Anfangs war ich gespannt und verrückt nach diesem Neuzugang. Hoffnung machte sich breit, dass zumindest der Lizenz-Name noch eine Weile für markante Düfte stehen könnte.
Doch je mehr und ausführlicher über Drakkar Intense berichtet und debattiert wurde, desto gedämpfter wurden meine Erwartungen.
Yatagan verdanke ich nichtsdestotrotz den Anstoß, mir den Duft zu bestellen, wofür ich mich an dieser Stelle bedanke.
Ich möchte des Verständnisses wegen einen kurzen Überblick über die so erfolgreiche Drakkar-Reihe mit dem markanten Drachenboot der Wikinger als Flakon geben.
Der ursprüngliche Duft wurde 1972 lanciert und verkaufte sich relativ gut in den 1970ern. Es ist ein warm grünes Fougère mit balsamischen Kiefern-Noten, ein etwas bläulich wirkenden Wacholder und einer kuscheligen Eichenmoos-Basis.
Klingt nicht gerade umwerfend packend, dennoch punktete Drakkar mit einer gewissen Tauglichkeit für viele.
So ist auch die Werbung zu verstehen. Gezeigt wird ein Mann in seinen Vierzigern, bebrillt, etwas vollere Frisur und relativ unscheinbar gekleidet - Hemd, Krawatte, V-Schnitt Pullover, Mantel.
Eine Stimme fragt, wonach ein Drakkar Träger sucht. Ist es der Erfolg, die Männlichkeit, das Verführen? Nein, er sucht nichts, er möchte sich einfach wohl fühlen!
Dabei dürfen wir ihm an verschiede Orte in Paris folgen, bis er seine Tochter am Bahnhof abholt. Ein lieber Papi, den es in jenem Jahrzehnt oft gab.
Der Flakon wird auch prägend für die Reihe stehen. Durchsichtiges Glas in ovaler Form mit einer schweren Metallkappe, der Schriftzug noch etwas graphisch verspielter.
Zehn Jahre später, 1982, sollte dann der erfolgreichste Zugang der Reihe erscheinen, Drakkar Noir von Pierre Wargnye.
Pechschwarzer, matter Flakon, weißer strenger Schriftzug. Interessant ist hier auch die Verpackung. Verströmte der Namensgeber 1972 noch mit einem typischen Kachelmuster mit den Anfangsbuchstaben einen Wandtapeten-Charme, änderte sich das radikal Anfang der 1980er.
Matt-schwarze Kartonage mit Noppen-Relief, lediglich unterbrochen vom glänzenden Namensschild und einer roten schrägen Linie.
Ein Akkord aus Hesperiden, Lavendel, Minze und etwas Rosmarin schafft einen Paradigmen-Wechsel. Samt Wermut, Engelwurz und balsamischen Noten wird er alle nachfolgenden „Duschgel-Kreationen“ beeinflussen. An Noir wird man sich gut und gerne erinnern.
Beworben wurde er sportlich. In typischer 1980er Schnitttechnik wird ein makelloser, viriler Sportler in einer kontrastreichen schwarz weiß Umgebung gezeigt, hier und da ein roter Streifen, kalt-prägnante Synthesizer geben den Ton an. Am Ende, welch eine Überraschung, finden schwarzer Smoking und rotes Abendkleid zueinander, zwei perfekte Yuppies wie aus dem Hochglanz-Magazin.
1999 der erste Misserfolg.
Drakkar Dynamik kommt in einem hellgrauen Flakon, passend zum Duft.
Ein wenig Apfel und etwas Pfeffriges geben Frische, gefolgt von sicherer Zeder, Amber und Benzoe. Fruchtig frisch, holzig grün. Das wär’s.
Ach ja, der Duft wurde mit dem James Bond Streifen „The World Is Not Enough“ beworben, was ironischerweise perfekt passte. Gähn…
Weiter geht’s 2014.
Drakkar Essence in blau, ein netter, sauberer Lavendel-Aquatiker wird bewußt für den amerikanischen Markt konzipiert. Die Käuferschicht dürfte selten über 29 Jahre alt sein.
Michel Girard, Schöpfer von "1 Million (Eau de Toilette) | Paco Rabanne" , konnte nicht sarkastischer Noir als Duschgel-Totem neu interpretiert haben.
Einzige nennenswerte Werbung: American Football Spieler halb nackt in der Umkleide. Oh wow…
Und nun steht der Neue vor mir, fünfzig Jahre nach dem Debüt des Urduftes und in einer warm orangenen Aufmachung.
Der Flakon ist wie gehabt, der Sprühkopf kommt ohne Blende aus.
Nicolas Beaulieu, Schöpfer von
Legend Red offeriert eine hochprozentige Interpretation des Noir.
Zisch!
Warm, zitrisch, synthetisch weht es mir entgegen.
Der versprochen Absinth-Note kann ich beipflichten. Das Wermutkraut von Noir wird in hochprozentigem Likör eingefangen.
Überhaupt zitiert man hier Noir in Zeitraffer, sein kompletter Duftverlauf leuchtet binnen Minuten auf. Dieser Effekt wiederholt sich im Drydown, immer wieder lugt etwas von 1982 hervor.
Aber Herr Beaulieus Stein der Weißen ist ein Akkord aus Lavendel, Muskatellersalbei und Wacholder. Wie bei Legend Red übersteuert er mit Synthetik (Ambroxan, Geraniol oder Dihydromyrcenol) den Lavendel ins Metallische, so dass der Eindruck der Hesperiden bei der Eröffnung weit bis zur Mitte des Duftverlaufs anhält. Als Kontrapunkt setzt er Tonka, respektive Vanille, ein.
Je weiter man von der Sprühstelle schnüffelt, desto angenehmer der markante Akkord. Zu nah dran erschlägt das Metall.
Das Erstaunliche ist die warme Absinth-Note. Sie wabert im Hintergrund, plötzlich macht sie sich wieder bemerkbar und begleitet ein wenig, um wieder still zu werden. Als würde man ab und an am Glas nippen.
Im letzten Drittel zeigt der Duft seine familiären Noir-Wurzeln.
Ich bin froh, dass hier keine künstlichen Hölzer an Cashmeran wie bei Legend Red stützen, sie vermasselten den Montblanc Duft völlig.
Und doch endet das Spektakel synthetisch grün frisch.
Warum ich den Duft entgegen meiner Abneigung brachialer Synthetik hoch bewertet habe, liegt daran, dass hier Noir zitiert und mit Absinth gut umgegangen wird. Gerade das Hochprozentige wird dank der Synthetik nicht zum Fahnen-Duft. Ich bekomme den Eindruck eines Cocktails, so eine Art Whisky Sour oder ähnliches.
Und Hand aufs Herz, ich hänge an der Reihe mit schönen Erinnerungen.
An dieser Stelle möchte ich die Rezension etwas auflockern und ihren Titel erläutern.
Viele werden sicherlich das Lied „I think we are alone now“ in der ein oder anderen Version kennen.
Sollte ich die Drakkar-Reihe nun mit diesem Song schmücken, käme folgender Familien-Stammbaum heraus. Mit den Jahreszahlen der verschiedenen Versionen des Musikstücks spiele ich ein wenig, es kommt auf die Grundstimmung an.
Drakkar wäre der Duft der 1967er Urversion von Tommy James and the Shondells. Analoge Instrumente, knisternde, leicht laszive Stimmung. Jeder weiß worum es geht, aber keiner traut sich, es zu sagen. Aber bald ist man ja alleine…
Champions League Drakkar Noir bekäme eindeutig die 1987er Version von Tiffany umgehängt. Geschliffene Synthesizer de luxe und die geballte Stimmung des Mittleren Westens lassen es krachen. Moonwashed Jeans bevölkern tanzend eine Shopping Mall.
Mauerblümchen Drakkar Dynamik wird von den Girls Aloud und ihrem girlie Smasher von 2006 mehr oder weniger gekürt. Schönes Kunstprodukt schnelllebigen Schicksals.
Für Drakkar Essence fand ich leider keine aufgenommene Version, aber hier trickse ich ein wenig.
Die Jury, zusammengetrommel aus Justin Timberlake, Justin Bieber, Justin Hartley und Justin Trudeau, darf bei Guy Laroche Perfumes sucht den Superstar - GLPSS - noch den passenden Performer auswählen. Singen sollte er ein wenig, aber wichtiger wären Steroid-trainierte Six Packs. Ach ja, die knappe Badehose ist eine obligatorische Requisite.
Und zu guter Letzt für Drakkar Intense punktet Billie Joe Armstrong, ehemaliges Green Day Mitglied, mit seiner 2020er Version, welche er zusammen mit seinen Söhnen aufgenommen hat. Gekonnt zitiert er seine vormalige Musikleistung und bleibt dennoch väterlich nett. Der Kreis schließt sich.
Und so kann ich wohl oder übel dieses metallische Fougère an vertrauter indie E-Gitarre der braven Art genießen und in Absinth-Laune schwelgen.