03.11.2020 - 05:36 Uhr
Intersport
90 Rezensionen
Intersport
Top Rezension
25
Lutens' Labdanum*
La Couche du Diable ist Lutens' bemerkenswerte Interpretation von Labdanum*. Man könnte sich durchaus fragen, warum erst jetzt, passt die Cistrose, von der dieser komplexe Riechstoff stammt, doch gut in das SL Beuteschema. Eine Pflanze mit harzig duftenden, klebrigen Blättern, und langer kulturhistorischer Bedeutung, bis in die Pharaonenzeit; ein Gewächs das auf kargsten Böden gedeiht, und dabei Hitze, wie tiefsten Temperaturen bei Nacht, und heftigsten Regenschauern trotzt. Das extrem harzige, trockene, leicht gummi artige, wie in den anderen Kommentaren treffend erwähnt, spiegelt sich vielleicht auch im Namen wieder. Couche kann, neben allen anderen Wortspielen, wie oft bei Lutens, auch ganz einfach der 'Anstrich' oder 'Schicht' gelesen werden.
Die Kombination von trockener Harzigkeit, Hitze und Fruchtigkeit erweckt vague Erinnerungen an andere Lutens': Arabie oder Fille en Anguille. Diese Assoziation mit älteren Lutens Parfums wirft fuer mich Fragen auf: Seit gut fast 30 Jahren produziert Lutens mit Sheldrake eine Anzahl von polarisierenden und immer noch viel diskutierten Parfums wie kaum andere. Vielleicht ist es auch gerade deshalb, dass Diskussionen von neueren Lutens' oft Bemerkungen wie 'Lutens von früher', 'old style Serge', etc. erwähnen. Das ist bemerkenswert, eine Sichtweise ist, die bei Diskussionen um andere Häusern kaum vorkommt. Ich habe zumindest noch nie von Guerlain von früher, oder dergleichen gelesen. Und welches 'früher' ist gemeint? Richtungswechsel gab es bei Lutens immer wieder. Angefangen von den vielen 'Bois' Variationen, weiter zu deziediert nordafrikanischen, ortientalischen Kulturraeumen, oder ausgeprochen französischen Themen, wie Eiche, Vetiver, Lavdendel und Thymian, etc. Bei neueren Parfums wie L'Innomnable, Le participe passé sowie eben auch La Couche du Diable, musste ich, bei aller Vorsicht mit solchen Nostalgien aber dann doch gleich ein ein paar Serge Features denken, ich mir bekannt sind.
La Couche präsentiert die Vorstufe von Labdanum ähnlich wie 'Fille' Pinie - eine Inszenierung der harzigen Qualitäten die nur in den heißesten Klimata zur Geltung kommen. Alle die schon mal Cistrosen 'in natura' erlebt haben, werden schnell daran erinnert. Bei aller Harzigkeit und der Erwähnung von 'Fille' ist La Couche du Diable kein suesser Duft. Das Opening ist sogar regelrecht sauer und erinnert mich wie Bergamotte zum Teil eingesetzt werden kann - z.B. wie in Comme des Garçons 'Tar' oder auch in Helmut Lang's 'Cuiron'. Bei 'La Couche' wird diese gewöhnungsbedürftige Säure jedoch intensiviert und in ein eher geschmackliches Feld verschoben, mehr Vitamin C auf der Zunge als was Zitrisches in der Nase. Ist man erstmal durch diese Phase, in der ich auch einen Tick von etwas Immortelleartigen vermute (eine Zutat die in letzter Zeit bei Lutens, wenn auch nicht offiziell, oft verwendet wird), entwickelt sich der Duft in einen der schönsten Labdanum drydowns die ich kenne: Gewuerze, noch mehr Harziges, die besagten trockenden Früchte; eine gewisse ähnlich zu Comme des Garçons SKAI schimmert durch, wobei 'La Couche' verzerrter und tiefschichtiger wirkt. Alles in allem ein sehr tolles, eigenwilliges Parfum, das durchaus das Zeug dazu hat, in ein paar Jahren genau so alleinstehend und außergewöhnlich darzustehen, wie ein paar der intensiven 'Lutens von früher'…
* es müsste Lutens' Zistrose heissen: der Duft portraitiert die umprozessierten Sektionen der Pflanze und nicht das daraus gewonnene Labdanum. Lutens' Labdanum, ist, wenn auch komplexer, Ambre Sultan.
5 Antworten