ParfumAholic
Top Rezension
24
Das schwarze Zimmer
Mit großer Spannung habe ich den neuen LM – Duft „Cicatrices“ (zu Deutsch „Narbe“ / „Wundmal“) erwartet, denn einige der LM – Düfte (z.B. „Black Oud“, „Hard Leather“ und „Ambre Muscadin“) gefallen mir sehr, weil sie stets sehr wertig, solide und ausbalanciert erscheinen.
Gut sind sie, günstig hingegen nicht gerade, aber dafür bekommt man i.d.R. auch Einiges geboten.
Aber gerade auch aufgrund der Preise (für „Cicatrices“ ca. 250€ für 100ml EdP) liegt meine persönliche Erwartungs-Messlatte etwas höher als vielleicht sonst üblich.
„Cicatrices“ hat mich insbesondere gereizt, weil u.a. Lakritze enthalten ist. Essen mag ich es nicht, riechen aber sehr gerne, da Lakritze einen ganz eigenen, süßlich-herben Geruch hat, den ich mir in einem Duft sehr interessant vorstellen kann [Ich trauere heute noch Yohji Yamamoto’s „Yohji Homme“ (Original-Version) nach, weil dieser so wunderbar nach Lakritz gerochen hat].
Also, an den Sprüher, fertig, los......
Sofort umweht mich eine tief dunkle Lakritz-Wolke, die sehr dicht und nahezu undurchdringlich erscheint. Bergamotte? Mag vorhanden sein, geht aber in der schwarzen Wolke völlig unter.
Iris, Myrrhe und Leder sollen lt. Pyramide u.a. in den Herznoten vorhanden sein. Wie köstlich müsste es sein, wenn sich eine leicht metallische oder gar pudrige Iris durch die Lakritz-Wand schieben würde? Myrrhe würde eine dezente Süße und weiches Leder eine „griffige“ Note in’s Spiel bringen. In meinem Kopf spielen sich herrliche Duftbilder ab....die aber leider so gar nichts mit dem Duft auf meiner Haut zu tun haben bzw. in Einklang zu bringen sind. Denn was ich definitiv einzig und allein wahrnehme ist Lakritze. Nicht mehr ganz so schwarz wie anfänglich, sondern etwas heller. Aufgehellt durch Herznoten, die nur unter der Lakritz-Oberfläche wirken?
Langsam aber sicher schwindet meine Begeisterung, denn bislang stellt sich hier gerade ein Solitär-Duft vor, den ich so nicht erwartet hätte.
Aber da ich der Lakritze einfach keinen so langen Atem zugestehen mag, muss sich doch in der Basis etwas tun! Oder nicht?
Eher nicht. Patchouli und Vanille kann ich nicht erkennen. Ich erkenne nur, dass die Lakritze zunehmend „verwässert“, schwächer wird, ohne ganz zu verschwinden oder gar andere Duft-Komponenten an die Oberfläche zu lassen.
Und in diesem Zustand verharrt „Cicatrices“ dann auf meiner Haut.
Ich könnte jetzt nicht sagen, dass mich der Duft nervt oder ich ihn abstoßend finden würde. Er passt halt einfach nicht zu den Duftbildern in meinem Kopf und ich möchte auch ehrlich gesagt nicht den ganzen Tag nur nach Lakritze riechen. Und dieses Gefühl hatte ich bei jedem Tragen des Dufts. Egal, ob es wärmer oder kühler war, ich mich mehr oder weniger bewegt habe, über allem lag der Lakritze-Geruch.
Ganz nebenbei hatte ich den Eindruck, dass „Cicatrices“ ein Duft mit einem schwarzen, fast schon schwermütigen Charakter ist. Heiterkeit und Leichtigkeit gehen ihm (zumindest bei mir) völlig ab.
Ich mag die „Bella Block“ Krimis mit Hannelore Hoger sehr gerne. In der Reihe gab es mal einen Krimi mit dem Titel „Das schwarze Zimmer“. Dort ging es darum, dass Bella (gerade verletzungsbedingt und leicht traumatisiert aus dem Polizeidienst ausgeschieden) quasi privat in Schweden ermittelt hat. Der Verdächtige und sie haben beide mit ihren Ängsten, ihrer Angst vor der Angst und Verdrängtem zu kämpfen. Im Laufe des Films kommen sie dann auf „das schwarze Zimmer“ zu sprechen. Ein „Raum“, den jeder von uns mit sich herum trägt und in dem alles Dunkle und Angstmachende hinein kommt und der folglich nur höchst ungern „geöffnet“ wird. Ich fand den Krimi damals zunächst sehr verkopft und düster, dann jedoch sehr spannend.
Und an genau dieses Düstere aus dem Bella Block Krimi hat mich „Cicatrices“ wieder erinnert. Nur dass hier nichts wirklich spannend und nach 90 Minuten auch nicht alles vorbei und wieder gut ist.
Fazit: „Cicatrices“ entspricht ganz und gar nicht meinen Erwartungen (wofür der Duft ja eigentlich nichts kann), ist aber dennoch ein wertiger Duft, der allen gefallen dürfte, die absolut auf Lakritze stehen. Die Haltbarkeit ist gut (zwischen 7 – 9 Stunden) und die Sillage liegt bei mir im mittleren Bereich (anfänglich stark, dann relativ schnell schwächer werdend). Die hier angegebenen Referenz-Düfte (allen voran „Hermessence Ambre Narguilé“) kann ich so überhaupt nicht nachvollziehen.
Aber wie immer gilt: Man muss sich selbst ein (Duft-) Bild machen.
Ich für meinen Teil werde mich jetzt jedenfalls mal intensiver um Lakritz- / Süßholzdüfte bemühen, denn nun möchte ich zu gerne wissen, ob es da nicht doch den einen oder anderen Duft gibt, der mir gefallen könnte.