Aéroplane

Axiomatic
26.11.2023 - 11:27 Uhr
55
Top Rezension
7
Preis
10
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft

Hinter der Hecke

Es gibt Momente, an denen mich die Schaffenskraft für eine Weile zu verlassen droht. Zu viele Eindrücke, ein unerwarteter Stimmungswechsel, ein gefangen Sein im Labyrinth.

Und dennoch flüsterte mir ein alter Begleiter zu, dass ich nur die Sicht ändern müsste. Wenn man den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen kann, ist es ratsam, das dichte Grün von den Wolken aus zu beobachten, um es zu verstehen.

Aéroplane, mein treuer Begleiter.
Unser Kennenlernen so unerwartet, so tröstlich, so hilfreich.
Damals klärend und prüfend.

Ich habe den Satz jenes Freundes nicht vergessen, der mir diese Kostbarkeit näher brachte.
„Wer mit sich selbst im Unreinen bleibt, ist verdammt, jene Fehler der Vergangenheit erneut zu begehen.“
Ein großer Pathos!
Doch sollte sein Rat sich als hilfreich erweisen und mir aus einer selbstverschuldeten Blockade verhelfen.

Ich weiß noch genau, dass ich fast kraftlos den schweren Flakon vergangener Jahrzehnte in die Hände nahm. Mir schien es, als wäre es eine Aufnahmeprüfung.
Die streng geometrischen Rillen, das klare Relief mit dem historischen Aufkleber, der schwere Deckel mit Messing-Verkleidung.
Sollte mir ein altehrwürdiges Chypre zur Einsicht verhelfen?
Damals wie heute…

Zisch!

Herbe Zitrusfrüchte und ein strenges Petitgrain eröffnen.
Ich würde sogar behaupten, vom Ast des Orangenbaumes wachgerüttelt worden zu sein.
Eine wohldosierte Minze lässt die Temperatur fallen.
Es fühlt sich an wie an einem kalten Morgen. Die kühle Luft durchzieht das Gesicht, strafft, setzt Entscheidungsvorgänge in Gang. Keine Zeit für einen störrischen Hitzkopf!
Plötzlich ist man wacher als wach.

Der Duft reicht anschließend eine freundschaftliche Hand, ein sehr schöner Basilikum färbt die Kühle erhellend grün.

Wer das Glück hatte, Basilkumbüsche nach dem Regen zu riechen, wird diese Note verstehen. Die aromatische Opulenz der Blätter weicht einer subtileren Nuancierung, wie durch das Dämpfpedal eines Klaviers.

Erreicht wird dieser liebliche Akkord mit sauberem Jasmin. Fernab jeglicher Indolik übt sich der Weißblüher als floraler Vermittler zwischen den strengen Hesperiden und dem aromatischen Kraut.
Eine wunderbare grüne Wiese mit weißen Blumen tut sich auf.
Und hier verstehe ich den Namen des Duftes.
Was gibt es schöneres, als solch eine Landschaft aus der Vogelperspektive zu betrachten?

Herrlich grün federt die Basis im weiteren Verlauf ab. Grünes Vetiver alter Schule begleitet stets nonchalant elegant. Kein Rauch, nichts Knarziges, einfach gediegen grasig.
Ähnliches kann man vom dezenten Patchouli vergangener Zeiten sagen. Fast schüchtern stützt er wie ein Gentleman, gibt sich verhalten und geerdet.
Das seifige Eichenmoos rundet die gesamte Komposition ab und lädt ein, sich im Reinen wieder zu finden.

Der Gesamteindruck bleibt hellgrün mit weißen Sprenkeln.

Und das verhilft mir zu einer klaren Sicht.
Plötzlich erkennt man aus einer anderen Perspektive, wie leicht überwindbar die grüne Hecke ist und welch erheiternde Szenerie einen erwartet.

So ein Duft überzeugt mit leisen aber wohl bedachten Tönen.

Ja, derartige Kompositionen bestechen durch eine den wechselhaften Moden folgender Jahrzehnte trotzende Beständigkeit.
Es sind ihre scheinbare Einfachheit, ihre ausgeklügelte Balance und ihr Charme, welche das Überleben der Tradition sichern.

Das Haus Detaille basiert auf ebensolcher Tradition.
Es war die Idee einer Gräfin, Marie-Aline Detaille, Comtesse de Presle, welche Weitsicht während der Belle Epoque mit der Gründung jenes Kosmetikunternehmens 1905 bewies.
Als leidenschaftliche Autofahrerin zu jener Zeit litt sie unter der Austrocknung ihrer Gesichtshaut. Die damaligen motorisierten Gefährten besaßen noch keine Windschutzscheibe.
Und so beauftragte sie einen befreundeten Chemiker mit der Herstellung einer Salbe, jenes legendäre Baume Automobile. Die Marke Detaille war geboren.

Heute hängt immer noch das Porträt der Gräfin im kleinen Laden von Detaille in einer ruhigen Straße des neunten Arrondissements in Paris.
Der neue Eigentümer hat die gleiche Weitsicht bewiesen und beständige Kreationen im Sortiment belassen.

Und so bin ich guten Mutes, dass mich Aéroplane auch in Zukunft begleiten wird, Blockaden hin oder her.
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