15.07.2019 - 18:03 Uhr
FvSpee
323 Rezensionen
FvSpee
Top Rezension
55
Dreifache Drüsen-Dröhnung
Ok, ich denke mal, der gute Maurice Roucel hat hier einen Themenduft erschaffen wollen; nach der Devise "alles, was im Tier- und Pflanzenreich quillt und wabert".
Da haben wir erstmal die volle animalische Dreifach-Drüsen-Dröhnung aus Zibet, Bibergeil und Moschus.
Hört sich das nicht schon krrrrrasssss an? Zzzzibet, Bbbibergeilll und Moschussssss? Zibet wird aus Drüsen unterhalb des Anus' (a.k.a. Arschlochs) von Zibetkatzen rausgepresst. Moschus kommt aus der Moschusdrüse in der Nähe des Penisses des Moschustiers, eines tooootal süßen (ein bisschen wie eine Mischung aus Bambi und einem Star-Wars-Hüpftier) hirschähnlichen Wesens aus Asien (früher hat man die Tiere zur Gewinnung des Moschus' einfach abgemurkst, heute soll man wohl weiter sein und schneidet ihnen das Zeug bei lebendigem Leibe raus) und Bibergeil wollt ihr jetzt nicht mehr wissen, oder? In der heutigen Parfümerie, und gerade bei Labels die sich so politisch korrekt geben wie Le Labo, werden ja in der Regel synthetische Ersatzstoffe verwendet, aber alleine schon bei der Überlegung, dass die Parfumeure früher solches Zeug verwendet haben, kommt einem ja die vegane Pizza wieder hoch.
Und dann zur Abrundung das pflanzliche Gequelle: Gurjunbalsam ist im Grunde ein Harz-Saft, der aus einem bestimmten asiatischen Baum herausquillt, wenn man ihn anbohrt und es ihm überhaupt so richtig ungemütlich macht. Für so etwas gibt es wohl noch keine Ersatzstoffe. Es müssen wahrscheinlich zuerst wie in Mittelerde ein paar Ents auftreten und den blöden Menschen, die ständig in den Bäumen rumbohren, ein paar auf die Zwölf geben. Und die Zistrose ist ein Strauch in der Mittelmeergegend, der rosenähnliche Blüten hat und der (auch ohne dass man ihn foltert, ganz von selbst) so ein bestimmtes Harz aus sich absondert, besonders bei Hitze. Und das kann man aufklauben (oder den Ziegen, die durch die Büsche rennen, aus den Haaren zupfen) und macht Labdanumharz draus.
So, ich hoffe, ich merk mir das jetzt endlich selbst mal. Ich konnte nämlich nie auseinanderhalten, was Galbanum und was Labdanum ist. Galbanum ist ein gebliches Harz (daher der Name), das aus irgendeinem persischen Kraut gewonnen wird. Labdanum ist ein Harz aus der mediterranen Zistrose, eben das mit den Ziegenhaaren. Und Laudanum, das in diesem Parfüm hier aber nicht drin ist, ist eines der vier Römerlager rund um das kleine gallische Dorf; neben Kleinbonum, Babaorum und Aquarium. Und außerdem ist Laudanum eine Tinktur aus Opiumsaft (der quillt auch raus aus der angeritzten Mohnkapsel, heute quillt überhaupt alles hier und wird geritzt), die man in früheren Jahrhunderten und noch bis in die 30-er Jahre des 20. Jahrhunderts in Europa als Hustensaft und für alles mögliche gesoffen hat; sogar Säuglingen hat man es eingeflößt bzw. auf die Saugsäckchen (Vorgänger der Schnuller) getröpfelt, wenn die ein bisschen viel geschrieen haben. Überhaupt war Europa früher ständig voll auf Droge; noch zur Goethezeit hat man statt Kaffee ja auch gerne mal ein großes Starkbier zum Frühstück genommen. Aber ich komme ab.
So, also neben den drei tierischen und den zwei planzlichen Sekreten haben wir hier noch allerlei auch ganz gut dazu passende pflanzliche Zutaten von der nicht gerade blümchenhaften Sorte wie Patschuli, Vanille und Birkenteer (ja, Teer, wie Pech, die schwarze Masse, die man früher zum Abdichten zwischen die Schiffsplanken geschmiert hat). Und noch ein paar ungenannte Zutaten, denn insgesamt müssen es ja 18 sein, nach der LL-Namensgebungslogik. Wahrscheinlich sind es nicht Lavendel und Bergamotte.
Nach dieser Vorgeschichte wundert es mich jetzt nicht so, dass das der erste (!) Labo ist (und ich hab inzwischen fast alle durch dies es gibt), den ich nicht als extrem flüchtig empfand. Zwar geht die Anfangs dreiviertelstarke Sillage schnell auf einviertelstark zurück, aber dann hält sie sich für etwa acht bis zehn Stunden. Dass ich das noch erleben darf. Wer sich die Klassifizierung als Damenduft hier ausgedacht hat, weiß ich nicht. Le Labo wohl eher nicht, nach meiner Kenntnis deklarieren die wie viele moderne Nischenanbieter (oder wie Harry Lehmann...) alles nur als unisex. Und ich finde den auch nicht speziell feminin. Höchstens so wie "Jicky" feminin ist, also bloß dem Namen nach.
Etwas überraschender als die zufreidenstellende Haltbarkeit ist, dass Labdanum 18 keineswegs als brutaler Hammerduft auftritt, nicht als Kouros XXL (eine entfernte, aber spürbare Verwandtschaft zu Kouros ist vor allem wegen des Zibets schon zu erkennen), kein, um mal beim Römerlager Laudanum zu bleiben, Legionär Haudraufundschlus. Im Gegenteil. Ich empfinde Labdanum 18 als sehr klugen, unbedingt sehr modernen, und trotz all der "warmen" und cremigen Zutaten wie Vanille und den ganzen würzig-weichen balsamischen Harzen in gewisser Weise sogar fast schon kühl-distanzierten Duft. Präzise analysieren und auf einen kurzen Nenner bringen kann ich ihn nicht; ich kann nur - vielleicht etwas hilflos - sagen, dass ich ihn wunderbar komplett und rund, absolut aus- und abgewogen finde, eher ein einziger großer etwas pulsierender Zusammenklang als eine starke Dynamik; mit einer kräftigen, aber gedämpften und geschliffenen Animalik, eingebettet in synthetisch-ozonige, mal fast fruchtig-frische und auf jeden Fall harzig-weiche Noten.
Ich mag das Zeug wirklich; ziemlich originell erscheint es mir auch und fast wäre ich geneigt zu sagen, dass dieses Labdanum, weil hier endlich auch Projektion und Persistenz stimmen, mein erster Le-Labo-Kaufkandidat werden könnte. Wenn nicht Frau von Spee den Riechkolben senken würde. Auch ohne dass sie von den Zutaten wusste, fiel bei ihr Labdanum (jedenfalls der Anfang, den drydown mag sie, aber den gibt's ja nicht getrennt zu kaufen) in die Kategorie Elchpisse. Sowas schätzt sie nicht in ihrer Nähe. Quel dommage.
Da haben wir erstmal die volle animalische Dreifach-Drüsen-Dröhnung aus Zibet, Bibergeil und Moschus.
Hört sich das nicht schon krrrrrasssss an? Zzzzibet, Bbbibergeilll und Moschussssss? Zibet wird aus Drüsen unterhalb des Anus' (a.k.a. Arschlochs) von Zibetkatzen rausgepresst. Moschus kommt aus der Moschusdrüse in der Nähe des Penisses des Moschustiers, eines tooootal süßen (ein bisschen wie eine Mischung aus Bambi und einem Star-Wars-Hüpftier) hirschähnlichen Wesens aus Asien (früher hat man die Tiere zur Gewinnung des Moschus' einfach abgemurkst, heute soll man wohl weiter sein und schneidet ihnen das Zeug bei lebendigem Leibe raus) und Bibergeil wollt ihr jetzt nicht mehr wissen, oder? In der heutigen Parfümerie, und gerade bei Labels die sich so politisch korrekt geben wie Le Labo, werden ja in der Regel synthetische Ersatzstoffe verwendet, aber alleine schon bei der Überlegung, dass die Parfumeure früher solches Zeug verwendet haben, kommt einem ja die vegane Pizza wieder hoch.
Und dann zur Abrundung das pflanzliche Gequelle: Gurjunbalsam ist im Grunde ein Harz-Saft, der aus einem bestimmten asiatischen Baum herausquillt, wenn man ihn anbohrt und es ihm überhaupt so richtig ungemütlich macht. Für so etwas gibt es wohl noch keine Ersatzstoffe. Es müssen wahrscheinlich zuerst wie in Mittelerde ein paar Ents auftreten und den blöden Menschen, die ständig in den Bäumen rumbohren, ein paar auf die Zwölf geben. Und die Zistrose ist ein Strauch in der Mittelmeergegend, der rosenähnliche Blüten hat und der (auch ohne dass man ihn foltert, ganz von selbst) so ein bestimmtes Harz aus sich absondert, besonders bei Hitze. Und das kann man aufklauben (oder den Ziegen, die durch die Büsche rennen, aus den Haaren zupfen) und macht Labdanumharz draus.
So, ich hoffe, ich merk mir das jetzt endlich selbst mal. Ich konnte nämlich nie auseinanderhalten, was Galbanum und was Labdanum ist. Galbanum ist ein gebliches Harz (daher der Name), das aus irgendeinem persischen Kraut gewonnen wird. Labdanum ist ein Harz aus der mediterranen Zistrose, eben das mit den Ziegenhaaren. Und Laudanum, das in diesem Parfüm hier aber nicht drin ist, ist eines der vier Römerlager rund um das kleine gallische Dorf; neben Kleinbonum, Babaorum und Aquarium. Und außerdem ist Laudanum eine Tinktur aus Opiumsaft (der quillt auch raus aus der angeritzten Mohnkapsel, heute quillt überhaupt alles hier und wird geritzt), die man in früheren Jahrhunderten und noch bis in die 30-er Jahre des 20. Jahrhunderts in Europa als Hustensaft und für alles mögliche gesoffen hat; sogar Säuglingen hat man es eingeflößt bzw. auf die Saugsäckchen (Vorgänger der Schnuller) getröpfelt, wenn die ein bisschen viel geschrieen haben. Überhaupt war Europa früher ständig voll auf Droge; noch zur Goethezeit hat man statt Kaffee ja auch gerne mal ein großes Starkbier zum Frühstück genommen. Aber ich komme ab.
So, also neben den drei tierischen und den zwei planzlichen Sekreten haben wir hier noch allerlei auch ganz gut dazu passende pflanzliche Zutaten von der nicht gerade blümchenhaften Sorte wie Patschuli, Vanille und Birkenteer (ja, Teer, wie Pech, die schwarze Masse, die man früher zum Abdichten zwischen die Schiffsplanken geschmiert hat). Und noch ein paar ungenannte Zutaten, denn insgesamt müssen es ja 18 sein, nach der LL-Namensgebungslogik. Wahrscheinlich sind es nicht Lavendel und Bergamotte.
Nach dieser Vorgeschichte wundert es mich jetzt nicht so, dass das der erste (!) Labo ist (und ich hab inzwischen fast alle durch dies es gibt), den ich nicht als extrem flüchtig empfand. Zwar geht die Anfangs dreiviertelstarke Sillage schnell auf einviertelstark zurück, aber dann hält sie sich für etwa acht bis zehn Stunden. Dass ich das noch erleben darf. Wer sich die Klassifizierung als Damenduft hier ausgedacht hat, weiß ich nicht. Le Labo wohl eher nicht, nach meiner Kenntnis deklarieren die wie viele moderne Nischenanbieter (oder wie Harry Lehmann...) alles nur als unisex. Und ich finde den auch nicht speziell feminin. Höchstens so wie "Jicky" feminin ist, also bloß dem Namen nach.
Etwas überraschender als die zufreidenstellende Haltbarkeit ist, dass Labdanum 18 keineswegs als brutaler Hammerduft auftritt, nicht als Kouros XXL (eine entfernte, aber spürbare Verwandtschaft zu Kouros ist vor allem wegen des Zibets schon zu erkennen), kein, um mal beim Römerlager Laudanum zu bleiben, Legionär Haudraufundschlus. Im Gegenteil. Ich empfinde Labdanum 18 als sehr klugen, unbedingt sehr modernen, und trotz all der "warmen" und cremigen Zutaten wie Vanille und den ganzen würzig-weichen balsamischen Harzen in gewisser Weise sogar fast schon kühl-distanzierten Duft. Präzise analysieren und auf einen kurzen Nenner bringen kann ich ihn nicht; ich kann nur - vielleicht etwas hilflos - sagen, dass ich ihn wunderbar komplett und rund, absolut aus- und abgewogen finde, eher ein einziger großer etwas pulsierender Zusammenklang als eine starke Dynamik; mit einer kräftigen, aber gedämpften und geschliffenen Animalik, eingebettet in synthetisch-ozonige, mal fast fruchtig-frische und auf jeden Fall harzig-weiche Noten.
Ich mag das Zeug wirklich; ziemlich originell erscheint es mir auch und fast wäre ich geneigt zu sagen, dass dieses Labdanum, weil hier endlich auch Projektion und Persistenz stimmen, mein erster Le-Labo-Kaufkandidat werden könnte. Wenn nicht Frau von Spee den Riechkolben senken würde. Auch ohne dass sie von den Zutaten wusste, fiel bei ihr Labdanum (jedenfalls der Anfang, den drydown mag sie, aber den gibt's ja nicht getrennt zu kaufen) in die Kategorie Elchpisse. Sowas schätzt sie nicht in ihrer Nähe. Quel dommage.
26 Antworten