08.02.2013 - 13:45 Uhr
Palonera
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Palonera
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15
das Sakrileg
Sie wußte, sie würde ein Sakrileg begehen. Eines, das nicht wieder rückgängig zu machen war, dessen Konsequenzen sie sich nicht ausmalen wollte. Eines, das sie begehen mußte unter Aufbietung aller Willenskraft, die ihr noch geblieben war. Nicht daß sie noch viel davon hatte. Nicht, seit...
Sie seufzte. Wie lange war es her, seit sie ihm begegnet war, auf ihrer Vernissage in Pauls Galerie? Er hatte sich neben sie gestellt, einfach so, als gehörte er dorthin, als gehörte sie zu niemandem außer zu ihm. Sie konnte sich nicht erinnern, ihm schon einmal über den Weg gelaufen zu sein – ihr Namensgedächtnis war eine Katastrophe, doch Gesichter vergaß sie selten. Und einen Mann mit seiner Ausstrahlung hätte sie kaum übersehen können. Seine Augen waren grau und von einem leichten Strahlenkranz umgeben, seine Nase ein wenig zu groß, der Mund...
Sie wollte nicht daran denken, nicht an seinen Mund, nicht an seine Hände, nicht an all das, was seit dieser Begegnung geschehen war. Noch immer kannte sie seinen Namen nicht – sie hatten nicht viel geredet in dieser Zeit. Seine Stimme war dunkel gewesen, sanft und sehr bestimmt. Er hatte nie laut gesprochen – seit er ihr die Binde über die Augen gelegt hatte, hatte sie sich in einen Seismographen verwandelt, der die geringste Berührung, das kleinste Geräusch, den leisesten Hauch eines Duftes wahrnahm. Seines Duftes.
Ein Hauch von Anis war ihr erster Eindruck gewesen, gepaart mit einer leichten Schärfe. Schon der nächste Atemzug ließ pudrige, samtige Wärme in sie hineinströmen, ließ eine Erinnerung aufscheinen an einen anderen Mann, den sie vor langer Zeit gekannt hatte. Sein Duft hatte diesem geähnelt, war so ungewöhnlich gewesen mit seinem Herzen aus zartschmelzender Schokolade und staubiger Iris – "Dior Homme" hatte er getragen, fiel ihr ein. Sie hatte ihn geliebt, den Duft, mehr noch als den Mann. So war es eigentlich immer – es war der Duft, in den sie sich verliebte, und erst dann in den dazugehörigen Mann. Doch dieser hier...
Sie wußte, was sie zu tun hatte. Er hatte die Wohnung verlassen, um Besorgungen zu machen, und die Tür nicht hinter sich verschlossen. Sie würde da sein, wenn er zurückkam, dessen war er sicher. Und sie wußte, daß er recht hatte – eigentlich. Doch sie mußte dem ein Ende setzen, mußte sich losreißen aus diesem Gespinst seidener Fäden, mußte zurückkehren in ihr Leben, ihre Welt, heraus aus diesem unendlich verführerischen, sie sanft und unnachgiebig immer tiefer herabziehenden Sumpf, in dem sie sich verlieren würde. Es war nicht mehr viel Zeit.
Sie brauchte nicht lange zu suchen. Es stand nur ein einziger Flacon auf den schwarzen Fliesen im Bad. L'Essence de Must de Cartier. Nur ein Sprühstoß würde reichen, um den Zauber zu brechen. Sein Duft auf ihrer Haut. Sie griff nach der Flasche, wog sie einen Augenblick lang in der Hand. Ein leises Geräusch an der Tür ließ sie herumfahren. Der Flacon zerschellte auf den Fliesen.
PS: Ergoproxy - danke!
Sie seufzte. Wie lange war es her, seit sie ihm begegnet war, auf ihrer Vernissage in Pauls Galerie? Er hatte sich neben sie gestellt, einfach so, als gehörte er dorthin, als gehörte sie zu niemandem außer zu ihm. Sie konnte sich nicht erinnern, ihm schon einmal über den Weg gelaufen zu sein – ihr Namensgedächtnis war eine Katastrophe, doch Gesichter vergaß sie selten. Und einen Mann mit seiner Ausstrahlung hätte sie kaum übersehen können. Seine Augen waren grau und von einem leichten Strahlenkranz umgeben, seine Nase ein wenig zu groß, der Mund...
Sie wollte nicht daran denken, nicht an seinen Mund, nicht an seine Hände, nicht an all das, was seit dieser Begegnung geschehen war. Noch immer kannte sie seinen Namen nicht – sie hatten nicht viel geredet in dieser Zeit. Seine Stimme war dunkel gewesen, sanft und sehr bestimmt. Er hatte nie laut gesprochen – seit er ihr die Binde über die Augen gelegt hatte, hatte sie sich in einen Seismographen verwandelt, der die geringste Berührung, das kleinste Geräusch, den leisesten Hauch eines Duftes wahrnahm. Seines Duftes.
Ein Hauch von Anis war ihr erster Eindruck gewesen, gepaart mit einer leichten Schärfe. Schon der nächste Atemzug ließ pudrige, samtige Wärme in sie hineinströmen, ließ eine Erinnerung aufscheinen an einen anderen Mann, den sie vor langer Zeit gekannt hatte. Sein Duft hatte diesem geähnelt, war so ungewöhnlich gewesen mit seinem Herzen aus zartschmelzender Schokolade und staubiger Iris – "Dior Homme" hatte er getragen, fiel ihr ein. Sie hatte ihn geliebt, den Duft, mehr noch als den Mann. So war es eigentlich immer – es war der Duft, in den sie sich verliebte, und erst dann in den dazugehörigen Mann. Doch dieser hier...
Sie wußte, was sie zu tun hatte. Er hatte die Wohnung verlassen, um Besorgungen zu machen, und die Tür nicht hinter sich verschlossen. Sie würde da sein, wenn er zurückkam, dessen war er sicher. Und sie wußte, daß er recht hatte – eigentlich. Doch sie mußte dem ein Ende setzen, mußte sich losreißen aus diesem Gespinst seidener Fäden, mußte zurückkehren in ihr Leben, ihre Welt, heraus aus diesem unendlich verführerischen, sie sanft und unnachgiebig immer tiefer herabziehenden Sumpf, in dem sie sich verlieren würde. Es war nicht mehr viel Zeit.
Sie brauchte nicht lange zu suchen. Es stand nur ein einziger Flacon auf den schwarzen Fliesen im Bad. L'Essence de Must de Cartier. Nur ein Sprühstoß würde reichen, um den Zauber zu brechen. Sein Duft auf ihrer Haut. Sie griff nach der Flasche, wog sie einen Augenblick lang in der Hand. Ein leises Geräusch an der Tür ließ sie herumfahren. Der Flacon zerschellte auf den Fliesen.
PS: Ergoproxy - danke!
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