Little Song 2018

Medianus76
05.11.2022 - 20:05 Uhr
32
Top Rezension
8
Preis
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Abendflimmern über den Dächern von Florenz

Das leuchtend geschärfte Abendrot lässt die letzten Sonnenstrahlen des Tages durch die altflorentinischen Straßen kullern. Das geschäftige und hektische Treiben des Tages weicht italienischer Gelassenheit und der nahende Abend legt sich wie ein warmwürziger Schleier auf die kurz zuvor noch pulsierenden und belebten Gassen der Stadt.
Eine Bar um die Ecke verströmt den unwiderstehlichen Duft von frisch gemahlenem Kaffee, unmöglich sich dieser Eleganz zu entziehen, lädt sie ein hier ein bisschen zu verweilen und den Ausklang des Tages zu genießen.
Das über viele Jahrzehnte eingetretene Kopfsteinpflaster, glänzt und schimmert durch die untergehenden Sonnenstrahlen als sei es mit einer Schicht Harz überzogen und lässt die Hitze des scheidenden Tages über dem Boden flirren und flimmern wie ein wabernder Teppich. Aus der gegenüberliegenden Tabaccheria dringt der Geruch von saftigem Tabak hinaus auf die Straße und buhlt, gemeinsam mit den Kaffee-Aromen, um die Aufmerksamkeit der Menschen. Irgendwo aus der Ferne erklingt „I Maschi“ von Gianna Nannini und an den hübsch verzierten und uralten Holzfassaden der Häuser ranken sich wurzelige und knarzige Gräser nach oben, so als ob sie von den letzten Sonnenstrahlen der untergehenden Sonne nochmal geküsst werden möchten.
Ganz oben, auf den Dächern der Stadt, schließen ein Paar Rosen ihre Kelche und begrüßen die erdigen Schatten der Nacht…

***

Für mich beginnt „Little Song“ genau da, wo andere Düfte wie z.B. Ambre Tabac oder Herod, die ebenso das Thema Tabak beinhalten, aufhören. Elegant und kräftig, ausdrucksstark und mindestens außergewöhnlich würde ich diesen Duft von Meo Fusciuni beschreiben.

Allerdings ist dieser Duft kein expliziter Tabakduft. Es ist vielmehr die unglaublich interessante Wandlung, die dieser Duft in der Lage ist zu vollziehen. Ist der Auftakt noch von einer gewissen Schärfe und relativ kurz anhaltenden Frische durch die Bergamotte bestimmt, so übernimmt sehr schnell eine wundervolle Kaffeenote die Regie. Dabei handelt es sich definitiv um frisch gemahlenen italienischen Kaffee, nicht um aufgebrühten oder gar Kaffeesatz.

Dieser Grundtenor bleibt im Prinzip den ganzen Duftverlauf über erhalten, allerdings schwindet nach einer gewissen Zeit die Intensität des Kaffees bzw. wird ergänzt durch ein erhabenes Tabakaroma, welches zum Stil des Duftes ungemein gut passt und ihn äußerst stimmig erscheinen lässt.
Italienische Eleganz par excellence!
Wenn diese beiden Komponenten dann eine anhaltende Symbiose eingegangen sind, kommen knarzige und erdige Vetiver-Wurzeln zum Vorschein, welche dem Duft einen holzigen, leicht erdigen Anstrich verpassen.
Sinnvoll eingebundene Harze fixieren den Duft und räumen einen gewissen Ermessensspielraum ein, um als Träger die Komponenten besser zu differenzieren und wahrzunehmen!
Am Ende sei noch erwähnt, dass die Rose tatsächlich auf den Dächern steht. Für mich kaum zu verzeichnen und wenn, dann in keiner Weise störend.

Meo Fusciuni ist mit „Little Song“ ein wirklich spannender Wurf gelungen, den es unbedingt zu testen lohnt, allein schon wegen der Vielschichtigkeit des Duftverlaufs. Das Label hat mich ohnehin schon oft überzeugt und bestätigt meine Meinung mit diesem Exemplar erneut.
Da sich manche seiner Werke auch stark im experimentellen Bereich bewegen, kann man diesem hier eine hervorragende Tragbarkeit attestieren. Auch die Haltbarkeit lässt mit mehreren Stunden keine Wünsche offen, selbst wenn das kleine Lied nach ca. 3 Stunden eher in der Nähe seines Trägers oder Trägerin erklingt…
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