Als die man bei Maître Parfumeur et Gantier vor ein paar Jahren daran ging, die alten, größtenteils noch aus den achtziger Jahren und von Jean-François Laporte stammenden Kreationen des eigenen Katalogs den geänderten Bestimmungen - die Inhaltstoffe betreffend - umzuarbeiten, hatte ich eigentlich erwartet, dass dies dazu genutzt würde, das ein oder andere Werk aus dem Portfolio zu entfernen, aus Gründen der Nicht-Reformulierbarkeit oder weil sie sich über die Jahre einfach nur schlecht verkauften. ‚Parfum d’Habit’ gehörte für mich ganz sicher zu jenen Wackelkandidaten, da der Duft zu jener kleinen Familie von Werken zählt(e), die ihrer animalisch-fäkalen-oder-wie-auch-immer-prekären Aura wegen von ganz wenigen geliebt und engagiert vertreten, von der Mehrzahl aber unerbittlich verfolgt und mit den immergleichen Assoziationen verdammt werden, die da wahlweise Katzenpisse, Klosteine oder volle Babywindeln lauten.
Vertreter diese kleinen Gang vermeintlich übler Stinker sind die wohlbekannten: ‚Kouros’, ‚Yatagan’, ‚Jules’, ‚Eau d’Hermès’, das alte ‚Rose Poivrée’, ‚Shocking’ von Schiaparelli oder Montanas ‚Parfum de Peau’, ja für manche gehört sogar das gute alte ‚Jicky’ dazu. Und eben auch ‚Parfum d’Habit’.
Alle, wirklich restlos alle wurden im Zuge der umfassenden Reformulierungen der letzten Jahre gezähmt, entschärft und verschlankt, sodass sie heute in mitunter kaum wieder erkennbarer Gestalt vor uns stehen. Geliftet und gestrafft zwar, doch mit der unübersehbaren Gewichtsreduzierung ging auch der mehr oder minder komplette Verlust der einstmals sinnlich-frivolen Ausstrahlung einher – deutlich erlebbar beispielsweise an ‚Rose poivrée’, das zuvor so viele an den Geruch getragener Herrenunterwäsche denken ließ, und nunmehr als Rose mit kleinem Hautgout beschrieben wird.
‚Parfum d’Habit’, so wie es heute vor uns tritt, ist gleichermaßen nur noch ein Abglanz vergangener, vor erotischer Vibes nur so strotzender Tage. Einstmals war es ein kräftiger Lederduft, durchdrungen von tierischen Ausdünstungen, dem Geruch von auf pulsierender Haut trocknenden Schweißes und den Aromen eines edlen, klassischen Herrencolognes. Das mag jetzt für manche scheußlich klingen, doch wie man so schön sagt: die Mischung macht’s. Wer ‚Parfum d’Habit’ trug, der roch nicht – wie man nach meiner Beschreibung vermuten könnte – nach nassem Hund oder verschwitztem Bauarbeiter, eingedieselt mit billigem Drogeriefusel. Nein, ‚Parfum d’Habit’ hatte Klasse, und was für eine! Ein Duft, der eine gewisse Erhabenheit und Autorität ausstrahlte, gewissermaßen ein ‚Eau d’Hermès’ hoch zwei: aristokratisch, aber nicht dünkelhaft und dekadent, sondern überlegen und ein wenig hochmütig, dabei raubeinig und kerlig wie kaum ein anderer. Ein Duft, dessen Ego allerdings auch immer eine Spur größer war, als dasjenige des Trägers.
Kein Wunder, dass er immer wieder mit Clint Eastwood in Verbindung gebracht wurde – er, dessen unzweifelhafte Männlichkeit nie etwas Proletenhaftes hatte, sondern fast etwas strenges, calvinistisches. Er, der aus stahlblauen, oft zusammengekniffenen Augen wahre Blitze der Verachtung schleudern konnte, und selbst im Untergang durch wahre Haltung siegte, er wäre tatsächlich der ideale Träger des alten ‚Parfum d’Habit’ gewesen.
Doch auch das neue ist noch immer ein großartiger Duft, selbst wenn da nicht mehr good ole’ Clint auf stolzem Pferd einher reitet, sondern nur noch die Erinnerung an ihn.
Wer aber das alte ‚Parfum d’Habit’ nicht mehr kennt, dem mag das neue vollends genügen, denn es ist vor allem eines geworden: tragbarer.
Ursprünglich seitens der Hersteller mit dem – nicht unbegründeten - Hinweis versehen, man möge den Duft in die Innenseite einer Jacke, einer Weste oder eines Mantels sprühen (l’habit – der Anzug, Frack, Gewand etc.) und trüge dann den ganzen Tag einen raffinierten Duft mit sich, kann man ‚Parfum d’Habit’ heute problemlos auch auf die Haut sprühen. Nicht unbegründet war der Hinweis deswegen, weil sich die animalische Seite des Duftes auf warmer Haut allzu rasant entwickelte, und die frischen und fruchtigen Akzente augenblicklich unter sich begrub. Auf Stoff aber blieb alles in wunderbarer Balance. Diese Balance ist nun auch auf der Haut zu erleben, sodass neben leichten zitrischen Akkorden jetzt eine sehr schöne Johannisbeer-Note zum Vorschein kommt, gerahmt und kontrastiert von einem Dreiklang aus Vetiver, Patchouli und Sandelholz, zugleich getragen von einem ledrigen Fond mit kräftigen Moschus-Akzenten.
Mag ich insgeheim auch bedauern, dass die ursprüngliche Gewalt perdu ist, so muss ich doch anerkennen, dass der Duft dadurch nicht nur tragbarer wurde, sondern darüber hinaus jetzt auch klassischere Proportionen und eine gewisse Distinktion enthüllt, die zuvor unter lauter (für die achtziger Jahre so typischer) Testosteron-geladener Wucht verborgen blieb.
Vielmehr präsentiert er sich heute als raffinierter, frisch-fruchtiger, maskuliner Lederduft mit leichten, aber erträglichen, das Umfeld nicht allzu sehr penetrierenden animalischen Nuancen.
In seiner jetzigen Fassung kann ich ‚Parfum d’Habit’ mit Genuss tragen. Mit dem alten aber fühlte ich mich doch ein wenig unwohl, vielleicht auch überfordert.
Womöglich aber war ich auch einfach zu jung.
Klasse jedenfalls besitzt er noch immer, leider aber nicht mehr die einstmalige Haltbarkeit – er ist recht flüchtig geworden.
Sei’s drum.
Clint Eastwood, der Westernheld: geschrubbt, gebadet und in der modernen Zivilisation angekommen, doch immer noch er selbst.
Wunderbar!