Verdammt ich lieb dich, ich lieb dich nicht…
Tom Ford macht es mir nicht leicht: Black Orchid ist für meinen Sohn der allerschrecklichste Geruch der Welt „Fast musste ich mich übergeben, Mama!“, und etliche andere Düfte, die ich von da an etwas zögerlich aus dem Regal nahm, schafften es nicht einmal, bis zu einem Test auf dem Sprühstreifen vorzudringen, weil bereits beim Abnehmen der Kappe ein solcher Schwall an Duftstoffen auf meine Nasenschleimhaut prallte, dass ich es mit der Angst zu tun bekam und völlig eingeschüchtert umgehend von einem Test Abstand nahm. Zu groß erschien mir das Risiko, mein ungeübtes Riechorgan dauerhaft zu beschädigen. Und so landeten alle Tom Fords – ungetestet!- gedanklich fortan bei mir flugs in einem hübschen kleinen Schublädchen mit der Aufschrift (in Schönschrift natürlich): Pfui Deibel.
Alle Kommentare mit begeisterten Lobpreisungen anderer Tom Fords, auf die ich hier stieß, nahm ich lediglich mit überlegen hochgezogener Augenbraue zur Kenntnis und bemitleidete innerlich diese armen Opfer von Marketingstrategien – denn anders ließ sich solche Verirrung der Geschmäcker doch wohl nicht erklären…
Und dann umarmte und küsste ich eines Tage zur Begrüßung den Mann einer Freundin. Was soll ich sagen: Er roch so unverschämt gut, dass die Umarmung unter den zunehmend erstaunten Blicken seiner Frau erheblich länger dauerte, als streng genommen notwendig gewesen wäre – und dann kam als Antwort auf meine Frage, was für einen Duft er trage, „Oud Wood“ von Tom Ford. Moment Mal, da muss ich nun aber heftig protestieren: so etwas geht doch gar nicht – meine schönen gepflegten Vorurteile und mein subjektives Duft-Weltbild so einfach durcheinander zu bringen! Oud finde ich doch ganz entsetzlich! Immer schon und für alle ewigen Zeiten! Und die Tom Fords? Das sind diese maßlos überteuerten Düfte mit dem perversen Drang, mir die Nase einzuschlagen!
Für einige Zeit ließ ich die Sache auf sich beruhen, denn von gepflegten Vorurteilen trennt man sich ja bisweilen nicht ganz so leicht – bis eines Tages in einem Tauschpäckchen Vert de Fleur zu mir kam. Nun ja, der musste dann wohl auf jeden Fall getestet werden. Puuh, ganz schön anstrengend, der Beginn. Fast ein wenig vulgär aufdringlich!Aber jetzt, wo ich den Flakon schon einmal habe, wird ihm ein ganzer Tag auf meiner Haut vergönnt. Nach ungefähr zwei Stunden erreicht plötzlich beim Gestikulieren mit den Händen ein wundervoller Duft meine Nase – ich schaue mich um, um die Quelle des Wohlgeruchs zu eruieren und stelle fest: Das bin ja ich – nun ja, um genauer zu sein: Vert de Fleur! Auch nach sicher zwei dutzend Mal tragen verbindet mich mit diesem Duft eine Art permanente Krise: Du bist zu aufdringlich, du musst weg. Ab mit dir in den Ordner „Sucht neues Heim“. Hmm, du bist so wunderschön- nach einiger Zeit – ab mit dir zurück in den Schoß der Sammlung. Dieses Hin und Her habe ich nun schon einige Mal hinter mich gebracht.
Kurz nach Weihnachten kam ich bei einem Geschäft mit Nischenparfums vorbei, die 20 Prozent auf alle Düfte anboten, und testete quasi im Vorbeigehen den Vetiver Extraordinaire von Malle und Vert Bohème von Tom Ford. Der Vetiver gefiel mir spontan ausnehmend gut, während mich Vert Bohème ganz schön in der Nase stach.
Da ich mich für nichts entscheiden konnte, schaute ich als Trost noch schnell in einer Parfümerie vorbei, die ein wunderbares Sortiment an Lavendeldüften führt. Hier war alles ganz einfach – und eine 500 ml (!) Flasche von Menton und eine Lavendelseife als Mitbringsel für meine Mutter landeten flugs in meiner Einkaufstüte. Zurück zum Parkhaus – und ab zum Weihnachtstreffen der Familie. Doch Moment, nicht so schnell! Als ich den Arm ausstrecke, um die Parkkarte bei der Schranke einzustecken, streift ein Hauch von grün und blumig meine Nase. Vert Bohème! Kann das wirklich und wahrhaftig sein? Ist das bei Tom Ford Programm, um Spreu von Weizen zu trennen? Ha, du warst nicht tough genug, den Beginn zu überstehen, du bist nicht würdig, mich zu tragen, oder was?
Ich war so begeistert, dass ich, nach einem hastigen Blick auf die Uhr vor der Parfümerie im Parkverbot hielt, ins Geschäft sauste, der etwas verblüfften Verkäuferin den Duft aus den Händen nahm („Danke sehr, aber Einpacken ist nicht nötig…“), mir kurz einen (imaginären) Freudentanz gönnte, dass ausgerechnet heute 20% Tag war, zurück zum Auto joggte und gerade noch lange genug stehen blieb, um mit gierigen Fingern die Packung zu öffnen und Vert Bohème aufzusprühen. Wieder blieb mir fast die Luft weg, so heftig ist der Beginn für mich, leise Zweifel beschlichen mich (Was ist mit deinem Gelöbnis, Flakons erst nach Test und Abfüllung zu erwerben?) – und doch: tatsächlich schlug nach einiger Zeit wieder die Magie zu und Vert Bohème verwandelt sich zu dieser unwiderstehlichen Mischung aus Blume und Wald, Hell und Dunkel, Cremig und Zitrisch, Galbanum und Geißblatt.
Und nun kommen wir (endlich, wie sich alle nüchtern-analytischen Geister, die sich hier tummeln, denken werden…) zum Grund für diesen Blog. Nein, das ist kein Dauerwerbeblog für Tom Ford, sondern ein „Ich streue Asche auf mein Haupt, kleide mich in ein härenes Hemd, schwöre meinen Vorurteilen ab - und entschuldige mich aus tiefster Seele bei allen Tom Ford-Duftliebhabern“-Blog. Manchmal dauert es halt – bei mir – etwas länger, bis ich einen Pfad im Dschungel der tausend Düfte finde. Ist ja auch kein Wunder, bei diesem Labyrinth aus Blumen, Hölzern, Harzen, Erden, Früchten, Gewürzen, Gemüsen, Blättern und allem, was sonst noch so von den Parfüm-Zauberern in die Fläschchen gepackt wird!
Und so beginne ich das neue Jahr mit einem, wie ich finde, hervorragenden Vorsatz: Zurück zum Start und kritische Überprüfung meiner Duftvorurteile: Schließlich fallen diesen förmlich ganze Regale zum Opfer: Byredo, Profumum Roma, Goutal oder Bond, um nur einige zu nennen! Wer weiß, was für Schätze ich durch meine Borniertheit schon links liegen ließ!
Euch allen aber ein wunderbares Jahr 2019 mit neuen Entdeckungen und genau so viel Muße und Aufregung, wie eure Seele braucht!
Eure Duftsucht