26.02.2013 - 12:59 Uhr
Rivegauche
39 Rezensionen
Rivegauche
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19
Immer mit der Ruhe
Der in 2011 verstorbene Jean-Francois Laporte gilt wohl als Begründer der Nischenparfümerie, als er bereits in 1976 zunächst die Marke 'L'Artisan Parfumeur' ins Leben rief, um diese dann aber schon 1982 wieder zu verlassen. Zu dieser Zeit gab es außer den großen Häusern wie 'Guerlain' oder 'Caron' eigentlich nur die Firma 'Diptyque' in diesem Bereich, die aber mit ihren Kerzen und Dekorationsstoffen eine andere Klientel bediente. In 1988 gründete er dann diese Marke 'Maître Parfumeur et Gantier', die er neun Jahre später auch wieder verließ. Im Burgund kehrte er später in aller Ruhe zurück zu seinen eigentlichen Wurzeln des Parfums und gründete den 'Garten des Parfumeurs', also den 'Jardin du Parfumeur.' Dort können Besucher Pflanzen, Gewürze und Essenzen entdecken, leider war ich noch nicht dort. Das Business war ihm wohl zu hektisch geworden.
Während sich 'L'Artisan Parfumeur' in den folgenden Jahren durch neue Parfumeure und modern gewagte Düfte ein zeitgemässes Ansehen erarbeitete, habe ich beim Anblick der Marke 'Maître Parfumeur' immer ein veraltetes und verstaubtes Gefühl. Will man sich bewusst gegen die Hektik der modernen Zeit stellen oder hat man es einfach verschlafen? Zudem sind die Düfte in Deutschland schwerer zu bekommen. Die bisher von mir getesteten Düfte finde ich sehr gut, wenn ich auch nicht alle besitzen muss. Sie können eher Menschen begeistern, die gut gemachtes qualitativ hochwertiges traditionell französisches Parfümeriehandwerk zu schätzen wissen. Moderne Artistik oder Minimalismus sucht man hier vergebens. Des Weiteren mag es auch am Namenszusatz 'et Gantier' liegen, denn 'Gantiers' waren Handschuhmacher, die im 17. und 18. Jahrhundert durch das Parfümieren der Handschuhe den eigentlichen Gerbgeruch des Leders eliminieren wollten. Natürlich kann man auch heute noch in der barock gestalteten Pariser Boutique parfümierte Handschuhe erwerben. Auch können die knallroten Herrenflakons mit ihrem, auch die Damenflakons zierenden gefühlten 3 Gramm leichten grauenhaft billig und riesigen mit Plastikstein verzierten Golddeckel, was eher an Karneval oder Harald Glööckler erinnert, sicherlich wenig junge Menschen begeistern. Immerhin funktioniert der Zerstäuber prima. Während man mit dem kleinen ultraschweren Golddeckeln der 'L'Artisan Parfumeur' Düfte wahrscheinlich Menschen erschlagen könnte, fliegen die 'Maître Parfumeur' Deckel im Zweifel gerade mal einen Meter weit.
In seinem Buch 'Perfumes - The Guide' vergibt Luca Turin an "Racine," das französische Wort für 'Wurzel,' fast die höchste Wertung mit vier von fünf möglichen Sternen und empfiehlt nicht weiterzusuchen, sofern man einen 'Zitrus Vetiver' Duft möchte. "Racine" sei irgendwo zwischen den zwei Vetiver Düften von 'Guerlain' und 'Carven' angesiedelt, ca. 1972. Eigentlich wäre damit schon alles gesagt, denn auch mich versetzt die lässig natürlich elegante Landlord-Stimmung des Duftes begeisternder weise eher in die Siebziger Jahre, obwohl er erst 1988 entstand. Der Auftakt ist im Stil der Zeit klassisch stark zitrisch und pikant, wohl auch hervorgerufen durch Johannisbeerblüten. Vielleicht ist ja noch eine einzelne leicht säuerliche Johannisbeere mit reingerutscht. Das könnte etvl. jüngere Menschen verschrecken, aber der Duft arbeitet sich wie früher üblich an seiner Pyramide in aller Ruhe ab.
Ziemlich schnell bemerke ich wunderbar frisch erdiges Vetiver, was farblich mit den Nuancen braun und grün spielt. Also eben zwischen frisch kühl und leicht warm erdig. Ab jetzt ist hier das Vetiver durchgehend präsent, dominiert den Duft aber nicht. Er ist Meilen entfernt vom hauseigenen zerstörerisch dunklen 'Route du Vetiver' oder Lalique's modern rauchigem 'Encre Noire.' Das wunderbare leicht wachsig-aldehydig und sehr charmant riechende 'Vetyver' von Givenchy empfinde ich - obwohl anders riechend - als passend. Während das Guerlain 'Vetiver' in Kombination mit Gewürzen und tabakartigen Aromen eine dunklere und intensive Färbung bekommt, würde ich den auch von Luca Turin vorgeschlagenen 'Vetiver' von Carven als fast zu farblos und wenig charakterstark bezeichnen, dafür kommt er jünger - weil reformuliert - daher.
"Racine" ist ganz klar kein moderner Duft, aber die Bezeichnung zeitlos passt gut. Durch die leichte Süße des Jasmins bindet sich dauerhaft eine florale Note mit ein. Die pikanten Johannisbeerblüten stützen den Jasmin, vermindern aber auch seine starke Süße. Eine aromatisch gartenkrautige Atmosphäre kommt mit auf, das mag der Lavendel sein. Der Korb voller Zitronen ist noch immer da und lässt sich auch der Duftpyramide zum Trotz bis zum Schluß nicht vertreiben. In diesem Spiel der frisch pikant grün krautig und leicht erdigen Noten aus Kopf - und Herznote dimmt sich langsam die warme Basisnote mit ein. Moosfans können sich freuen, denn auf der Packung werden Eichenmoos und Baummoos angegeben. Und tatsächlich gibt das Moos mit seiner leicht bitteren Wärme in Verbindung mit den sanft warm holzigen Noten von Sandelholz eine runde und erlösende Atmosphäre hinzu, um sich mit den kühl krautigen Noten zu verbinden. Eine Anhnung 'chypre' bringt sich mit ein, aber die nass grünen Facetten könnten den Duft auch als 'fougère' kategorisieren lassen, ich weiß es nicht. Die Moose und Sandelholz bekommen im Zweifel in der Basis etwas Unterstützung von trocken pfeffrigem Moschus, um die gute Haltbarkeit zu unterstützen und den Duft moosig holzig, sanft erdig und klar pikant ausklingen zu lassen. Das hat eine gewisse Eleganz und begeistert mich sehr.
"Racine" kann man gerne in der Stadt, auf dem Land, im Büro und zu Anzügen tragen, weil er nicht laut und raumfüllend ist. Obwohl er natürlich frisch und pikant heiter elegant bleibt, und damit auch bei wärmeren Temperaturen sicherlich gut zu tragen ist - bei richtiger Sommerhitze sicherlich weniger - passen hier leichte Tweedsakkos, gerne auch mit Leinenanteil ganz hervorragend. Mir kommt hier der Gedanke an einen frischen und ruhigen Spätsommertag zwischen Normandie und Camarque in den Sinn, die Sonne scheint verhalten, Wind kommt auf und der grüne Duft der Natur wirbelt uns um die Nase. Eigentlich verbreitet er fast die Stimmung eines aristokratischen britischen Landlebens, denn auch mediterrane Nonchalance findet man hier nicht. "Racine" riecht in keiner Weise synthetisch und will absichtlich mit seiner Natürlichkeit punkten. Deshalb ging er mir wohl auch nie aus dem Gedächtnis, als ich ihn vor vielen Jahren das erste Mal roch. Er passt gut in meine Sammlung, ich mag die Unaufgeregtheit dieses Duftes. Vor einigen Jahren konnte ich mich in Nizza wiederholt nicht zum Kauf entschließen, aber vor einigen Wochen habe ich ihn dann doch gerne mitgenommen. Die Wahl war gut, ich freue mich.
Während sich 'L'Artisan Parfumeur' in den folgenden Jahren durch neue Parfumeure und modern gewagte Düfte ein zeitgemässes Ansehen erarbeitete, habe ich beim Anblick der Marke 'Maître Parfumeur' immer ein veraltetes und verstaubtes Gefühl. Will man sich bewusst gegen die Hektik der modernen Zeit stellen oder hat man es einfach verschlafen? Zudem sind die Düfte in Deutschland schwerer zu bekommen. Die bisher von mir getesteten Düfte finde ich sehr gut, wenn ich auch nicht alle besitzen muss. Sie können eher Menschen begeistern, die gut gemachtes qualitativ hochwertiges traditionell französisches Parfümeriehandwerk zu schätzen wissen. Moderne Artistik oder Minimalismus sucht man hier vergebens. Des Weiteren mag es auch am Namenszusatz 'et Gantier' liegen, denn 'Gantiers' waren Handschuhmacher, die im 17. und 18. Jahrhundert durch das Parfümieren der Handschuhe den eigentlichen Gerbgeruch des Leders eliminieren wollten. Natürlich kann man auch heute noch in der barock gestalteten Pariser Boutique parfümierte Handschuhe erwerben. Auch können die knallroten Herrenflakons mit ihrem, auch die Damenflakons zierenden gefühlten 3 Gramm leichten grauenhaft billig und riesigen mit Plastikstein verzierten Golddeckel, was eher an Karneval oder Harald Glööckler erinnert, sicherlich wenig junge Menschen begeistern. Immerhin funktioniert der Zerstäuber prima. Während man mit dem kleinen ultraschweren Golddeckeln der 'L'Artisan Parfumeur' Düfte wahrscheinlich Menschen erschlagen könnte, fliegen die 'Maître Parfumeur' Deckel im Zweifel gerade mal einen Meter weit.
In seinem Buch 'Perfumes - The Guide' vergibt Luca Turin an "Racine," das französische Wort für 'Wurzel,' fast die höchste Wertung mit vier von fünf möglichen Sternen und empfiehlt nicht weiterzusuchen, sofern man einen 'Zitrus Vetiver' Duft möchte. "Racine" sei irgendwo zwischen den zwei Vetiver Düften von 'Guerlain' und 'Carven' angesiedelt, ca. 1972. Eigentlich wäre damit schon alles gesagt, denn auch mich versetzt die lässig natürlich elegante Landlord-Stimmung des Duftes begeisternder weise eher in die Siebziger Jahre, obwohl er erst 1988 entstand. Der Auftakt ist im Stil der Zeit klassisch stark zitrisch und pikant, wohl auch hervorgerufen durch Johannisbeerblüten. Vielleicht ist ja noch eine einzelne leicht säuerliche Johannisbeere mit reingerutscht. Das könnte etvl. jüngere Menschen verschrecken, aber der Duft arbeitet sich wie früher üblich an seiner Pyramide in aller Ruhe ab.
Ziemlich schnell bemerke ich wunderbar frisch erdiges Vetiver, was farblich mit den Nuancen braun und grün spielt. Also eben zwischen frisch kühl und leicht warm erdig. Ab jetzt ist hier das Vetiver durchgehend präsent, dominiert den Duft aber nicht. Er ist Meilen entfernt vom hauseigenen zerstörerisch dunklen 'Route du Vetiver' oder Lalique's modern rauchigem 'Encre Noire.' Das wunderbare leicht wachsig-aldehydig und sehr charmant riechende 'Vetyver' von Givenchy empfinde ich - obwohl anders riechend - als passend. Während das Guerlain 'Vetiver' in Kombination mit Gewürzen und tabakartigen Aromen eine dunklere und intensive Färbung bekommt, würde ich den auch von Luca Turin vorgeschlagenen 'Vetiver' von Carven als fast zu farblos und wenig charakterstark bezeichnen, dafür kommt er jünger - weil reformuliert - daher.
"Racine" ist ganz klar kein moderner Duft, aber die Bezeichnung zeitlos passt gut. Durch die leichte Süße des Jasmins bindet sich dauerhaft eine florale Note mit ein. Die pikanten Johannisbeerblüten stützen den Jasmin, vermindern aber auch seine starke Süße. Eine aromatisch gartenkrautige Atmosphäre kommt mit auf, das mag der Lavendel sein. Der Korb voller Zitronen ist noch immer da und lässt sich auch der Duftpyramide zum Trotz bis zum Schluß nicht vertreiben. In diesem Spiel der frisch pikant grün krautig und leicht erdigen Noten aus Kopf - und Herznote dimmt sich langsam die warme Basisnote mit ein. Moosfans können sich freuen, denn auf der Packung werden Eichenmoos und Baummoos angegeben. Und tatsächlich gibt das Moos mit seiner leicht bitteren Wärme in Verbindung mit den sanft warm holzigen Noten von Sandelholz eine runde und erlösende Atmosphäre hinzu, um sich mit den kühl krautigen Noten zu verbinden. Eine Anhnung 'chypre' bringt sich mit ein, aber die nass grünen Facetten könnten den Duft auch als 'fougère' kategorisieren lassen, ich weiß es nicht. Die Moose und Sandelholz bekommen im Zweifel in der Basis etwas Unterstützung von trocken pfeffrigem Moschus, um die gute Haltbarkeit zu unterstützen und den Duft moosig holzig, sanft erdig und klar pikant ausklingen zu lassen. Das hat eine gewisse Eleganz und begeistert mich sehr.
"Racine" kann man gerne in der Stadt, auf dem Land, im Büro und zu Anzügen tragen, weil er nicht laut und raumfüllend ist. Obwohl er natürlich frisch und pikant heiter elegant bleibt, und damit auch bei wärmeren Temperaturen sicherlich gut zu tragen ist - bei richtiger Sommerhitze sicherlich weniger - passen hier leichte Tweedsakkos, gerne auch mit Leinenanteil ganz hervorragend. Mir kommt hier der Gedanke an einen frischen und ruhigen Spätsommertag zwischen Normandie und Camarque in den Sinn, die Sonne scheint verhalten, Wind kommt auf und der grüne Duft der Natur wirbelt uns um die Nase. Eigentlich verbreitet er fast die Stimmung eines aristokratischen britischen Landlebens, denn auch mediterrane Nonchalance findet man hier nicht. "Racine" riecht in keiner Weise synthetisch und will absichtlich mit seiner Natürlichkeit punkten. Deshalb ging er mir wohl auch nie aus dem Gedächtnis, als ich ihn vor vielen Jahren das erste Mal roch. Er passt gut in meine Sammlung, ich mag die Unaufgeregtheit dieses Duftes. Vor einigen Jahren konnte ich mich in Nizza wiederholt nicht zum Kauf entschließen, aber vor einigen Wochen habe ich ihn dann doch gerne mitgenommen. Die Wahl war gut, ich freue mich.
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