‚Rose poivrée’ war der erste Duft, den ich mir von der kleinen aber sehr feinen ‚Differnt Company’ zulegte. Andere wie ‚Osmanthus’, ‚Bois d´Iris’ und ‚Sel de Vetiver’ sollten folgen, aber seit einigen Jahren, im Grunde seit Celine Ellena das Erbe ihres zu Hermès gewechselten Vaters Jean-Claude antrat, hat mich keine der neueren Kreationen mehr wirklich überzeugen können. Nicht, dass die von ihr entwickelten Düfte uninspiriert oder schlecht gemacht sind, nein, aber mit ihrem Antritt als Hausparfumeurin von TDC hat sich der Stil des Hauses in einer Weise geändert, die mir nicht liegt. Schon ihr Vater war ja auf dem Weg kräftige (olfaktorische) Farben in Anzahl und Intensität zu verringern, einem selbst verschriebenen Minimalismusgebot folgend, den einzelnen Noten wieder mehr Raum zur Darstellung innewohnenden Facettenreichtums zu eröffnen. Und so bekunden auch die ersten vier von TDC lancierten Düfte geradezu exemplarisch Jean-Claude Ellenas Bemühen um Reduktion: um eine im Mittelpunkt stehende Note (Rose, Osmanthus, Iris und Bergamotte) gruppiert er eine überschaubare Anzahl weiterer Noten, die bestimmte Akzente - beispielsweise der Rose in ‚Rose poivrée’ - herausarbeiten, intensivieren und in eine andere, mitunter überraschende Richtung führen. Auf diese Weise entstehen vermeintlich einfach strukturierte Soliflor-Düfte, doch schon das erste Schnuppern an ihnen lässt erahnen wie selbst erheblich reduzierten Formeln Komplexität und Finesse zu Eigen sein kann. Besonders mit seinen ungefähr zeitgleich entstandenen Werken für Frédéric Malle und ‚The Different Company’, sowie seither mit jenen die er für Hermès komponiert, zeigt Jean-Claude Ellena, dass er es mit dem Bemühen um Minimalisierung, gepaart mit großer Kunstfertigkeit und Sinn für Delikatesse, wie schon sein Lehrer Edmond Roudnitska, zu einiger Meisterschaft gebracht hat – die vier für TDC entstandenen Düfte zähle ich dabei zu seinen besten.
Nun hat Celine Ellena diesen Ansatz ihres Vaters übernommen – was sicher kein Fehler ist - , doch benutzt sie keine Ölfarben mehr, auch nicht für eine wie auch immer geartete Hauptnote, sondern nur noch Aquarellfarben (nimmt man mal ihr ‚Sel de Vetiver’ und ‚Jasmin de Nuit’ beiseite, die sie vermutlich von ihrem Vater als mehr oder weniger fertige Duftkonzepte übernommen hat). So malt sie zarte Gebilde und gibt ihnen altbackene Namen wie ‚Charmes et Feuilles’, oder trutschige wie ‚Sublime Balkiss’. Das ist alles recht schön, aber in erster Linie harmlos und nicht wirklich aufregend.
Gerade der Vergleich mit ‚Rose poivrée’ (ich spreche von der alten Fassung) zeigt deutlich diese Diskrepanz: hier eine kräftig aufblühende Rose in satten Farben, mit leichten grünen und würzigen Akzenten, umfangen von einer den Mund wässrig machenden animalischen Aura (auf die ich an anderer Stelle noch einmal zurückkomme), und dort eine feingliedrige, eher farbarme Skizze verschiedener, uninspiriert zusammen gefügter Einzelteile, die so recht keinen Bezug zueinander nehmen wollen.
Oder, um einen anderen Vergleich zu wählen: den kammermusikalischen Werken des Herrn Ellena sen., ob man sie nun schmalbrüstig findet oder nicht (ich bin eher ein Freund größer dimensionierter Symphonien), liegt zumeist eine nachvollziehbare Idee zugrunde, in eine schöne und einprägsame Melodie mündend. Sie strahlen große Konzentriertheit aus und die einzelnen Stimmen sind perfekt austariert. Die Werke der Frau Ellena jun. dagegen sind alles andere als konzentriert, eher holprig und diffus, mal hierhin mal dorthin springend, ohne klare Richtung.
‚Rose poivrée’ jedenfalls ist so ein wirklich schönes kammermusikalisches Werk, genauer gesagt - ein Streichquintett: die Rose als erste Geige, Pfeffer als zweite, Koriander und Vetiver spielen die Bratschen, und schließlich Zibet das Cello.
Als der Duft vor einigen Jahren auf den Markt kam war die Gemeinde derer die sich mit vermeintlichem Kennerblick bzw. -nase über die neuesten Werke beugten, seltsam uneinig. Die Einen glaubten ein großes, sehr delikates und unsüßes Rosenparfum mit verführerisch animalischer Aura zu erkennen, andere wiederum, sich in Abscheu windend, fühlten sich an den Geruch getragener Herren-Unterwäsche erinnert.
Verwundern wird es sicher nicht, dass ich zu Ersteren gehörte. Ja, es erstaunte mich jedes Mal wie man diesen wunderbaren Duft mit etwas Unangenehmem, gar Stinkendem in Zusammenhang bringen konnte – beim besten Willen nahm ich nichts davon wahr. Ganz im Gegenteil: ich vermute, dass exakt das, was andere als üble Stinkerei empfinden, meine Geruchsrezeptoren viel eher schmeichelt als verstört – ich liebe es wenn Düfte ein gewisses ‚Geschmäckle’ haben, eine Aura von Anrüchigkeit. Das macht sie für mich interessant und häufig – nicht immer – begehrenswert. ‚Rose poivrée’ hatte nun genau so eine Aura: eine würzige Rose, mitsamt ihrem grünen Blattwerk, umhüllt von einem Mantel frivol lockendem Zibets.
Andere mag diese Aura abstoßen, mich zieht sie magisch an. Doch scheinbar gehöre ich damit zu einer Minderheit, denn nachdem Jean-Claude Ellena das Unternehmen verließ und den Stab an seine Tochter weitergab, wurde der Duft in Sachen animalisch-erotisierender Vibes entscheidend verändert: man führte sie auf ein Minimum zurück, auf dass der Duft massentauglicher werde und die Nase des Konsumenten nicht über Gebühr strapaziert.
Schade, sehr schade!
‚Rose poivrée’ war ein mutiger Duft, der auf Dauer eine, wenn auch kleine, so doch sicher loyale Fangemeinde gefunden hätte, wäre er nicht viel zu früh, und meines Erachtens unnötigerweise, gezähmt worden. Den Hersteller verließ jedoch offenkundig der Mut, denn einen solchen Duft im Portfolio zu haben bedeutet: allen Anfeindungen zum Trotz zu ihm zu stehen - vorausgesetzt natürlich, man ist von seiner Güte überzeugt.
Und mutlos präsentiert sich uns ‚Rose poivrée’ heute: eine schöne, fein gewürzte Rose in schicklich aufgeräumter und sterilisierte Umgebung: weit und breit kein vor Begehren und Leidenschaft zerwühltes Bett mehr, nur der letzte Knopf des noch nicht ganz zugeknöpften Hemdes, oder der Bluse, läßt einen Schimmer der vor sinnlichem Verlangen noch glühenden Haut erkennen – mehr nicht.
Wie gesagt: schade.
Der neue Duft ist schön, aber harmlos.
Der alte war schön und aufregend!