12.10.2020 - 05:51 Uhr
Parfümlein
123 Rezensionen
Parfümlein
Top Rezension
24
Glitzerndes Etwas für rauschende Ballnächte
Die schwarze Kugel, die ich gerade in Händen halte, ist eine von zweien, die meine Mutter sich in den frühen Neunzigern im alljährlichen Italien-Urlaub zulegte. In meiner Jugend hatte es meine Eltern zunächst über viele Jahre nach Südtirol, dann an die Adria gezogen, und sicherlich ist meine große Italien-Liebe an den Tagen entstanden, an denen wir statt des Strandes eine der wunderbaren Städte entdeckten: gotische Stadtpaläste und Kirchen, Campari und Espresso auf der belebten Piazza - Italien erschien mir im Vergleich zu meiner stets verregneten Heimat in Nordrhein-Westfalen wie das Paradies, genauer gesagt: mein Paradies: Kultur und Geschichte auf jedem Zentimeter.
An einem dieser Tage bummelten wir durch die Lauben einer mit einem fantastischen Marktplatz und - offensichtlich - einer guten Parfümerie ausgestatteten alten italienischen Stadt. Ich erinnere mich leider gar nicht daran, wo das gewesen sein könnte, vermutlich jedoch in den Marken, wo wir unseren Urlaub verbrachten. Ich weiß, dass meine Mutter an diesem Tag die schwarze Kugel kaufte. Weil sie ihr so ausnehmend gut gefiel, fuhren wir ein paar Tage später erneut zu dieser Parfümerie und kauften eine weitere schwarze Kugel. Diese lagerte meine Mutter in späteren Jahren in meinem Bad, um immer ihr Parfum zur Hand zu haben, wenn sie mich besuchte. Inzwischen ist meine Mutter sehr alt geworden und ihr liegt an Parfums so wenig wie an vielem anderen Materiellen. Als ich ihr vor wenigen Wochen die Kugel zeigte, die bei mir aufgehoben war, fiel ihr wieder ein, dass sie diese einmal besessen hatte, und sie schenkte sie mir. Seitdem hüte ich sie und habe sie heute nur ausprobiert, um überhaupt wieder einmal diesen Duft wahrzunehmen:
Es ist ein unglaublich eleganter Duft, der der Kugel entströmt. Weil sie so schwarz ist und überdies viele Jahre bei mir im Bad in einem Schrank stand, hat sich der Duft perfekt erhalten und überströmt mich förmlich mit einer gewaltigen, kraftvollen Welle elegantester Aldehyde. So tief, so dunkel und doch so funkelnd und prickelnd ist diese Welle wie die unzähligen Pailletten auf einem tiefschwarzen Abendkleid, wenn das Licht großer Kronleuchter darauf fällt. Statt dunkler, schwerer Masse scheint dieser Duft zu glitzern und zu schweben - unendlich sanft und tiefgründig, satt und samtig legt er sich über meine Haut. Die fruchtigen und die Chypre-Anteile lassen sich kaum einzeln wahrnehmen, doch die Fülle der Bestandteile ist vermutlich für die Wirkung von bewegtem Funkeln zuständig: Die Duftpartikel entfalten sich nicht alle gleich schnell und nicht gleich intensiv, doch alle zur gleichen Zeit. So bleibt der Duft über längere Zeit in einer flirrenden Bewegung, die für seine Sanftheit verantwortlich ist: Mit aller Tiefe, mit der er mich empfängt, streichelt er mich.
Werft einen Blick auf diese Pyramide: Es ist alles enthalten, was einen Duft prägen könnte: Herbe Zitrusnoten und Chypre-artige, grüne Noten. Früchte und Blüten und volle Blumen der verschiedensten Art. Harze und Gewürze, Hölzer und Moschus. Und Vanille und Tonka. Ein Füllhorn der Parfumkunst ist dieser Duft, ein Kaleidoskop der verschiedensten Töne, Nuancen, Eindrücke, Assoziationen. Frisch und von hellen Blüten geprägt, von schweren, dunklen Blumen und von Grünem, Weichem, Fließendem und Süßem. Bis zur Basis, die sich unendlich ausgewogen präsentiert, indem sie die perfekte Balance zwischen Harzen und Hölzern und Vanille hält, hat meine Nase so viele verschiedene Eindrücke gleichzeitig wahrgenommen, dass ich mich berauscht fühle von der Schönheit des Duftes. Und über allem liegen, dies sei wiederholt, diese wundervoll pudrigen Aldehyde, die dem Duft seine Größe und Markanz verleihen, vergleichbar vor allem mit der berühmten Nr. 5. Ein Abendduft.
Woher wusste meine Mutter das nur? Parfum war nie ihre Welt, doch mit diesem Duft hat sie einen Volltreffer gelandet und er wurde zu ihrer Signatur. Ein reifer, erwachsener und so aufregender Duft. Ich werde ihn immer mit meiner Mutter verbinden und ihn nur zu ganz besonderen Festtagen tragen. Meine Mutter ist keine Frau gewesen, die rauschende Ballnächte erlebt hat. Doch es bedarf solcher Nächte, um dieses Juwel in Zukunft zu tragen.
An einem dieser Tage bummelten wir durch die Lauben einer mit einem fantastischen Marktplatz und - offensichtlich - einer guten Parfümerie ausgestatteten alten italienischen Stadt. Ich erinnere mich leider gar nicht daran, wo das gewesen sein könnte, vermutlich jedoch in den Marken, wo wir unseren Urlaub verbrachten. Ich weiß, dass meine Mutter an diesem Tag die schwarze Kugel kaufte. Weil sie ihr so ausnehmend gut gefiel, fuhren wir ein paar Tage später erneut zu dieser Parfümerie und kauften eine weitere schwarze Kugel. Diese lagerte meine Mutter in späteren Jahren in meinem Bad, um immer ihr Parfum zur Hand zu haben, wenn sie mich besuchte. Inzwischen ist meine Mutter sehr alt geworden und ihr liegt an Parfums so wenig wie an vielem anderen Materiellen. Als ich ihr vor wenigen Wochen die Kugel zeigte, die bei mir aufgehoben war, fiel ihr wieder ein, dass sie diese einmal besessen hatte, und sie schenkte sie mir. Seitdem hüte ich sie und habe sie heute nur ausprobiert, um überhaupt wieder einmal diesen Duft wahrzunehmen:
Es ist ein unglaublich eleganter Duft, der der Kugel entströmt. Weil sie so schwarz ist und überdies viele Jahre bei mir im Bad in einem Schrank stand, hat sich der Duft perfekt erhalten und überströmt mich förmlich mit einer gewaltigen, kraftvollen Welle elegantester Aldehyde. So tief, so dunkel und doch so funkelnd und prickelnd ist diese Welle wie die unzähligen Pailletten auf einem tiefschwarzen Abendkleid, wenn das Licht großer Kronleuchter darauf fällt. Statt dunkler, schwerer Masse scheint dieser Duft zu glitzern und zu schweben - unendlich sanft und tiefgründig, satt und samtig legt er sich über meine Haut. Die fruchtigen und die Chypre-Anteile lassen sich kaum einzeln wahrnehmen, doch die Fülle der Bestandteile ist vermutlich für die Wirkung von bewegtem Funkeln zuständig: Die Duftpartikel entfalten sich nicht alle gleich schnell und nicht gleich intensiv, doch alle zur gleichen Zeit. So bleibt der Duft über längere Zeit in einer flirrenden Bewegung, die für seine Sanftheit verantwortlich ist: Mit aller Tiefe, mit der er mich empfängt, streichelt er mich.
Werft einen Blick auf diese Pyramide: Es ist alles enthalten, was einen Duft prägen könnte: Herbe Zitrusnoten und Chypre-artige, grüne Noten. Früchte und Blüten und volle Blumen der verschiedensten Art. Harze und Gewürze, Hölzer und Moschus. Und Vanille und Tonka. Ein Füllhorn der Parfumkunst ist dieser Duft, ein Kaleidoskop der verschiedensten Töne, Nuancen, Eindrücke, Assoziationen. Frisch und von hellen Blüten geprägt, von schweren, dunklen Blumen und von Grünem, Weichem, Fließendem und Süßem. Bis zur Basis, die sich unendlich ausgewogen präsentiert, indem sie die perfekte Balance zwischen Harzen und Hölzern und Vanille hält, hat meine Nase so viele verschiedene Eindrücke gleichzeitig wahrgenommen, dass ich mich berauscht fühle von der Schönheit des Duftes. Und über allem liegen, dies sei wiederholt, diese wundervoll pudrigen Aldehyde, die dem Duft seine Größe und Markanz verleihen, vergleichbar vor allem mit der berühmten Nr. 5. Ein Abendduft.
Woher wusste meine Mutter das nur? Parfum war nie ihre Welt, doch mit diesem Duft hat sie einen Volltreffer gelandet und er wurde zu ihrer Signatur. Ein reifer, erwachsener und so aufregender Duft. Ich werde ihn immer mit meiner Mutter verbinden und ihn nur zu ganz besonderen Festtagen tragen. Meine Mutter ist keine Frau gewesen, die rauschende Ballnächte erlebt hat. Doch es bedarf solcher Nächte, um dieses Juwel in Zukunft zu tragen.
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