Talisker
Taliskers Blog
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 4 Jahren - 02.08.2020
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Ein unvergesslicher Tag bei „Perfumed Prague“

Nachdem ich meine für diesen Sommer geplante Reise aufgrund der Pandemie absagen musste, aber dringend einen Tapetenwechsel brauchte, reiste ich letzte Woche spontan mit meinem Liebsten nach Prag. Wir kannten die Stadt bisher beide nur aus Erzählungen von Freunden und Bekannten und waren sehr neugierig.

Unser Hotel lag am Rand der Altstadt, nur ein paar Minuten vom Pulvertor entfernt. Wir spazierten einfach los, ohne Ziel und Stadtplan und genossen die malerische Kulisse der Jugendstilfassaden. Irgendwann landeten wir vor einem winzig kleinen Laden namens "Perfumed Prague", den ich zunächst für einen dieser Parfumläden hielt, wie man sie aus dem Mittelmeerraum kennt, in denen man sich aus großen Flaschen ein fertiges Parfum, das meist die Kopie eines bekannten Parfums ist, abfüllen lassen kann.

Umso größer war die Überraschung, als man uns eröffnete, dass wir uns aus etwa 1000 verschiedenen Duftstoffen unser ganz persönliches Parfum zusammenstellen könnten. Das klang sehr interessant, also beschloss ich, mich auf das Erlebnis einzulassen.

Die Besitzer des kleinen Lädchens, Olga und Boris, waren sehr freundlich und nachdem Boris mir einen Kaffee serviert hatte, ging es los. Olga sagte, dass alle ihre Duftstoffe rein planzlich seien und in Grasse hergestellt würden, sie erläuterte mir zunächst den Aufbau eines Parfums, sprach von Kopf-, Herz- und Basisnote und stellte mir dann allerlei Fragen, um meine Duftvorlieben zu ermitteln. Sie fragte z.B. was mein Lieblingsgericht sei, welche Blumen und Früchte ich möge, welche Gerüche ich überhaupt nicht ertragen könne etc. Dann suchte sie einige große braune Apothekerflaschen aus den Regalen zusammen und stellte sie vor mich auf den Tisch. Sie sagte, ich solle an den Glasstopfen riechen und spontan entscheiden, ob ich möge, was ich röche oder nicht. Die Favoriten schob ich nach links, diejenigen Düfte, die ich nicht mochte, nach rechts. Anschließend reichte Olga mir mehrere Pappstreifen, die ich in die von mir ausgewählten Flaschen dippen sollte, um so noch einmal differenzierter die ausgewählten Gerüche wahrnehmen zu können. Sie bat mich, die Streifen zu beschriften, nahm sie dann an sich und stellte jweils ein paar von ihnen fächerförmig zusammen, mit der Schrift nach hinten, so dass ich nicht beeinflusst würde. Sie wedelte dann die Streifen in verschiedenen Kombinationen vor meiner Nase und bat mich, meine Lieblingskombination auszuwählen. Nachdem dies geschehen war, stand die Basis für meinen Duft.

Im zweiten Durchgang ermittelten wir dann in ähnlicher Weise die Kopf- und Herznote. Dann schrieb Olga auf jeden einzelnen Streifen, wie viel ml ich abmessen solle und gab mir ein Tablett mit einem Glaszylinder und diverse Pipetten. Ich stellte die Mischung in dem Verhältnis her, das Olga mir vorgegeben hatte und verrührte alles sorgfältig mit dem Glasstäbchen, das sie mir gab. Anschließend strich ich mir etwas auf das linke Handgelenk. Olga bat mich, vor dem Laden eine kleine Runde zu drehen, um herauszufinden, ob die Mischung mir gefalle. Dann ließ sie mich eine Zutat um zwei ml erhöhen und ich war fasziniert, wie vollkommen anders der Duft an meinem rechten Handgelenk roch, obwohl die Inhaltsstoffe doch nach wie vor dieselben waren.

Nach ein paar Minuten fiel mir jedoch auf, dass ein Duftstoff recht dominant war, was mir missfiel. Vermutlich sind die meisten anderen Kunden deutlich weniger kritisch als ich, aber Olga ließ sich nichts anmerken und behielt eine Engelsgeduld mit mir. Ich bat also, einen Duftstoff durch einen anderen ersetzen zu dürfen und den zu dominanten deutlich geringer zu dosieren. Hierzu war eine zweite Mischung erforderlich. Von dieser stellten wir wieder zwei Varianten her. Die letzte war mein Favorit und wurde schließlich mein neuer Signaturduft. Olga übernahm die Fertigstellung, Boris füllte den Duft in einen einfachen rotbraunen Flakon mit Zerstäuber und ich durfte auf einer kultigen, uralten Schreibmaschine meinem Duft einen Namen geben. So entstand "Bohemian Brew".

Und das Beste: Olga ließ mich mein "Rezept" auf eine Karte notieren, die im Laden verbleibt, so dass ich meinen persönlichen Duft immer nachordern kann, wenn ich möchte. Für mich war der Nachmittag bei "Perfumed Prague" ein unvergessliches Erlebnis und "Bohemian Brew" wird mich noch lange an wunderbare Sommertage in Prag erinnern.


Nachtrag:
Da schon mehrfach gefragt wurde, was ich bezahlt habe und meine Antwort in den Kommentaren untergegangen zu sein scheint:

Wenn man 100 ml seines Duftes mitnehmen möchte, kostet dies umgerechnet 85€, bei 50 ml sind es ca. 60€.

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