Yatagan
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Warum heißt der eigentlich 1927?
Unkommentierte Düfte No. 138
Meist schreibt man ja doch einen Kommentar, wenn man begeistert ist. Geht mir auch nicht anders. Seltener sind Verrisse. Ich habe meist keinen Spaß daran. Noch seltener oder nie schreibt man Kommentare zu etwas resp. einem Duft, wenn man sich wundert. Ich jedenfalls nie. Trotzdem habe ich mich hier mal dafür entschieden.
Der Duft passt eigentlich ganz gut in verschiedene meiner Raster (doch, doch, ich habe Interessen jenseits von Lavendel und Colognes): Er enthält Aldehyde (gerade teste ich alles, was Aldehyde enthält), er enthält Narzisse (mag ich einfach sehr), er enthält Veilchen (die sehen putzig aus und riechen sehr fein, finde ich) und er startet mit Bergamotte und Mandarine, was ich sowieso schon mal gut finde. Moschus und Patch in der Basis ist ja auch nicht so verkehrt. So jedenfalls die Theorie, die man oben bei den Inhaltsstoffen nachlesen kann.
Wie das aber so alles zusammen riecht, hatte ich dann doch anders erwartet.
Hell (aber nicht frisch) geht es zunächst mal los, wobei die Aldehyde nicht zu überriechen sind. Die reißen hier das Ruder an sich und lassen es auch ziemlich lange nicht mehr los. Muss man also schon mal mögen. Wer das nicht mag, kann hier gerne noch schnell aus dem Kommentar aussteigen (HIER).
Dann stellt sich aber für mich ein Zusammenklang ein, der allen Synästheten (jemand da?) ziemlich grün erscheinen müsste. Wo das allerdings - außer von der Flakonfarbe - herkommen könnte, weiß ich nicht, aber ein bisschen erinnert es mich an dieses Schlingpflanzengrün von Cacharels Eden (den ich sehr mag). Und siehe da: Die beiden Düfte haben eine ganze Menge gemeinsam: Mandarine, Bergamotte, Mimose, Weißblüher, Patchouli - und ich wette auch auf Moschus und Aldehyde. So sind denn auch die Blüten in beiden Fällen schwer differenzierbar und wirken mehr als Gesamtklang. In beiden Fällen scheint das Patchouli eine wichtige Rolle zu spielen, das übrigens weder bei Eden noch bei 1927 erdig, hippiesk oder indisch daher kommt, sondern eher etwas dumpf, schwer, wächsern, was ich eigentlich sehr schön finde, auch wenn es nicht so klingt. Ein pudriger Ton kommt sicherlich vom Moschus, die Süße vielleicht von der Vanille. Alles in allem also doch ganz logisch. Man hätte sich nicht wundern müssen, aber ich konnte mir partout nicht vorstellen, wie sich diese Noten miteinander verbinden.
Stellt sich jetzt noch die Frage aus der Überschrift, nämlich warum der Duft 1927 heißt. Der Versuch einer Antwort: Floris hat ja eine Reihe mit Düften lanciert, die allesamt eine Jahreszahl im / als Namen tragen. Natürlich soll sich die Komposition der vier Düfte jeweils mit der duftenden Traditionen des entsprechenden Jahres verbinden (1927, 1962, 1976, 1988: eigentlich sind alle recht gut, auch die Idee finde ich spannend). Floris erinnert hier denn auch an die Roaring Twenties, an Jazz, an die Bohemiens jener Jahre. Ich finde auch, dass die Aldehyde und die Blütenopulenz sehr gut dazu passen und in eben jenem Jahr entstanden ja tatsächlich Düfte wie Arpège, Zibeline, Chaldée, Cuir de Russie und lustigerweise sogar Pitralon (die alte, manchmal "Schweizer Variante" genannte Mischung). Gerade Arpège passt da auch ganz gut als Vergleich (s. Inhaltsstoffe), aber 1927 von Floris wirkt auf mich in diesem Kontext ein kleines bisschen zu modern, was wiederum an der recht starken Aura von Patchouli liegen könnte, das mich in dieser prägnanten Form eben sehr an die 70er erinnert. Ich wurde da sozialisiert.
Alles in allem ist der Duft aber sehr gelungen, sehr spannend zumal und bisher leider noch kaum beachtet worden. Bei mir kratzt er an der Wunschliste.