02.05.2014 - 10:35 Uhr
Yatagan
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Yatagan
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Ein wissender Blick
Unkommentierte Düfte No. 32
Sikkim ist ein im östlichen Himalaya gelegener indischer Bundesstaat in Nachbarschaft zu Nepal und Bhutan, dünn besiedelt und in exponierter Lage am äußersten Nordrand des Riesenstaates Indien. LUSH sagt den Mädchen aus Sikkim einen besonderen Charme nach: „schwingende Hüften und ein wissender Blick“, heißt es in der Werbung für Sikkim Girls.
Dass ich als Herrencolognespezialist mal einen Duft kommentieren würde, der Sikkim Girls heißt, hätte ich mir vor einigen Monaten noch nicht träumen lassen. Da hatte ich mich allerdings auch noch nicht so ausführlich mit den Düften von LUSH befasst, die mich derzeit stark faszinieren. Zwar liegt das Konzept von LUSH generell eher abseits des Mainstreams (vegane und vegetarische Produkte, keine Tierversuche, originelles Ladenkonzept, umweltschonende Verpackungen), aber natürlich ist der Hersteller beileibe kein Nischenphänomen mehr; immerhin gibt es in vielen größeren europäischen Städten inzwischen ein LUSH-Ladengeschäft, zum Glück auch in meiner Heimatstadt, so dass das Testen und Probieren leicht gemacht wird.
Besonders angenehm ist die große Bandbreite der Flakongrößen bei LUSH. Da es sich lt. Hersteller in aller Regel um Parfum (wohl eher allerdings um Eau der Parfum) handelt, gibt es viele Düfte auch in einer praktischen 10 ml-Reise- bzw. Probengröße, die es erlaubt, von vielen Düften preiswerte Abfüllungen zu kaufen. Zu meinem größten Erstaunen habe ich es bisher auch nie erlebt, dass die (meist sehr jungen) Verkäufer/innen in den LUSH-Läden versuchen, Käufern die maximale Flakongröße aufzudrängen. Im Gegenteil wurde mir schon mehrfach empfohlen, es doch zunächst einmal mit der kleineren Flasche zu versuchen. Vorbildlich!
Der Kauf meiner Sikkim-Girls-Flasche (auch hier habe ich mich für die 10 ml-Version entschieden und sie unter „Miniaturen“ vermerkt) gestaltete sich besonders originell. Zwei der Verkäufer, die mich beim Probieren verschiedener Düfte berieten, diskutierten darüber, ob der Duft nun für Männer tragbar sei oder nicht. Der erste bestritt das energisch und riet mir sogar von einem Test ab, der zweite erklärte mir, er trage ihn gerade; es sei sogar einer seiner bevorzugten Düfte von LUSH.
Hin- und hergerissen bin ich auch. Einerseits mag ich keine Düfte, die Jasmin enthalten. Das hat zum einen mit der Duftentwicklung dieser Blüten zu tun. Ich nehme zumeist einen süßlichen Verwesungsgeruch war, der mich ein wenig an Aas erinnert. Zum anderen ist Jasmin doch eher eine Blüte, die man mit Weiblichkeit assoziiert: für Männer nur begrenzt geeignet. Zwar enthalten gar nicht so wenige Herrendüfte eine Jasminkomponente (man denke nur an Cool Water, L‘Instant de Guerlain pour Homme, Joop HOMME oder Fahrenheit), diese bleibt aber im Allgemeinen im Hintergrund, ist isoliert gar nicht wahrnehmbar.
Sofort neugierig wurde ich aber andererseits, als ich las, dass Sikkim Girls als Unisex-Duft auch Tuberose enthält. Unisex- oder Herren-Düfte mit Tuberoseanteil finde ich besonders spannend und einige davon gehören zum Besten, was der Duftmarkt zu bieten hat (Beispiele für Herrendüfte: XPEC Original, Richard James Savile Row, Washington Tremlett Black Tie, Mark Birley Charles Street; Beispiele für Unisex-Düfte: Histoires de Parfums Tubéreuse 3 Animale, Diptiyque 34 Boulevard Saint Germain, L‘Artisan Fleur de Liane, ELdO Vierges et Toreros, Frédéric Malle Carnal Flower, Serge Lutens Fleurs d‘oranger, Serge Lutens Datura Noir, Serge Lutens Fleurs de citronnier und viele mehr).
Eher selten dagegen findet sich Frangipani (obwohl als wohlduftende Pflanze v.a. in subtropischen Ländern sehr beliebt) in Unisex-Düften. Unter anderem allerdings in dem von mir besonders geschätzten Czech & Speake No. 88 (Unisex-Duft mit maskuliner Note). Die Kombination beider Blüten in einem Unisex-Duft ist dagegen extrem selten, in einem Herrenduft gibt es diese Kombination sogar gar nicht.
Alles spricht bei Sikkim Girls tatsächlich dafür, dass diese Kombination aus starken Blüten eher für Frauenhaut gedacht sein dürfte, tatsächlich lässt sich der Duft aber wegen seiner (auch) krautig-grünen Ausrichtung (die darin vielen anderen LUSH-Düften der neueren Generation ähnlich ist) durchaus von Männern tragen. Das gilt vor allem für die Kopf- und Herznote; die Basisnote, die dann allerdings sehr dezent ausfällt, zeigt zum Schluss und nach mehreren Stunden eine Dominanz des Jasmin, die mir wenig gefällt und den Duft dann doch wieder eher zu einer Frauenangelegenheit machen.
Die Duftentwicklung im Einzelnen: Zunächst beginnt der Duft tatsächlich krautig, fast ein wenig medizinisch. Was jedoch abschreckend klingt, hat durchaus seinen eigenen Charme. Nach wenigen Minuten schälen sich die Blütennoten aus dem Durcheinander heraus, wobei Frangipani mit ihrem Pfirsich- bzw. Gardeniengeruch ebenso wahrnehmbar ist wie der charakteristische, betörende Tuberoseduft. Jasmin ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht präsent, was mir die Annäherung an diesen Duft sehr viel leichter und ihn überdies für Männer generell tragbar macht.
Was zu Anfang noch länger wahrnehmbar bleibt, ist die krautige Schärfe, die sich aus den angegebenen Duftnoten nicht erklärt, nicht ganz so harmonisch ist, aber ihrerseits wieder dazu beiträgt, dass der Duft nicht so feminin ausfällt, wie man vermuten könnte. Die krautige Komponente ist nicht mit Pinie oder Moos verwandt, riecht fast ein wenig erdig oder holzig mit einer leicht senfartigen und medizinischen Beimischung, die nach einiger Zeit einem metallischen Akzent weicht. Wer nun endgültig abgeschreckt ist, kann spätestens hier mit dem Lesen aufhören. Wer LUSH-Düfte dagegen auch und gerade wegen ihrer exzentrischen Aussage schätzt, der sollte nun endlich einen Test wagen.
Sikkim Girls gehört für mich dennoch nicht zu den wirklich starken LUSH-Düften. Er ist außergewöhnlich, ohne aufzufallen, exzentrisch, ohne dandyhaft zu sein, haltbar, ohne penetrant zu wirken, strahlt aus, ohne laut zu sein.
Während die Exzentrik aus meiner Sicht für den Duft spricht und eine 80%-Wertung rechtfertigen würde, scheint mir die blumige Beliebigkeit in der Basisnote eher für magere 60% zu sprechen. Als Kompromiss entscheide ich mich daher für eine 70%-Bewertung, die in diesem Falle aber nicht einen unkomplizierten, gefälligen Mainstreamduft charakterisiert, sondern Ausdruck der gegensätzlichen Pole ist, die der Duft in sich vereinigt, jene innere Widersprüchlichkeit also, die sich bereits vor dem Kauf des Duftes durch die Diskussion der beiden jungen Verkäufer andeutete: für Männer tragbar und doch nicht tragbar, zwischen Blüte und Kraut, zwischen Lieblichkeit und Herbheit: unentschlossen und doch spannend exotisch.
Vielleicht sieht so eine Reise nach Sikkim aus.
Sikkim ist ein im östlichen Himalaya gelegener indischer Bundesstaat in Nachbarschaft zu Nepal und Bhutan, dünn besiedelt und in exponierter Lage am äußersten Nordrand des Riesenstaates Indien. LUSH sagt den Mädchen aus Sikkim einen besonderen Charme nach: „schwingende Hüften und ein wissender Blick“, heißt es in der Werbung für Sikkim Girls.
Dass ich als Herrencolognespezialist mal einen Duft kommentieren würde, der Sikkim Girls heißt, hätte ich mir vor einigen Monaten noch nicht träumen lassen. Da hatte ich mich allerdings auch noch nicht so ausführlich mit den Düften von LUSH befasst, die mich derzeit stark faszinieren. Zwar liegt das Konzept von LUSH generell eher abseits des Mainstreams (vegane und vegetarische Produkte, keine Tierversuche, originelles Ladenkonzept, umweltschonende Verpackungen), aber natürlich ist der Hersteller beileibe kein Nischenphänomen mehr; immerhin gibt es in vielen größeren europäischen Städten inzwischen ein LUSH-Ladengeschäft, zum Glück auch in meiner Heimatstadt, so dass das Testen und Probieren leicht gemacht wird.
Besonders angenehm ist die große Bandbreite der Flakongrößen bei LUSH. Da es sich lt. Hersteller in aller Regel um Parfum (wohl eher allerdings um Eau der Parfum) handelt, gibt es viele Düfte auch in einer praktischen 10 ml-Reise- bzw. Probengröße, die es erlaubt, von vielen Düften preiswerte Abfüllungen zu kaufen. Zu meinem größten Erstaunen habe ich es bisher auch nie erlebt, dass die (meist sehr jungen) Verkäufer/innen in den LUSH-Läden versuchen, Käufern die maximale Flakongröße aufzudrängen. Im Gegenteil wurde mir schon mehrfach empfohlen, es doch zunächst einmal mit der kleineren Flasche zu versuchen. Vorbildlich!
Der Kauf meiner Sikkim-Girls-Flasche (auch hier habe ich mich für die 10 ml-Version entschieden und sie unter „Miniaturen“ vermerkt) gestaltete sich besonders originell. Zwei der Verkäufer, die mich beim Probieren verschiedener Düfte berieten, diskutierten darüber, ob der Duft nun für Männer tragbar sei oder nicht. Der erste bestritt das energisch und riet mir sogar von einem Test ab, der zweite erklärte mir, er trage ihn gerade; es sei sogar einer seiner bevorzugten Düfte von LUSH.
Hin- und hergerissen bin ich auch. Einerseits mag ich keine Düfte, die Jasmin enthalten. Das hat zum einen mit der Duftentwicklung dieser Blüten zu tun. Ich nehme zumeist einen süßlichen Verwesungsgeruch war, der mich ein wenig an Aas erinnert. Zum anderen ist Jasmin doch eher eine Blüte, die man mit Weiblichkeit assoziiert: für Männer nur begrenzt geeignet. Zwar enthalten gar nicht so wenige Herrendüfte eine Jasminkomponente (man denke nur an Cool Water, L‘Instant de Guerlain pour Homme, Joop HOMME oder Fahrenheit), diese bleibt aber im Allgemeinen im Hintergrund, ist isoliert gar nicht wahrnehmbar.
Sofort neugierig wurde ich aber andererseits, als ich las, dass Sikkim Girls als Unisex-Duft auch Tuberose enthält. Unisex- oder Herren-Düfte mit Tuberoseanteil finde ich besonders spannend und einige davon gehören zum Besten, was der Duftmarkt zu bieten hat (Beispiele für Herrendüfte: XPEC Original, Richard James Savile Row, Washington Tremlett Black Tie, Mark Birley Charles Street; Beispiele für Unisex-Düfte: Histoires de Parfums Tubéreuse 3 Animale, Diptiyque 34 Boulevard Saint Germain, L‘Artisan Fleur de Liane, ELdO Vierges et Toreros, Frédéric Malle Carnal Flower, Serge Lutens Fleurs d‘oranger, Serge Lutens Datura Noir, Serge Lutens Fleurs de citronnier und viele mehr).
Eher selten dagegen findet sich Frangipani (obwohl als wohlduftende Pflanze v.a. in subtropischen Ländern sehr beliebt) in Unisex-Düften. Unter anderem allerdings in dem von mir besonders geschätzten Czech & Speake No. 88 (Unisex-Duft mit maskuliner Note). Die Kombination beider Blüten in einem Unisex-Duft ist dagegen extrem selten, in einem Herrenduft gibt es diese Kombination sogar gar nicht.
Alles spricht bei Sikkim Girls tatsächlich dafür, dass diese Kombination aus starken Blüten eher für Frauenhaut gedacht sein dürfte, tatsächlich lässt sich der Duft aber wegen seiner (auch) krautig-grünen Ausrichtung (die darin vielen anderen LUSH-Düften der neueren Generation ähnlich ist) durchaus von Männern tragen. Das gilt vor allem für die Kopf- und Herznote; die Basisnote, die dann allerdings sehr dezent ausfällt, zeigt zum Schluss und nach mehreren Stunden eine Dominanz des Jasmin, die mir wenig gefällt und den Duft dann doch wieder eher zu einer Frauenangelegenheit machen.
Die Duftentwicklung im Einzelnen: Zunächst beginnt der Duft tatsächlich krautig, fast ein wenig medizinisch. Was jedoch abschreckend klingt, hat durchaus seinen eigenen Charme. Nach wenigen Minuten schälen sich die Blütennoten aus dem Durcheinander heraus, wobei Frangipani mit ihrem Pfirsich- bzw. Gardeniengeruch ebenso wahrnehmbar ist wie der charakteristische, betörende Tuberoseduft. Jasmin ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht präsent, was mir die Annäherung an diesen Duft sehr viel leichter und ihn überdies für Männer generell tragbar macht.
Was zu Anfang noch länger wahrnehmbar bleibt, ist die krautige Schärfe, die sich aus den angegebenen Duftnoten nicht erklärt, nicht ganz so harmonisch ist, aber ihrerseits wieder dazu beiträgt, dass der Duft nicht so feminin ausfällt, wie man vermuten könnte. Die krautige Komponente ist nicht mit Pinie oder Moos verwandt, riecht fast ein wenig erdig oder holzig mit einer leicht senfartigen und medizinischen Beimischung, die nach einiger Zeit einem metallischen Akzent weicht. Wer nun endgültig abgeschreckt ist, kann spätestens hier mit dem Lesen aufhören. Wer LUSH-Düfte dagegen auch und gerade wegen ihrer exzentrischen Aussage schätzt, der sollte nun endlich einen Test wagen.
Sikkim Girls gehört für mich dennoch nicht zu den wirklich starken LUSH-Düften. Er ist außergewöhnlich, ohne aufzufallen, exzentrisch, ohne dandyhaft zu sein, haltbar, ohne penetrant zu wirken, strahlt aus, ohne laut zu sein.
Während die Exzentrik aus meiner Sicht für den Duft spricht und eine 80%-Wertung rechtfertigen würde, scheint mir die blumige Beliebigkeit in der Basisnote eher für magere 60% zu sprechen. Als Kompromiss entscheide ich mich daher für eine 70%-Bewertung, die in diesem Falle aber nicht einen unkomplizierten, gefälligen Mainstreamduft charakterisiert, sondern Ausdruck der gegensätzlichen Pole ist, die der Duft in sich vereinigt, jene innere Widersprüchlichkeit also, die sich bereits vor dem Kauf des Duftes durch die Diskussion der beiden jungen Verkäufer andeutete: für Männer tragbar und doch nicht tragbar, zwischen Blüte und Kraut, zwischen Lieblichkeit und Herbheit: unentschlossen und doch spannend exotisch.
Vielleicht sieht so eine Reise nach Sikkim aus.
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