Mesdames et Messieurs, ich präsentiere: MATIERE PREMIERE

Mir ist es eine große Freude euch heute für das noch recht verborgene, französische Haus MATIERE PREMIERE zu interessieren.

Zunächst hatte ich geplant euch das französische Haus HERMETICA PARIS vorzustellen, doch auf meiner immer unermüdlichen Suche nach neuen Dufterlebnissen stieß ich plötzlich auf Falcon Leather.

Das Haus ging im Oktober 2019 an den Start und führt aktuell 9 Parfums im Portfolio (davon einer exklusiv für Harrods). Die kreative Nase dahinter ist Aurélien Guichard, der u.a. Düfte wie Play (Comme des Garçons), Guilty & Guilty Intense (Gucci), Le Mâle Terrible (Jean- Paul Gaultier) oder auch Narciso and Narciso Poudrée (Narciso Rodriguez) kreiert hat. Darüber hinaus wirbt das Haus damit keine synthetischen Farbstoffe einzusetzen, sondern mit natürlicher Farbe, die sich entwickeln kann ohne jedoch an Qualität einzubüßen - charmant. Für seine Kreationen greift Guichard jeweils auf ein natürliches Material zurück und baut seine Düfte darum auf bzw. versucht besondere Facetten weiter hervorzuheben um ein einzigartiges Erlebnis zu schaffen.

Meine Eindrücke basieren nicht ausschließlich auf dem Falcon Leather, sondern auf dem Discovery Set - eine individuelle Auswahl ist möglich (!) - inklusive der folgenden Düfte und sogar jeweils einem Teststreifen:

Keine Sorge, das Set bedarf keiner besorgniserregenden Investition und geht euch sogar versandkostenfrei zu. Auch die Zerstäuber sprühen alle vernünftig und sind separat in einen kleinen Faltschachteln verpackt. Die eine Hälfte kommt jeweils in komplett weißen, die andere in schwarz-weißen Faltschachteln.

Beginnen wir unsere Tour mit den helleren Vertretern:

Néroli Oranger ist um eine herrliche Orangenblüte aufgebaut. Zitrisch-frische Aromen, die nicht zitrischklosteinfrisch wirken. Auch nicht klassisch nach Zitrone. Ein natürlicher Freshie. Er ist bitter und lieblich. Nicht wirklich süß. Dazu eröffnet Ylang-Ylang eine schöne, florale Komponente. Hell und sauber und zugleich frisch-grün-herb. Vergleiche kann ich ziehen mit Bergamote 22 Eau de Parfum und Neroli.

Cologne Cédrat featured dagegen die Frucht der Zitronatszitrone. Ein Zitrusduft, der halten soll. Den zitrischen Aspekt unterstreicht er mit pfeffrigen Gegenspielern, die es mir einfach machen den Duft als "Zitrischer Pfeffer" abzuspeichern. Und tatsächlich sind weit hinten auch teeartige Spritzer vorhanden. Überdurchschnittlich lange erfrischt er mich nicht und wirkt vergleichsweise blass gegen seinen Orangenblüten-Bruder. Trotzdem angenehm und natürlich. Auf dem Papier pfeffriger, auf der Haut zitrischer.

"Parisian Musc | Matière Première" macht mit der Intention einen holzigen Moschus zu schaffen einen größeren Sprung. In der Tat gelingt es Guichard die holzigen und moschusartigen Gesichter stärker zu betonen, doch die Feige bzw. das Feigenblatt (!) beansprucht hier eindeutig seinen Platz an vorderster Front! Gefällig. Milchig. Cremig. Eine pflanzlich-grüne Verführung. "Feige" habe ich u.a. durch Parfums wie den legendären Premier Figuier Eau de Toilette oder z.B. auch Ichnusa sehr zu schätzen gelernt! Häufig wird bei "Feige" mit dem Blattwerk statt der Frucht gearbeitet und das ist hier erkennbar ganz sicher der Fall, denke ich.

"Santal Austral | Matière Première" spielt, wie es der Name bei genauerer Betrachtung verrät, mit australischem Sandelholz. Die sinnlich, holzige Seele bettet Guichard sanft in einen cremig-weichen Körper ein, der zusätzlich mit lieblich-süßlichen, hocharomatischen Noten verziert wird. Ein warmes, weiches und reines Parfum, dass euch auch schon an frischeren Tagen begleiten kann und gleichzeitig den Weg für die dunklere Hälfte des Hauses ebnet - vorausgesetzt Ihr testet in meiner Reihenfolge. ^^

Beenden wir unsere Tour mit den dunkleren Vertretern:

"Radical Rose | Matière Première" startet als starker floraler Vertreter mit der Idee eine Überdosis an Zentifolie zu liefern - und tut es! Nicht so radikal und süß wie Oud Satin Mood, sondern natürlich intensiv. Eine liebliche, samtig-selbstbewusste und erwachsene Rose. Zur Herkunft der gewählten Rose gibt Guichard sogar transparent Einblicke, denn mit seiner Familie gründete er 2016 eine entsprechende Farm in Grasse und kultiviert seitdem Zentifolien, die hier zum Einsatz kommen - toll!

Bois d'Ébène bietet den geheimnisvolleren Gegenspieler zu Santal Austral dar. Dunkel, erdig-holzig mit flüchtig anmutendem Rauch. Überhaupt nicht muffig, sondern schön weich. Darüber liegt ein kuscheliger, harzig-balsamischer Schleier mit tonisierender und energetisierender Wirkung.

"Falcon Leather | Matière Première" schöpft seine Inspiration - unglaublich, aber wahr - aus einem Falknerhandschuh und kontrastiert ansprechend beide Seiten des Leders. Den Kern dieses Akkordes bildet Birkenteer. Kräftig, fast schwarz zu Beginn. Rauchig-harzig. Sowohl die raue Seite, als auch die glatte Seite werden jeweils mit Harzen unglaublich warm, balsamisch, lieblich und partiell dezent schokoladig aufpoliert, dass Ihr euch wenige Momente nach dem Auftragen kaum mehr von diesem Duft entfernen wollt. Nichtsdestotrotz bleibt der Eindruck bestehen gleichzeitig zwei verschiedene Seiten präsentiert zu bekommen. Selbst der dezidierter Ledergegner kann sich durch diese Interpretation geschmeichelt fühlen, glaube ich!

"Encens Suave | Matière Première" geriert sich als absoluter Winter-Schmeichler - zurecht! Mein persönliches Highlight! Lasst es mich so formulieren: Weihrauch à la Cardinal in Zusammenspiel mit dem warmen - fast heißen - harzigen Gesicht von "Gold Collection - II Sahara | Widian / AJ Arabia" und dazu die wunderbare süße Vanille aus Tobacco Vanille Eau de Parfum. Besonders spannend finde ich hier, dass sich diese drei Facetten wirklich für sich wahrnehmen lassen. Warm, kuschelig, attraktiv und macht einfach süchtig!

Oud Seven ist der Harrods exklusive Duft, welchen ich nicht getestet habe.

FAZIT:

MATIERE PREMIERE schenkt mir insgesamt einen positiven Eindruck und bezirzt mich persönlich insbesondere mit seinem Encens Suave. Guichard liefert abwechslungsreiche und hübsch gestaltete Düfte, die vor allem durch Ihre Natur und Zugänglichkeit punkten. Ihr werdet nicht unter Unmengen von Duftnoten begraben, sondern könnt stellenweise sehr gut nachvollziehen, welche Gedanken dahinter stecken. Man könnte jetzt einwerfen: "Ohne Moos nix los", aber dem entgegne ich hier ausdrücklich mit "Weniger ist mehr". Wer genau hinschaut, der entdeckt noch, dass z.B. kein klassischer Fougère oder Chypre mit von der Partie sind. Die fehlen nicht, wären aber der Stilistik des Hauses nach wahrlich spannend kennenzulernen.

Den positiven Gesamteindruck beeinträchtigt lediglich die Tatsache, dass die Düfte keine unvorhergesehenen Wendungen vollführen. Das möchte ich viel weniger kritisieren als schlicht anmerken.

Hoffentlich konnte ich euch das Haus näherbringen und vielleicht sogar zum Testen verführen. Zu guter Letzt gibt's direkt einen Ausblick auf meinen nächsten Blog: Benigna Parfums

Herzlichen Dank - ich freue mich auf Euch!