15.06.2020 - 04:18 Uhr
Parfümlein
123 Rezensionen
Parfümlein
Top Rezension
20
Meditative Stille im Schrein von Itsukushima
...oder: Eine Auseinandersetzung mit einem Duft in mehreren Kapiteln.
Kapitel 1: Unterschiedliche Wahrnehmungen desselben Duftes
Es ist unglaublich interessant, wie verschieden dieser Duft hier beschrieben wird in den Kommentaren und Statements. Mein Dufteindruck ist noch einmal ein wenig anders: Auch ich nehme zarte mineralische Noten und Salz wahr, was mich sofort an das Meer denken lässt; dazu zeigt sich schon im Opening eine würzige, frische Kräuternote sanftester Art, wirklich absolut sanftester Art - das muss wohl Myrrhe sein. Rauch nehme ich nicht wahr und er zeigt sich bei mir auch nicht im Herz. Was sich am Anfang darstellt, sind Assoziationen an wildschäumende Gischt, Dünengras, Wind und Wolken - ein wildes Meer, in der Bretagne, in Schottland wird hier gezeichnet. Dann jedoch, bereits nach etwa 30 Minuten schlägt alles um: Die Noten verschmelzen, harmonieren auf fantastische Weise und ergeben eine Duftnote, wie sie schöner und authentischer nicht sein könnte: Sonnencreme der feinsten, köstlichsten Art. Wer "19 Louanges Profanes" von Pierre Guillaume kennt, weiß, um welche Noten es sich dabei handelt; "Deep Island" ist in seinem Herzen dem PG-Duft sehr ähnlich, der die Sonnencreme eher in der Kopfnote hat. Insofern ist "Deep Island" noch viel mehr als "19 Louanges Profanes" geeignet, um eine echte, authentische Sonnencreme-Note über viele Stunden an sich zu spüren. Ein leichter Vanilleton zeigt sich bei mir erst nach vielen, vielen Stunden, am Abend. Vorher bleibt diese köstliche Sonnencreme.
Aber die Statements und Kommentare zeigen schon, was auch ich deutlich empfinde: Dieser Duft ist unglaublich vielschichtig und macht eine Entwicklung durch, die man nur erleben kann, wenn man diesen Duft wirklich viele Male über viele Stunden lang trägt.
*****
Kapitel 2: Die Sommerduft-Familie von Simone Andreoli
Diese Qualität des Duftes macht ihn für mich zu einem meiner absoluten Sommer-Favoriten des Jahres, und mir ist heute aufgefallen, dass ich im Grunde mit dieser Marke einen ganzen langen Sommer bestreiten kann: Drei wunderbare Sommerdüfte hat Simone Andreoli kreiert (was mag da noch auf mich warten, was ich noch nicht kenne?). "Deep Island" ist der Sonnencreme-Duft, der absolutes Wohlbefinden garantiert. "Malibù - Party in the Bay" ist der zitrische Frischekick am Morgen, so schön wie "Virgin Island Water" und diesem sehr, sehr ähnlich. "Leisure in Paradise", der erst in diesem Jahr lanciert wurde, ist der Sommergourmand par excellence: Mit exotischen Früchten und viel Kokos wiegt er einen in karibischen Träumen. Insgesamt finde ich diese Marke bisher fantastisch. Gerne würde ich Tipps von Euch bekommen, was von denen noch empfehlenswert ist. Gibt es einen exotischen Blütenduft für den Sommer?
****
Kapitel 3: Simone Andreolis "Diario olfattivo"
"Diario olfattivo" nennt Simone Andreoli seine Parfumgeschichte und ich finde dies so nachvollziehbar: Jeder Duft spricht in schönsten Worten zu mir. Lassen wir uns davon inspirieren, was Simone Andreoli selbst zu "Deep Island" sagt, in winziger, fein geschwungener Schreibschrift auf den Flakon geprägt. Ich versuche, den italienischen Text für Euch zu übersetzen:
"Entrückt vom Rauch
befrage ich mein Inneres
um nach der verlorensten Essenz
meiner Person zu suchen:
nach meiner Seele.
Ich finde keine klaren Antworten
aber ich lenke mein Schiff durch das Dunkel
dieses inneren Friedens
der mich zu führen scheint
wie ein Meister
in jedem Fragment meines Herzens.
In dieser unermüdlichen Suche
fühle ich mich beherbergt
in einer Oase
parallel zur Mahnung
wo die Zeit stillsteht
und alles aufhört
schnell und stürmisch zu sein,
um ein Gleichgewicht zu werden
der Ruhe und der Sinne."
Dieser sehr poetische Text - was Andreoli mit der Mahnung meint, weiß ich leider auch nicht - wird ergänzt durch einen weiteren poetischen Text seines Dufttagebuches. Er befindet sich auf der Innenwand des Deckels und handelt von einem Besuch des berühmten Itsukushima-Schreins auf der japanischen Insel Miyajima:
"Ich werfe einen Blick über meine Schultern,
während ich mich entferne von Hiroshima
auf dieser Fähre, die Gewässer durchfurcht,
Zuschauer einer Zeit, unversehrt in ihrer Tiefe.
Ich beginne, von Weitem das eindrucksvolle Torii wahrzunehmen,
das Tor in das Heiligtum von Itsukushima,
wo Heilige und Menschen zusammenleben im Respekt
vor der antiken japanischen Kultur.
Mitsuko geht mit uns, mit Eleganz und Haltung,
seidigem Haar und einem tiefen braunen Horizont in den Augen.
Die Pagode empfängt uns und lädt uns ein,
die schweren Kleider abzulegen, um
nur das Wesentliche zu tragen.
Die Pagode kleidet sich mit uns und flüstert unsere Ängste,
sie im Exil unserer Gegenwart hauchend.
Ich werde mir bewusst darüber, dass ich nicht mehr
hinaufsteige zwischen diesen diffusen Korridoren;
ich steige langsam hinab,
ohne mich noch zu sehen.
Ich unterscheide nicht mehr die Grenzen
zwischen Schatten und Licht.
Ich werde zu einer fratzenhaften Figur,
unscharf skizziert zwischen
Myrrhe und Moschus.
Ich erinnere mich an ein Gefühl von Verwirrung
und Ordnung
in einem Geist, der aufgewühlt von Zweifel und Unsicherheit ist,
dann auch an eine Spur von Klarheit und Mäßigung
im Gleichgewicht der Suche.
Hier ist sie, die Stille in meinem Herzen,
das sich hinausgelehnt hat, um dieser Insel zuzuhören,
die sich selbst erzählt, mit müden Worten,
dass Gegenwarten das Kommen ihres Inneren
bewahren."
*****
Kapitel 4: Die authentische Inspiration: der Itsukushima-Schrein
Ein schwieriger und unglaublich poetischer Text; wenn jemand Übersetzungsverbesserungen hat, bitte schreibt es mir. Es hat mir doch einige Mühe bereitet, diese lyrischen Worte ins Deutsche zu übersetzen, doch denke ich, dass die Worte, mit denen der Parfumeur seinen Duft präsentiert, viel über seine Intention und Inspiration verraten. Nun wissen wir, dass er mit "Deep Island" die japanische Insel Miyajima meint, die er als tief meditativ empfunden hat. Miyajima mit ihrem berühmten Schrein, der im 6. Jahrhundert entstand und in seiner heutigen Form seit 1168 besteht, gehört zu den drei schönsten Landschaften Japans, so der 1583 in Kyoto geborene konfuzianische Gelehrte Hayashi Razan. Es ist also ein Duft, der von jahrhundertealter japanischer Meditation inspiriert wurde, und insofern hat Marquise27 den Duft intuitiv perfekt beschrieben. Meine Bretagne-Assoziationen sind da eher ein individuelles Duftgefühl... In jedem Fall ist "Deep Island" ein wunderschöner Sommerduft, der von Stille und innerem Frieden am Meer erzählt.
Diesen Duft möchte ich nie mehr missen. Seine wunderbare Wandlungsfähigkeit, seine Zartheit und Ausgewogenheit, seine lyrische Inspiration sind für mich ein Meisterwerk.
Kapitel 1: Unterschiedliche Wahrnehmungen desselben Duftes
Es ist unglaublich interessant, wie verschieden dieser Duft hier beschrieben wird in den Kommentaren und Statements. Mein Dufteindruck ist noch einmal ein wenig anders: Auch ich nehme zarte mineralische Noten und Salz wahr, was mich sofort an das Meer denken lässt; dazu zeigt sich schon im Opening eine würzige, frische Kräuternote sanftester Art, wirklich absolut sanftester Art - das muss wohl Myrrhe sein. Rauch nehme ich nicht wahr und er zeigt sich bei mir auch nicht im Herz. Was sich am Anfang darstellt, sind Assoziationen an wildschäumende Gischt, Dünengras, Wind und Wolken - ein wildes Meer, in der Bretagne, in Schottland wird hier gezeichnet. Dann jedoch, bereits nach etwa 30 Minuten schlägt alles um: Die Noten verschmelzen, harmonieren auf fantastische Weise und ergeben eine Duftnote, wie sie schöner und authentischer nicht sein könnte: Sonnencreme der feinsten, köstlichsten Art. Wer "19 Louanges Profanes" von Pierre Guillaume kennt, weiß, um welche Noten es sich dabei handelt; "Deep Island" ist in seinem Herzen dem PG-Duft sehr ähnlich, der die Sonnencreme eher in der Kopfnote hat. Insofern ist "Deep Island" noch viel mehr als "19 Louanges Profanes" geeignet, um eine echte, authentische Sonnencreme-Note über viele Stunden an sich zu spüren. Ein leichter Vanilleton zeigt sich bei mir erst nach vielen, vielen Stunden, am Abend. Vorher bleibt diese köstliche Sonnencreme.
Aber die Statements und Kommentare zeigen schon, was auch ich deutlich empfinde: Dieser Duft ist unglaublich vielschichtig und macht eine Entwicklung durch, die man nur erleben kann, wenn man diesen Duft wirklich viele Male über viele Stunden lang trägt.
*****
Kapitel 2: Die Sommerduft-Familie von Simone Andreoli
Diese Qualität des Duftes macht ihn für mich zu einem meiner absoluten Sommer-Favoriten des Jahres, und mir ist heute aufgefallen, dass ich im Grunde mit dieser Marke einen ganzen langen Sommer bestreiten kann: Drei wunderbare Sommerdüfte hat Simone Andreoli kreiert (was mag da noch auf mich warten, was ich noch nicht kenne?). "Deep Island" ist der Sonnencreme-Duft, der absolutes Wohlbefinden garantiert. "Malibù - Party in the Bay" ist der zitrische Frischekick am Morgen, so schön wie "Virgin Island Water" und diesem sehr, sehr ähnlich. "Leisure in Paradise", der erst in diesem Jahr lanciert wurde, ist der Sommergourmand par excellence: Mit exotischen Früchten und viel Kokos wiegt er einen in karibischen Träumen. Insgesamt finde ich diese Marke bisher fantastisch. Gerne würde ich Tipps von Euch bekommen, was von denen noch empfehlenswert ist. Gibt es einen exotischen Blütenduft für den Sommer?
****
Kapitel 3: Simone Andreolis "Diario olfattivo"
"Diario olfattivo" nennt Simone Andreoli seine Parfumgeschichte und ich finde dies so nachvollziehbar: Jeder Duft spricht in schönsten Worten zu mir. Lassen wir uns davon inspirieren, was Simone Andreoli selbst zu "Deep Island" sagt, in winziger, fein geschwungener Schreibschrift auf den Flakon geprägt. Ich versuche, den italienischen Text für Euch zu übersetzen:
"Entrückt vom Rauch
befrage ich mein Inneres
um nach der verlorensten Essenz
meiner Person zu suchen:
nach meiner Seele.
Ich finde keine klaren Antworten
aber ich lenke mein Schiff durch das Dunkel
dieses inneren Friedens
der mich zu führen scheint
wie ein Meister
in jedem Fragment meines Herzens.
In dieser unermüdlichen Suche
fühle ich mich beherbergt
in einer Oase
parallel zur Mahnung
wo die Zeit stillsteht
und alles aufhört
schnell und stürmisch zu sein,
um ein Gleichgewicht zu werden
der Ruhe und der Sinne."
Dieser sehr poetische Text - was Andreoli mit der Mahnung meint, weiß ich leider auch nicht - wird ergänzt durch einen weiteren poetischen Text seines Dufttagebuches. Er befindet sich auf der Innenwand des Deckels und handelt von einem Besuch des berühmten Itsukushima-Schreins auf der japanischen Insel Miyajima:
"Ich werfe einen Blick über meine Schultern,
während ich mich entferne von Hiroshima
auf dieser Fähre, die Gewässer durchfurcht,
Zuschauer einer Zeit, unversehrt in ihrer Tiefe.
Ich beginne, von Weitem das eindrucksvolle Torii wahrzunehmen,
das Tor in das Heiligtum von Itsukushima,
wo Heilige und Menschen zusammenleben im Respekt
vor der antiken japanischen Kultur.
Mitsuko geht mit uns, mit Eleganz und Haltung,
seidigem Haar und einem tiefen braunen Horizont in den Augen.
Die Pagode empfängt uns und lädt uns ein,
die schweren Kleider abzulegen, um
nur das Wesentliche zu tragen.
Die Pagode kleidet sich mit uns und flüstert unsere Ängste,
sie im Exil unserer Gegenwart hauchend.
Ich werde mir bewusst darüber, dass ich nicht mehr
hinaufsteige zwischen diesen diffusen Korridoren;
ich steige langsam hinab,
ohne mich noch zu sehen.
Ich unterscheide nicht mehr die Grenzen
zwischen Schatten und Licht.
Ich werde zu einer fratzenhaften Figur,
unscharf skizziert zwischen
Myrrhe und Moschus.
Ich erinnere mich an ein Gefühl von Verwirrung
und Ordnung
in einem Geist, der aufgewühlt von Zweifel und Unsicherheit ist,
dann auch an eine Spur von Klarheit und Mäßigung
im Gleichgewicht der Suche.
Hier ist sie, die Stille in meinem Herzen,
das sich hinausgelehnt hat, um dieser Insel zuzuhören,
die sich selbst erzählt, mit müden Worten,
dass Gegenwarten das Kommen ihres Inneren
bewahren."
*****
Kapitel 4: Die authentische Inspiration: der Itsukushima-Schrein
Ein schwieriger und unglaublich poetischer Text; wenn jemand Übersetzungsverbesserungen hat, bitte schreibt es mir. Es hat mir doch einige Mühe bereitet, diese lyrischen Worte ins Deutsche zu übersetzen, doch denke ich, dass die Worte, mit denen der Parfumeur seinen Duft präsentiert, viel über seine Intention und Inspiration verraten. Nun wissen wir, dass er mit "Deep Island" die japanische Insel Miyajima meint, die er als tief meditativ empfunden hat. Miyajima mit ihrem berühmten Schrein, der im 6. Jahrhundert entstand und in seiner heutigen Form seit 1168 besteht, gehört zu den drei schönsten Landschaften Japans, so der 1583 in Kyoto geborene konfuzianische Gelehrte Hayashi Razan. Es ist also ein Duft, der von jahrhundertealter japanischer Meditation inspiriert wurde, und insofern hat Marquise27 den Duft intuitiv perfekt beschrieben. Meine Bretagne-Assoziationen sind da eher ein individuelles Duftgefühl... In jedem Fall ist "Deep Island" ein wunderschöner Sommerduft, der von Stille und innerem Frieden am Meer erzählt.
Diesen Duft möchte ich nie mehr missen. Seine wunderbare Wandlungsfähigkeit, seine Zartheit und Ausgewogenheit, seine lyrische Inspiration sind für mich ein Meisterwerk.
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