den ganzen Tag. Morgens aufgesprüht ist er auch abends noch da. Auf der Kleidung hält der Duft tagelang, bis zum nächsten Waschgang. Darüber sollte man Bescheid wissen, da man dann keinen weiteren Duft mit diesem Kleidungsstück tragen kann – Octavian setzt sich da gnadenlos durch.
Erhaben – wie der Kaiser – ist der Duft meiner Meinung nach in dem Sinne, was ich unter Erhabenheit verstehe – nicht. Dafür hätte ich mir eher etwas in Richtung „Imperium“ von Electimuss gewünscht, spritzigere, frischere Noten, vielleicht etwas pudriges mit Iris. Vielleicht etwas mehr römisches beziehungsweise italienisches, unbeschwertes, es dem dolce vita entsprechendes. Erhaben im dem Sinne, dass man gegen jeden anderen Duft im Raum hindurch sticht und erhaben darüber thront, ist der Duft aber alle Mal.
Zusammen mit der Geschichte, der Inspiration von Electimuss London und meiner Fantasie bin ich mit diesem Duft und geschlossenen Augen im Palast des Augustus. Alles ist aus Marmor, es wirkt medizinisch, kühl, edel. Überall stehen Rosen, die intensiv ihren Duft abgeben. Einige Weihrauchschalen räuchern das kostbare Gut in die prachtvollen Hallen. Oud aus dem fernen Persien ist aufgebahrt und sticht mit animalischer Energie durch den Palast. Der Duft des Leders, der durch die Kleidung der prätorianischen Kaiserwache entsteht, gesellt sich zum Amber und dann steht er vor einem, Octavianus in seiner ganzen Pracht. Es ist der in die Jahre gekommene Octavian, der niemandem mehr etwas beweisen muss. Prächtig, mächtig. Eine Mischung aus Macht, Brutalität, aber auch Güte und Erhabenheit macht sich breit.
Das Parfum sehe ich definitiv nicht (!) an einem Mann unter 30 und auch auf keinen Fall in einem casual look. Den Fehler habe ich begangen, es passt absolut nicht. Durch die Rosen, wird er in meinem Umfeld teilweise als weiblich wahrgenommen und auch ich habe ferne Assoziationen an die Rosenseife meiner Oma „Rosi“ – wie passend und nicht von mir ausgedacht. Ich liebe aber Rosen und der Duft gefällt mir so sehr, dass ich kein Problem mit dieser Wahrnehmung habe. Im Winter, wenn man durch die Kälte geht, wenn man schicker angezogen ist, man auffallen will, man erhaben über alles und jedem thronen will, wenn man die Geschichte(n) um den Kaiser mag, animalisches Oud und Rosen einen nicht abschrecken, dann ist dieser Duft für diese Person geeignet. Es ist ein ganz besonders Duft, den ich so in dieser Art noch nie gerochen habe.
Octavian, ein kaiserlicher Duft.