26.09.2010 - 08:01 Uhr
Skyliner
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Zwanzig Cent und eine Krone
Er heißt Umberto Boccioni, ist italienischer Maler und Bildhauer, Theoretiker der Bewegung des Futurismus, eine Ikone der damaligen Kunstszene. Ein Abbild eines seiner Werke, der Skulptur „Forme uniche della continuità nello spazio“ (Einzigartige Formen der Kontinuität im Raum) ziert heute die italienische 20-Cent Münze.
Sie, Vittoria Colonna, ist eine römische, gebildete Prinzessin und unglücklich verheiratet.
Der erste Weltkrieg bricht aus. Nachdem ihr Mann an die Front eingezogen wird, zieht sich Principessa Vittoria auf die kleine Insel San Giovanni im Lago Maggiore zurück und widmet ihre Zeit der Pflege des großen Familienanwesens mit den prächtigen Parkanlagen. Hier, im Juni 1916, begegnet sie zum ersten Mal Umberto Boccioni. Aus inniger Freundschaft wird sehr bald die große Liebe ...
Noblesse oblige, eine Amour fou unter Ausschluss der Öffentlichkeit, leidenschaftlich und intensiv. Sie findet rasch ein tragisches Ende. Boccioni wird wie ihr Mann eingezogen und stirbt nach einem Sturz vom Pferd, dreiundreißig Jahre alt.
Ungefähr ein Jahrhundert später, im Jahr 2010, will das Haus "Eau d‘Italie" dieser Liebesgeschichte ein olfaktorisches Denkmal setzen und präsentiert den Frauenduft „Au Lac“ (am See): eine blumige Sommerbrise, die aus dem an einem Ufer gelegen Park herüber weht. Ein durch und durch romantischer Duft, der aber auch zugleich avantgardistisch daher kommen will. Laut Eau d‘Italie eine Vermählung zwischen einem üppigen, klassischen, floralen Blumenbouquet und der vibrierenden und dynamischen Struktur eines futuristischen Gemäldes. Mit der praktischen Umsetzung dieses romantisch-avantgardistischen Duftkonzepts wird Alberto Morillas anvertraut.
Der Anspruch ist gewagt und hoch. Eigentlich ein Paradoxon: Einen floralen, hyperfemininen Duft zu schaffen der zugleich elekrtrisierend dynamisch daherkommt, ist wahrhaftig eine Herausforderung für jeden Parfumeur. Waren die bisherigen Düfte von "Eau d‘Italie" alle durchaus interessant, wird mit diesem Duft die Messlatte nun fast in stratosphärische Höhen gelegt. Es bleibt die bange Frage, ob „Au lac“ nun dieses Ziel erreicht hat.
Meiner Ansicht nach nicht. Mag der Wind auch noch so seufzen und der Rosenstrauch auch noch so klagen, sehen wir den Tatsachen ins Auge. „Au lac“ hat fast alle objektiven Ziele verfehlt. Nach dem geforderten futuristischen Avantgardismus wird man ergebnislos schnuppern und außergewöhnlich fraulich und romantisch ist er auch nicht. Ein neuer möglicher Klassiker wurde nicht geschaffen.
Schade, dass der Duft so euphorisch mit dermaßen hohen Ansprüchen vorgestellt wurde. Denn an genau diesen Aussagen wird er sich nun messen lassen müssen. Von daher wurde das Ziel klar verfehlt. Was bleibt ist ein eher konventioneller floraler, grüner, aquatischer Duft im Stil unserer Zeit. Ein netter Duft, nicht mehr und nicht weniger.
Die Kopfnote ist sehr delikat, ein hesperidisches Erzittern. Eine Ahnung von Zitrone vermischt mit der sanften Bitterkeit der Blätter des Orangenbaums. Dem folgt eine eine prächtige Lotusnote, die sich über dem Wasser ausbreitet, welches seinerseits durch grüne Melonen- und Gurkenaromen sugeriert wird. Hierin gleicht es jenen Düften, die die Stimmung eines Gartens nach einem warmen Sommerregen einfangen wollen. Allerdings kommt „Au lac“ sehr viel ruhiger daher. Kein Kontrapunkt trübt die Stille des Sees.
Die Herznote, ein sehr grünes Duo, bar jeglicher Süße, der Lotus und die Wassermelone, machen sich recht schnell bemerkbar und dominieren den Duft für längere Zeit. Ein kaum wahrnehmbarer prickelnder, spritziger Eindruck ist wohl die eingeforderte dynamisch-futuristische Komponente; eine doch eher bescheidene Hommage an Umberto Boccione.
Diese leichte Spannung steigert sich etwas um dann einer transluziden Holznote zu weichen. Auch in diesem Stadium bleibt der Duft aquatisch um anschließend zu entschwinden.
Epilog:
Die Revolution wurde abgeblasen. Geblieben ist ein Duft des ruhigen Süßwassers, floral und grün. „Au lac“ ist ein netter Duft, ohne Ecken und Kanten und unterscheidet sich gerade in dem Punkt von den anderen Düften des Hauses.
Die tragische Liebe zwischen Umberto und Vittoria hätte etwas besseres verdient...
Sie, Vittoria Colonna, ist eine römische, gebildete Prinzessin und unglücklich verheiratet.
Der erste Weltkrieg bricht aus. Nachdem ihr Mann an die Front eingezogen wird, zieht sich Principessa Vittoria auf die kleine Insel San Giovanni im Lago Maggiore zurück und widmet ihre Zeit der Pflege des großen Familienanwesens mit den prächtigen Parkanlagen. Hier, im Juni 1916, begegnet sie zum ersten Mal Umberto Boccioni. Aus inniger Freundschaft wird sehr bald die große Liebe ...
Noblesse oblige, eine Amour fou unter Ausschluss der Öffentlichkeit, leidenschaftlich und intensiv. Sie findet rasch ein tragisches Ende. Boccioni wird wie ihr Mann eingezogen und stirbt nach einem Sturz vom Pferd, dreiundreißig Jahre alt.
Ungefähr ein Jahrhundert später, im Jahr 2010, will das Haus "Eau d‘Italie" dieser Liebesgeschichte ein olfaktorisches Denkmal setzen und präsentiert den Frauenduft „Au Lac“ (am See): eine blumige Sommerbrise, die aus dem an einem Ufer gelegen Park herüber weht. Ein durch und durch romantischer Duft, der aber auch zugleich avantgardistisch daher kommen will. Laut Eau d‘Italie eine Vermählung zwischen einem üppigen, klassischen, floralen Blumenbouquet und der vibrierenden und dynamischen Struktur eines futuristischen Gemäldes. Mit der praktischen Umsetzung dieses romantisch-avantgardistischen Duftkonzepts wird Alberto Morillas anvertraut.
Der Anspruch ist gewagt und hoch. Eigentlich ein Paradoxon: Einen floralen, hyperfemininen Duft zu schaffen der zugleich elekrtrisierend dynamisch daherkommt, ist wahrhaftig eine Herausforderung für jeden Parfumeur. Waren die bisherigen Düfte von "Eau d‘Italie" alle durchaus interessant, wird mit diesem Duft die Messlatte nun fast in stratosphärische Höhen gelegt. Es bleibt die bange Frage, ob „Au lac“ nun dieses Ziel erreicht hat.
Meiner Ansicht nach nicht. Mag der Wind auch noch so seufzen und der Rosenstrauch auch noch so klagen, sehen wir den Tatsachen ins Auge. „Au lac“ hat fast alle objektiven Ziele verfehlt. Nach dem geforderten futuristischen Avantgardismus wird man ergebnislos schnuppern und außergewöhnlich fraulich und romantisch ist er auch nicht. Ein neuer möglicher Klassiker wurde nicht geschaffen.
Schade, dass der Duft so euphorisch mit dermaßen hohen Ansprüchen vorgestellt wurde. Denn an genau diesen Aussagen wird er sich nun messen lassen müssen. Von daher wurde das Ziel klar verfehlt. Was bleibt ist ein eher konventioneller floraler, grüner, aquatischer Duft im Stil unserer Zeit. Ein netter Duft, nicht mehr und nicht weniger.
Die Kopfnote ist sehr delikat, ein hesperidisches Erzittern. Eine Ahnung von Zitrone vermischt mit der sanften Bitterkeit der Blätter des Orangenbaums. Dem folgt eine eine prächtige Lotusnote, die sich über dem Wasser ausbreitet, welches seinerseits durch grüne Melonen- und Gurkenaromen sugeriert wird. Hierin gleicht es jenen Düften, die die Stimmung eines Gartens nach einem warmen Sommerregen einfangen wollen. Allerdings kommt „Au lac“ sehr viel ruhiger daher. Kein Kontrapunkt trübt die Stille des Sees.
Die Herznote, ein sehr grünes Duo, bar jeglicher Süße, der Lotus und die Wassermelone, machen sich recht schnell bemerkbar und dominieren den Duft für längere Zeit. Ein kaum wahrnehmbarer prickelnder, spritziger Eindruck ist wohl die eingeforderte dynamisch-futuristische Komponente; eine doch eher bescheidene Hommage an Umberto Boccione.
Diese leichte Spannung steigert sich etwas um dann einer transluziden Holznote zu weichen. Auch in diesem Stadium bleibt der Duft aquatisch um anschließend zu entschwinden.
Epilog:
Die Revolution wurde abgeblasen. Geblieben ist ein Duft des ruhigen Süßwassers, floral und grün. „Au lac“ ist ein netter Duft, ohne Ecken und Kanten und unterscheidet sich gerade in dem Punkt von den anderen Düften des Hauses.
Die tragische Liebe zwischen Umberto und Vittoria hätte etwas besseres verdient...
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