Duftsucht
Duftsuchts Blog
vor 7 Jahren - 03.01.2019
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Verdammt ich lieb dich, ich lieb dich nicht…

Tom Ford macht es mir nicht leicht: Black Orchid ist für meinen Sohn der allerschrecklichste Geruch der Welt „Fast musste ich mich übergeben, Mama!“, und etliche andere Düfte, die ich von da an etwas zögerlich aus dem Regal nahm, schafften es nicht einmal, bis zu einem Test auf dem Sprühstreifen vorzudringen, weil bereits beim Abnehmen der Kappe ein solcher Schwall an Duftstoffen auf meine Nasenschleimhaut prallte, dass ich es mit der Angst zu tun bekam und völlig eingeschüchtert umgehend von einem Test Abstand nahm. Zu groß erschien mir das Risiko, mein ungeübtes Riechorgan dauerhaft zu beschädigen. Und so landeten alle Tom Fords – ungetestet!- gedanklich fortan bei mir flugs in einem hübschen kleinen Schublädchen mit der Aufschrift (in Schönschrift natürlich): Pfui Deibel.

Alle Kommentare mit begeisterten Lobpreisungen anderer Tom Fords, auf die ich hier stieß, nahm ich lediglich mit überlegen hochgezogener Augenbraue zur Kenntnis und bemitleidete innerlich diese armen Opfer von Marketingstrategien – denn anders ließ sich solche Verirrung der Geschmäcker doch wohl nicht erklären…

Und dann umarmte und küsste ich eines Tage zur Begrüßung den Mann einer Freundin. Was soll ich sagen: Er roch so unverschämt gut, dass die Umarmung unter den zunehmend erstaunten Blicken seiner Frau erheblich länger dauerte, als streng genommen notwendig gewesen wäre – und dann kam als Antwort auf meine Frage, was für einen Duft er trage, „Oud Wood“ von Tom Ford. Moment Mal, da muss ich nun aber heftig protestieren: so etwas geht doch gar nicht – meine schönen gepflegten Vorurteile und mein subjektives Duft-Weltbild so einfach durcheinander zu bringen! Oud finde ich doch ganz entsetzlich! Immer schon und für alle ewigen Zeiten! Und die Tom Fords? Das sind diese maßlos überteuerten Düfte mit dem perversen Drang, mir die Nase einzuschlagen!

Für einige Zeit ließ ich die Sache auf sich beruhen, denn von gepflegten Vorurteilen trennt man sich ja bisweilen nicht ganz so leicht – bis eines Tages in einem Tauschpäckchen Vert de Fleur zu mir kam. Nun ja, der musste dann wohl auf jeden Fall getestet werden. Puuh, ganz schön anstrengend, der Beginn. Fast ein wenig vulgär aufdringlich!Aber jetzt, wo ich den Flakon schon einmal habe, wird ihm ein ganzer Tag auf meiner Haut vergönnt. Nach ungefähr zwei Stunden erreicht plötzlich beim Gestikulieren mit den Händen ein wundervoller Duft meine Nase – ich schaue mich um, um die Quelle des Wohlgeruchs zu eruieren und stelle fest: Das bin ja ich – nun ja, um genauer zu sein: Vert de Fleur! Auch nach sicher zwei dutzend Mal tragen verbindet mich mit diesem Duft eine Art permanente Krise: Du bist zu aufdringlich, du musst weg. Ab mit dir in den Ordner „Sucht neues Heim“. Hmm, du bist so wunderschön- nach einiger Zeit – ab mit dir zurück in den Schoß der Sammlung. Dieses Hin und Her habe ich nun schon einige Mal hinter mich gebracht.

Kurz nach Weihnachten kam ich bei einem Geschäft mit Nischenparfums vorbei, die 20 Prozent auf alle Düfte anboten, und testete quasi im Vorbeigehen den Vetiver Extraordinaire von Malle und Vert Bohème von Tom Ford. Der Vetiver gefiel mir spontan ausnehmend gut, während mich Vert Bohème ganz schön in der Nase stach.

Da ich mich für nichts entscheiden konnte, schaute ich als Trost noch schnell in einer Parfümerie vorbei, die ein wunderbares Sortiment an Lavendeldüften führt. Hier war alles ganz einfach – und eine 500 ml (!) Flasche von Menton und eine Lavendelseife als Mitbringsel für meine Mutter landeten flugs in meiner Einkaufstüte. Zurück zum Parkhaus – und ab zum Weihnachtstreffen der Familie. Doch Moment, nicht so schnell! Als ich den Arm ausstrecke, um die Parkkarte bei der Schranke einzustecken, streift ein Hauch von grün und blumig meine Nase. Vert Bohème! Kann das wirklich und wahrhaftig sein? Ist das bei Tom Ford Programm, um Spreu von Weizen zu trennen? Ha, du warst nicht tough genug, den Beginn zu überstehen, du bist nicht würdig, mich zu tragen, oder was?

Ich war so begeistert, dass ich, nach einem hastigen Blick auf die Uhr vor der Parfümerie im Parkverbot hielt, ins Geschäft sauste, der etwas verblüfften Verkäuferin den Duft aus den Händen nahm („Danke sehr, aber Einpacken ist nicht nötig…“), mir kurz einen (imaginären) Freudentanz gönnte, dass ausgerechnet heute 20% Tag war, zurück zum Auto joggte und gerade noch lange genug stehen blieb, um mit gierigen Fingern die Packung zu öffnen und Vert Bohème aufzusprühen. Wieder blieb mir fast die Luft weg, so heftig ist der Beginn für mich, leise Zweifel beschlichen mich (Was ist mit deinem Gelöbnis, Flakons erst nach Test und Abfüllung zu erwerben?) – und doch: tatsächlich schlug nach einiger Zeit wieder die Magie zu und Vert Bohème verwandelt sich zu dieser unwiderstehlichen Mischung aus Blume und Wald, Hell und Dunkel, Cremig und Zitrisch, Galbanum und Geißblatt.

Und nun kommen wir (endlich, wie sich alle nüchtern-analytischen Geister, die sich hier tummeln, denken werden…) zum Grund für diesen Blog. Nein, das ist kein Dauerwerbeblog für Tom Ford, sondern ein „Ich streue Asche auf mein Haupt, kleide mich in ein härenes Hemd, schwöre meinen Vorurteilen ab - und entschuldige mich aus tiefster Seele bei allen Tom Ford-Duftliebhabern“-Blog. Manchmal dauert es halt – bei mir – etwas länger, bis ich einen Pfad im Dschungel der tausend Düfte finde. Ist ja auch kein Wunder, bei diesem Labyrinth aus Blumen, Hölzern, Harzen, Erden, Früchten, Gewürzen, Gemüsen, Blättern und allem, was sonst noch so von den Parfüm-Zauberern in die Fläschchen gepackt wird!

Und so beginne ich das neue Jahr mit einem, wie ich finde, hervorragenden Vorsatz: Zurück zum Start und kritische Überprüfung meiner Duftvorurteile: Schließlich fallen diesen förmlich ganze Regale zum Opfer: Byredo, Profumum Roma, Goutal oder Bond, um nur einige zu nennen! Wer weiß, was für Schätze ich durch meine Borniertheit schon links liegen ließ!

Euch allen aber ein wunderbares Jahr 2019 mit neuen Entdeckungen und genau so viel Muße und Aufregung, wie eure Seele braucht!

Eure Duftsucht

16 Antworten
Fresh21Fresh21 vor 7 Jahren
Sehr schöner Blog, toll geschrieben und gerne gelesen ... Genau dieses Duftentwicklungsgehampel ist der Grund, warum ich lineare Duftverläufe bevorzuge. Meine Schmerzgrenze liegt bei ca. 30 Minuten. Denn es ist schon ziemlich nervig, ein Hemd zu besprühen*, es aber nicht gleich anziehen zu können, weil sich der Duft erst entwickeln muss! Doch zwei Stunden! für nothing wären mir definitiv zu blöd und zu teuer. (*auf meiner Haut hält leider kaum ein Duft) ... gerne Pokal abgestellt.
SonnenwendeSonnenwende vor 7 Jahren
Wie heißt es : Gut Ding will Weile haben....
Die Zeit mit Dir war mir ein Vergnügen - bereits vor den erwähnten 2 Stunden.
Marr51Marr51 vor 7 Jahren
Servus!
Ich hab mit TomFord sehr gute Erfahrungen gemacht.
Ich trage u.v.a. den TomFord for Man.
Moderne trifft Classic. Ein moderner Herrenduft, der irgendwie auch klassisch rüber kommt.
Bei dem habe ich auf jeden Fall keine Geruchskrise, und trotzdem hält der bis ins rege Berliner Nachtleben. Und das dauert lange.
In dem Sinne.
Grüsse
marr51
BlaumilchBlaumilch vor 7 Jahren
Ja, ich bin auch eine Spät-Bekehrte, was Tom Ford angeht, mir ging es da ähnlich wie Dir. Habe einen schönen Tom Ford Duft für mich überraschender Weise auch erst spät entdeckt, welcher zum Beispiel der einzige Amber-Duft in meiner Sammlung ist. Denn Amber ist normalerweise nicht so mein Ding, aber für diesen Ford mach ich glatt 'ne Ausnahme...
TenderPoisonTenderPoison vor 7 Jahren
Ich kenne das auch von anderen Herstellern, und frage mich dann immer, ob ich wirklich erst 2 Stunden lang unschön riechen möchte, bis es toll wird. Wie lang hält denn dann der Duft insgesamt? Meine Erfahrungen mit Herrn Ford sind leider die, dass der Duft ziemlich bald wieder weg ist.
Schön-Erzählt-Pokal!
EstefaniaEstefania vor 7 Jahren
Mr. Ford ist wirklich sehr speziell. Mit Black Orchid ging es mir ähnlich, nach dem ersten Anlauf brauchte ich eine ganze Zeit, um ihm wieder zu testen. Seit ich ihn nicht mehr habe, fehlt er mir. Was abstößt, kann auch gleichzeitig anziehen : )
LilauLilau vor 7 Jahren
Toller Blog! Bei Tom Ford muss ich (bis jetzt mal*g*) auch passen, es gibt zwar einige Düfte, die ich gut finde, aber nun mal kein Haben-Muss sind, da sie meistens eine Note drin haben, die mich stört! Und bei Düften, die 2 Stunden brauchen, um sich schön zu entwickeln, bin ich raus, mir ist das dann zu anstrengend. Aber, du hast recht, man erkennt manchmal solche Schätzchen nicht auf den ersten Blick, sondern es braucht seine Zeit, um die ganze Schönheit des Duftes zu erfassen!
ElmarElmar vor 7 Jahren
:-D Sehr amüsant geschrieben.
DaisyDaisy vor 7 Jahren
Im Übrigen muss mich ein Duft von Anfang bis Ende begeistern, sonst hat er in meinem Repertoire nichts zu suchen. Ich will mich nicht erst überwinden müssen, ihn anzulegen, weil mich der Auftakt gruselt. Ehrlich, das ist doch vertane Zeit. Aber, Dir musch g'falle! :-))
BeatriceABeatriceA vor 7 Jahren
Mir geht es genau umgekehrt: die Kopfnote finde ich meistens interessant, danach wird es oft übel :) Bei "Vert de Fleur" habe ich Glück: der ist für meine Nase vom Anfang bis zum Ende nur schön.
DaisyDaisy vor 7 Jahren
Nach wie vor bin ich der Ansicht, TF kann einfach nicht subtil/geheimnisvoll/unergründlich, sondern bestenfalls Krawall und Provokation. Auf mich wirkt sowas generell abstoßend. Da ich die Marke nicht nur, aber besonders wegen der unsäglich vulgären Werbung schon vor vielen Jahren ausgeblendet habe, fehlt mir nichts. Ich behaupte: 'Much ado about nothing' und keiner merkt es.
GandixGandix vor 7 Jahren
Super Blog. Allerdings wären mir 2 Stunden zu viel zu warten.
AmylovesyouAmylovesyou vor 7 Jahren
Kenne ich sich sehr gut,dass man nen Duft aufsprüht und sich schon gedanklich davon verabschiedet und dann irgendwann ein feiner Wohlgeruch zu einem aufsteigt.Nach mehrmaligem Tests ist bei mir aber meist aus mit der Geduld, weil ich mich nicht erst "quälen" will. Ausschließen weil Düfte von irgendeiner Marko kommen, oder irgendeine Duftnote enthalten ist lässt einen häufig was verpassen,tue ich aber auch nämlich dann wenn ein Duft mir definitiv zu teuer zum Kauf erscheint.Reiner Selbstschutz ;)
PureNeugierPureNeugier vor 7 Jahren
...dass man manche Düfte erst mehrmals tragen muss, ehe sie beginnen einem zu gefallen war bei mir z.B. bei LesNuitsDeHadrian so.
PureNeugierPureNeugier vor 7 Jahren
Du hast soooo recht! Habe exakt dasselbe Problem mit Tom Ford. Der Beginn ist für mich kaum zu ertragen (das war bei BlackOrchid so, bei VelvetOrchid, bei NoirPourFemme und auch bei NoirDeNoir...), so dass ich froh war, direkt in der Parfümerie getestet und nichts weiter gekauft zu haben. Und nach 2Std. wieder daheim schleicht sich plötzlich dieser betörende Duftzauber von meinem Handgelenk in meine Nase... Zum verrückt werden! Hab aber auch bei anderen Marken (wie z.B. Goutal) festgestellt...
SinioerkelSinioerkel vor 7 Jahren
Ja so ist es. Irgendwann bekommt Tom sie A l l e :-)
Nein im ernst : Das Schöne an seinen Kreationen ist wirklich, dass er immer eine ganz tolle, hochwertige Basis hat. Der Drydown ist immer köstlich und nicht nur irgend so'n Rest Vanille oder Ambroxan.

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