03.01.2013 - 18:25 Uhr
Seelanne
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Seelanne
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Das Schweigen um uns
Normaler Weise müßte ich schon als ungarischer Graf Almasy sehr englisch und noch mehr patientig in einem toscanischen Landhaus Brandwunden-übersät daniederliegen, umschwebt von einer Krankenschwester mit dem Lächeln einer Madame Binoche, bevor ich einen reinen Moschusduft genussvoll an mich heranlasse:
Aber bei dieser olfaktorischen Meisterleistung kapituliere ich: Isabelle Doyen und Camille Goutal haben es geschafft, durch geschickte Verquickung von synthetischem „weißem“ Moschus (insbesondere Muscone), pflanzlichen Moschus-Entsprechungen (Bisamstrauch = Ambrette) und dem bitteren Engelswurz (laut HP) einen Duft zu kreieren, die einerseits rauh und doch zugleich warm, zugleich würzig und doch zart ist.
So steht am Anfang und zum Auftakt noch nicht einmal ein eigentlicher Duft, sondern vielmehr bloße Farben: Weiß, Orange, Beige und Ocker, ein Blick ins weite Gelb der Wüste. Die Kopfnote weht sodenn heran gleich einer leichten warmen Brise Wüstensand, durchaus etwas krautig-kratzend und prickelnd, sodass es beschlossene Sache ist, zu rasten.
Kaum das Lager aufgeschlagen, bahnt sich das harzige und doch auch amber-balsamische Labdanum seinen Weg in den feinen Moschus-Akkord, wobei die Tonkabohne eine flüchtige cremige Süße und aufkommende Schwere spendet und damit endgültig die Zeit der Sesshaftigkeit einläutet, Sesshaftigkeit für eine Nacht.
Nun ist das Lager zum Abend errichtet: Zeit für Erfrischung, Speisen, Wasser, Wein und Wort. Das Feuer und die aufgestellten Fackeln werfen wild-wirre Schatten an die Felsenwände und entfachen schließlich das indische Holz der Basisnote, welches ein zartes und ganz leichtes Rosenbouquet in und mit sich trägt. Das alles jedoch nach wie vor unterlegt mit dem immerzu im Hintergrund anwesenden Moschus, der sich wie ein zärtlich-wärmender Mantel um einen legt.
Im Zelt schließlich schmiegt der Duft sich endgültig an, dringt durch alle Fasern, man ist fast nackt, nur leicht verhüllt, ein Flüstern im Dunkeln, man fließt, bis man sich nicht mehr von anderem unterscheiden kann. Am nächsten Morgen ist er dann immer noch da, wie eine Erinnerung an sanfte fremde Haut.
Jaja, ich weiß, sicher doch: Dieser Duft bietet keine großartigen Wandlungen, keine raffinierten Wendungen und ja, sein Duftakkord ist nun mal letztlich monothematisch; geschenkt: Diesem Nomaden derartig Profanes vorzuwerfen wäre so, als wenn er der Frau seines Lebens vorwerfen würde, sie habe die Haarfarbe, die sie nun einmal hat.
Dieser Duft ist nunmal nichts für Liebhaber, die sich an andere Orte und von Abenteuern hinter dem Horizont träumen, sondern das begehren, was vor ihnen ist, was sie sehen, was sie spüren. Hier im Wüstenzelt und nicht woanders in einem 5-Sterne-Hotel mit ausbalanciert-ausgefuchster Air-Kondition mit Room-Service.
Und auch das ist sicher: Unser Nomade ist nicht für die unruhige hektische Urbanität gemacht, ihm ist das Laute verhasst, das Verstörende ein Fremdwort und das Aufdringliche ein Greuel. In U-Bahnen, im Büro, beim Geschäftsessen und in der Disse nimmt er sich so absurd aus wie jemand mit einer Tarnkappe auf einem Kostümball. Ich persönlich bin sogar der Ansicht, dass er nicht einmal weiß, was eine Disse ist oder wie man es schreibt.
Dann steht er dann da, fühlt sich alleine und verloren, will nur noch Ruhe, Stille, will, das alles schweigt und wünscht sich zurück in seine Wüste:
"Liegen will ich im Schatten, von meinem Lager aus will ich das Leuchten der Wüste sehen, will spüren den stechenden Wind des Sandes, das Schwert der Sonne, die kühle Gnade der Steine und des neidischen Brunnens, das blaue Salz der Küste. Liegen will ich mit Dir, bedeckt nur mit unsichtbaren Wunden, geschlagen von Deinem Mund."
Dann hat er seine Stille, seine Ruhe, sein Schweigen. Und er hat wohlmöglich Recht, denn:
„Hängt nicht alles davon ab, wie wir das Schweigen um uns deuten ?“
Aber bei dieser olfaktorischen Meisterleistung kapituliere ich: Isabelle Doyen und Camille Goutal haben es geschafft, durch geschickte Verquickung von synthetischem „weißem“ Moschus (insbesondere Muscone), pflanzlichen Moschus-Entsprechungen (Bisamstrauch = Ambrette) und dem bitteren Engelswurz (laut HP) einen Duft zu kreieren, die einerseits rauh und doch zugleich warm, zugleich würzig und doch zart ist.
So steht am Anfang und zum Auftakt noch nicht einmal ein eigentlicher Duft, sondern vielmehr bloße Farben: Weiß, Orange, Beige und Ocker, ein Blick ins weite Gelb der Wüste. Die Kopfnote weht sodenn heran gleich einer leichten warmen Brise Wüstensand, durchaus etwas krautig-kratzend und prickelnd, sodass es beschlossene Sache ist, zu rasten.
Kaum das Lager aufgeschlagen, bahnt sich das harzige und doch auch amber-balsamische Labdanum seinen Weg in den feinen Moschus-Akkord, wobei die Tonkabohne eine flüchtige cremige Süße und aufkommende Schwere spendet und damit endgültig die Zeit der Sesshaftigkeit einläutet, Sesshaftigkeit für eine Nacht.
Nun ist das Lager zum Abend errichtet: Zeit für Erfrischung, Speisen, Wasser, Wein und Wort. Das Feuer und die aufgestellten Fackeln werfen wild-wirre Schatten an die Felsenwände und entfachen schließlich das indische Holz der Basisnote, welches ein zartes und ganz leichtes Rosenbouquet in und mit sich trägt. Das alles jedoch nach wie vor unterlegt mit dem immerzu im Hintergrund anwesenden Moschus, der sich wie ein zärtlich-wärmender Mantel um einen legt.
Im Zelt schließlich schmiegt der Duft sich endgültig an, dringt durch alle Fasern, man ist fast nackt, nur leicht verhüllt, ein Flüstern im Dunkeln, man fließt, bis man sich nicht mehr von anderem unterscheiden kann. Am nächsten Morgen ist er dann immer noch da, wie eine Erinnerung an sanfte fremde Haut.
Jaja, ich weiß, sicher doch: Dieser Duft bietet keine großartigen Wandlungen, keine raffinierten Wendungen und ja, sein Duftakkord ist nun mal letztlich monothematisch; geschenkt: Diesem Nomaden derartig Profanes vorzuwerfen wäre so, als wenn er der Frau seines Lebens vorwerfen würde, sie habe die Haarfarbe, die sie nun einmal hat.
Dieser Duft ist nunmal nichts für Liebhaber, die sich an andere Orte und von Abenteuern hinter dem Horizont träumen, sondern das begehren, was vor ihnen ist, was sie sehen, was sie spüren. Hier im Wüstenzelt und nicht woanders in einem 5-Sterne-Hotel mit ausbalanciert-ausgefuchster Air-Kondition mit Room-Service.
Und auch das ist sicher: Unser Nomade ist nicht für die unruhige hektische Urbanität gemacht, ihm ist das Laute verhasst, das Verstörende ein Fremdwort und das Aufdringliche ein Greuel. In U-Bahnen, im Büro, beim Geschäftsessen und in der Disse nimmt er sich so absurd aus wie jemand mit einer Tarnkappe auf einem Kostümball. Ich persönlich bin sogar der Ansicht, dass er nicht einmal weiß, was eine Disse ist oder wie man es schreibt.
Dann steht er dann da, fühlt sich alleine und verloren, will nur noch Ruhe, Stille, will, das alles schweigt und wünscht sich zurück in seine Wüste:
"Liegen will ich im Schatten, von meinem Lager aus will ich das Leuchten der Wüste sehen, will spüren den stechenden Wind des Sandes, das Schwert der Sonne, die kühle Gnade der Steine und des neidischen Brunnens, das blaue Salz der Küste. Liegen will ich mit Dir, bedeckt nur mit unsichtbaren Wunden, geschlagen von Deinem Mund."
Dann hat er seine Stille, seine Ruhe, sein Schweigen. Und er hat wohlmöglich Recht, denn:
„Hängt nicht alles davon ab, wie wir das Schweigen um uns deuten ?“
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