20.02.2024 - 02:13 Uhr
Intersport
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Détour V • L P P • R I P • ? !
Nach nur fünf Jahren wurde Le participe passé in der letztjährigen Umstrukturierung bei Lutens neben meinen Favoriten wie El Attarine (2008) aus dem Programm genommen. Nun, fünf Jahre sind bei vielen Herstellern nichts besonderes mehr, doch bei Lutens, die eine Vielzahl ähnlicher ‘special interest' Parfums schon mal seit zwei oder drei Dekaden im Programm hat, schon. Sign 'O' the Times. Aus diesem Anlass drösele ich meinen alten Text dazu nochmal auf, zu schräg, eigenwillig aber vor allem sympathisch war mir Le participe passé.
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Durch die wiederholte, konsequente Verwendung von 'bois' seit Beginn der 90'er Jahre ist Lutens sicher - historische Bespiele à la Bois des Iles (1926) mal ausgenommen - mitschuldig an unzähligen 'bois' Titel bei anderen Herstellern, bzw. ganzer Marken Namen. Allein in der Datenbank hier über 400 Einträge. Als ich das erste Mal von Le participe passé gehört habe, war mir klar dass grammatikalische Formen als Titel wohl nie ähnliche Popularität erreichen werden, aber allemal ein einprägsamer Name.
Le participe passé war Resultat einer interessanten Entwicklung, der mehrere eng-verwandte Veröffentlichungen folgen sollten. 2014 begann Lutens Düfte als Parfum Konzentration zu veröffentlichen, in den gleichen, klassischen rechteckigen Flakons die die Marke für ihre, zeitweise als ‘Export Linie’, um den Unterscheid der lange nur im Palais Royale erhältlichen Schüttflakons zu betonen - diese, als Section d’Or kategorisiert, lagen bei rund 500 EUR, und stellten, gerade bei den damals noch halbwegs moderaten Preisen bei Lutens einen deutlichen price-jump dar, obendrein wurden von Lutens hier ganz und gar keine Noten in den spekulativen Raum geworfen. Die Verpackung war exquisit, vielleicht eines der besten Beispiele, was für eine lange Tradition Geschenkverpackungen in Japan haben: ein aus scheinbar strukturierten Krepppapier gestalteter Innenkarton, eine in Verlauf von dunkel zu durchsichtig eingefärbte Außenhülle aus Kunststoff, die Mechanismen zum rausnehmen des eigentlichen Flakons derart durchdacht, dass Sie einfach funktionieren und zu keinem Moment Verwunderung oder Kopfzerbrechen über Produktdesign aufkommen lassen. Ein Experiment? Es war abzuwarten wie lange das in dieser Konstellation von Kontextualisierung & Preis, zu diesem Zeitpunkt gut gehen wird - obendrein waren einige dieser Düfte auch keine leichte Kost. Bourreau des Fleurs (2017) war der letzte dieser Serie, ich empfehle Gold’s Rezension dazu, ein trotz Titel abstrakt floraler Duft mit einer tragenden Immortelle Note.
Abgesehen von dessen geruchlichen Profil: Bourreau des Fleurs war quasi der Anstoss für drei bzw. vier weitere Veröffentlichungen: Le participe passé, L'Innommable (ebenfalls 2018), L'Eau Armoise (2019) und La proie pour l'ombre (2021) - der grüne Faden ist bei allen eine stark modulierte, aber dennoch zentrale Immortelle-artige Note, obwohl diese im Marketing konsequent unterschlagen wird, nur bei L'Eau Armoise wurde Anfangs kurzzeitig darauf verwiesen, bald aber zurückgerudert.
Das war nicht immer so: sogar bei Chergui (2001), für lang Zeit sicher Zugpferd der Marke, wurde in Print-Anzeigen Anfang der 2000'er Jahre - die als Untertitel vom ‘le Parfum du desert’, also dem Duft der Wüste sprachen - Immortelle als ganz direkt als Mitwirkende erwähnt: Aber auch Santal de Mysore (1991), Arabie (2000), Chêne (2004), Chypre Rouge (2006), El Attarine (2008), Jeux de Peaux (2011) setzten auf die Immortellen, mal deutlicher, mal abstrahierter, der komplexe, gerne schon mal dominierende Charakter der Note wird vielseitigst ausgeleuchtet, Christopher Sheldrake scheint sich lange damit beschäftigt zu haben. Vielleicht war das Trio bzw. Quartett ausgehend von Bourreau des Fleurs auch nochmal eine interne Ansage zu dieser langjährigen Beschäftigung?
Le participe passé startet mit grünen Beifuß, weit deutlicher als in L'Eau Armoise, doch herbal-erfrischend ist Le participe passé nur für Momente, schnell verschiebt sich das Spektrum: hier wurde zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ‘Egyptian balsam' erwähnt, Bezeichnung einer essbaren, dattel-artigen Frucht, Balanites aegyptiaca, dt. Wüstendattel, was auch gut ins Bild passt, auf deren Nennung wurde wiederum auch bald verzichtet. Abstrakt trockenfruchtig, herber als etwa in Arabie, unkonkreter als in El Attarine, weniger Waldbeeren-artig als Chypre Rouge, gepaart mit einer viskosen, mehr summierte Textur denn konkrete Koniferen Spezies Pinien(?) Harz Note, überlagert von Menthol-artigen Schlieren, meterhoch einbalsamiert, fast mumifiziert, massiv, aber schwer zu greifen. Darunter schlummert besagt Immortellen-artiges. Im Jahr es Erscheinens konnte ich in IFF/LMR's 'Immortelle extrait' einsehen, dieses extrem dichte Produkt, das auch in seiner Farbigkeit Le participe passé ähnelt, startet mit einer malzigen, bitteren fast schon Kaffee-artigen Note, die erst mal nur wenig mit dem typischen Geruch gemein hat, den die Pflanze in vivo abgibt; Le participe passé greift diesen quasi savory-gourmanden Aspekt auf, leicht sirupös, angebrannter Zucker, dabei aber nicht explizit süß, mit Sellerie-artigen Würz-Nuancen (à la L'Être Aimé Homme (2008)) - und zieht das alles in Länge, eine art molekularer time-stretch. Diese Facette ähnelt den, wenn auch von mir imaginär-isolierten, ‘Soya Akkord' aus Comme des Garçons Series Luxe: Patchouli (2007).
Dass dieses nicht-florale, nicht-hesperidische, nicht-klassisch-ambrierte, nicht-westlich-orientalistische, aber ja im besten Sinne durch und durch gewürzige Parfum mit derartigen Titel kein Hit sein sollte und sich Beschreibung bei einem 'Verkaufs Gespräch' möglicherweise entzieht, kann ich mir vorstellen – Unaussprechbarkeit wurde letztlich Thema bei L'Innommable aus dem gleichen Jahr – vielleicht blieb auch deshalb Le participe passé ein unterbelichteter Duft, der, bei all den erwähnten interneren Referenzen, sehr eigen war.
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Durch die wiederholte, konsequente Verwendung von 'bois' seit Beginn der 90'er Jahre ist Lutens sicher - historische Bespiele à la Bois des Iles (1926) mal ausgenommen - mitschuldig an unzähligen 'bois' Titel bei anderen Herstellern, bzw. ganzer Marken Namen. Allein in der Datenbank hier über 400 Einträge. Als ich das erste Mal von Le participe passé gehört habe, war mir klar dass grammatikalische Formen als Titel wohl nie ähnliche Popularität erreichen werden, aber allemal ein einprägsamer Name.
Le participe passé war Resultat einer interessanten Entwicklung, der mehrere eng-verwandte Veröffentlichungen folgen sollten. 2014 begann Lutens Düfte als Parfum Konzentration zu veröffentlichen, in den gleichen, klassischen rechteckigen Flakons die die Marke für ihre, zeitweise als ‘Export Linie’, um den Unterscheid der lange nur im Palais Royale erhältlichen Schüttflakons zu betonen - diese, als Section d’Or kategorisiert, lagen bei rund 500 EUR, und stellten, gerade bei den damals noch halbwegs moderaten Preisen bei Lutens einen deutlichen price-jump dar, obendrein wurden von Lutens hier ganz und gar keine Noten in den spekulativen Raum geworfen. Die Verpackung war exquisit, vielleicht eines der besten Beispiele, was für eine lange Tradition Geschenkverpackungen in Japan haben: ein aus scheinbar strukturierten Krepppapier gestalteter Innenkarton, eine in Verlauf von dunkel zu durchsichtig eingefärbte Außenhülle aus Kunststoff, die Mechanismen zum rausnehmen des eigentlichen Flakons derart durchdacht, dass Sie einfach funktionieren und zu keinem Moment Verwunderung oder Kopfzerbrechen über Produktdesign aufkommen lassen. Ein Experiment? Es war abzuwarten wie lange das in dieser Konstellation von Kontextualisierung & Preis, zu diesem Zeitpunkt gut gehen wird - obendrein waren einige dieser Düfte auch keine leichte Kost. Bourreau des Fleurs (2017) war der letzte dieser Serie, ich empfehle Gold’s Rezension dazu, ein trotz Titel abstrakt floraler Duft mit einer tragenden Immortelle Note.
Abgesehen von dessen geruchlichen Profil: Bourreau des Fleurs war quasi der Anstoss für drei bzw. vier weitere Veröffentlichungen: Le participe passé, L'Innommable (ebenfalls 2018), L'Eau Armoise (2019) und La proie pour l'ombre (2021) - der grüne Faden ist bei allen eine stark modulierte, aber dennoch zentrale Immortelle-artige Note, obwohl diese im Marketing konsequent unterschlagen wird, nur bei L'Eau Armoise wurde Anfangs kurzzeitig darauf verwiesen, bald aber zurückgerudert.
Das war nicht immer so: sogar bei Chergui (2001), für lang Zeit sicher Zugpferd der Marke, wurde in Print-Anzeigen Anfang der 2000'er Jahre - die als Untertitel vom ‘le Parfum du desert’, also dem Duft der Wüste sprachen - Immortelle als ganz direkt als Mitwirkende erwähnt: Aber auch Santal de Mysore (1991), Arabie (2000), Chêne (2004), Chypre Rouge (2006), El Attarine (2008), Jeux de Peaux (2011) setzten auf die Immortellen, mal deutlicher, mal abstrahierter, der komplexe, gerne schon mal dominierende Charakter der Note wird vielseitigst ausgeleuchtet, Christopher Sheldrake scheint sich lange damit beschäftigt zu haben. Vielleicht war das Trio bzw. Quartett ausgehend von Bourreau des Fleurs auch nochmal eine interne Ansage zu dieser langjährigen Beschäftigung?
Le participe passé startet mit grünen Beifuß, weit deutlicher als in L'Eau Armoise, doch herbal-erfrischend ist Le participe passé nur für Momente, schnell verschiebt sich das Spektrum: hier wurde zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ‘Egyptian balsam' erwähnt, Bezeichnung einer essbaren, dattel-artigen Frucht, Balanites aegyptiaca, dt. Wüstendattel, was auch gut ins Bild passt, auf deren Nennung wurde wiederum auch bald verzichtet. Abstrakt trockenfruchtig, herber als etwa in Arabie, unkonkreter als in El Attarine, weniger Waldbeeren-artig als Chypre Rouge, gepaart mit einer viskosen, mehr summierte Textur denn konkrete Koniferen Spezies Pinien(?) Harz Note, überlagert von Menthol-artigen Schlieren, meterhoch einbalsamiert, fast mumifiziert, massiv, aber schwer zu greifen. Darunter schlummert besagt Immortellen-artiges. Im Jahr es Erscheinens konnte ich in IFF/LMR's 'Immortelle extrait' einsehen, dieses extrem dichte Produkt, das auch in seiner Farbigkeit Le participe passé ähnelt, startet mit einer malzigen, bitteren fast schon Kaffee-artigen Note, die erst mal nur wenig mit dem typischen Geruch gemein hat, den die Pflanze in vivo abgibt; Le participe passé greift diesen quasi savory-gourmanden Aspekt auf, leicht sirupös, angebrannter Zucker, dabei aber nicht explizit süß, mit Sellerie-artigen Würz-Nuancen (à la L'Être Aimé Homme (2008)) - und zieht das alles in Länge, eine art molekularer time-stretch. Diese Facette ähnelt den, wenn auch von mir imaginär-isolierten, ‘Soya Akkord' aus Comme des Garçons Series Luxe: Patchouli (2007).
Dass dieses nicht-florale, nicht-hesperidische, nicht-klassisch-ambrierte, nicht-westlich-orientalistische, aber ja im besten Sinne durch und durch gewürzige Parfum mit derartigen Titel kein Hit sein sollte und sich Beschreibung bei einem 'Verkaufs Gespräch' möglicherweise entzieht, kann ich mir vorstellen – Unaussprechbarkeit wurde letztlich Thema bei L'Innommable aus dem gleichen Jahr – vielleicht blieb auch deshalb Le participe passé ein unterbelichteter Duft, der, bei all den erwähnten interneren Referenzen, sehr eigen war.
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