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Seerose
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Kompromisslos ambivalent
Den Versuch, einen Bogen vom Namen "Ambré Lumière" zum Duft zu schlagen, lasse ich sein. Ich versuche nur zu verstärken, was Angua bereits ausführlich beschrieben hat.
"Ambré Lumière" ist keine Lichtgestalt unter den Düften. Sondern für mich die volle Dröhnung eines kompromisslosen Patchoulidufts mit allem Drum und Dran - zunächst.
Als ich "Ambré Lumière" auftrug, hatte ich erstmal einen Niesanfall und ich dachte: Das ist wieder so eine überzeugende Molinard-Duftgranate. Ich dachte dabei an "Habanita". Obgleich "Ambré Lumière" eine ganz andere Parfumduftrichtung ist.
Mir schlug eine heftige Gewürzmischung und sogleich ein Patchouli ohne Wenn und Aber entgegen.
Hin und wieder mag ich Patchoulidüfte sehr, wenn sie mich nicht zu sehr an die Zeit der Lila-Latzhosen erinnern. Oder vielleicht mag ich sie manchmal genau aus diesem Grund? Ich bin da ambivalent. Sie erinnern mich an diese Zeit und darum will ich sie nicht mögen, so scheint es mir. Aber ich mag sie. Sie haben eine erdige Ausstrahlung, nach der es mich ab und zu einfach heftig verlangt, wenn ich mir einen Duft aussuche. Vorerst habe ich nur eine kleine Abfüllung von "Canyon Dreams". Aber wenn ich diese Düfte in der Gegenwart von anderen trage, geniere ich mich. Weil ich überall und immer die Trägerinnen von Patchoulidüften wahrnehme und dabei aber auch unweigerlich auf einen bestimmten exaltierten Typ von Frauen treffe, die doch wieder etwas von den Frauen der damaligen Zeit haben, die damals Patchouli der ganz heftigen Art trugen. So war ich nicht, so will ich nicht wirken.
Aber weiter mit "Ambré Lumière":
Binnen kurzem entwickelt sich eine animalische Note, die ich gar nicht zuordnen kann. Ich rufe den Duft auf, kann in der Pyramide nicht erkennen, was dazu passt, eine Art Eichenmoos vielleicht und ich will das Spayerchen schon in das Fach "Weitergeben" stellen.
Nun steht es wieder bei: Ich weiß noch nicht? Will ich den aufbrauchen oder? Und nun wird mir bewußt, dass meine Nachbarin Jutta, die Patchoulidüfte über alles liebt, nun nicht mehr in der Lage sein wird, sich daran zu erfreuen. Ich schrieb irgendwo über sie. Von mir erhielt sie Proben, und zu Weihnachten habe ich ihr noch einen Mini von Micallef mit einem Patchouliduft geschenkt. Es war das letzte Mal, dass ich sie gesund gesehen habe. Sie ist ja schon über 85 Jahre und ist nun nach Schlaganfällen nicht mehr richtig "anwesend". Ja, das kann schnell gehen mit alten Menschen, hoffentlich hatte sie noch ein wenig Freude an dem Micallef.
Nun also: Die animalische Note verschwindet, eine Blütenduftmischung, richtig cremig, machen "Ambré Lumière" lieblicher. Balsamischer Amber entwickelt sich und allmählich nehme ich auch über eine längere Phase einen aufhellenden Eukalyptus wahr.
Ganz allmählich wird aus dem zu Beginn sich heftig, ungebärdig aufbäumendem Duft eine schönes orientalisches Parfüm, würzig, lieblich blütig, balsamisch mit einer leichten Eukalyptusfrische, einer gewissen Süße und einem Hauch Grün. Patchouli bleibt dennoch immer der Protagonist, Vetiver hat eine nicht unerhebliche Nebenrolle im Duftgeschehen von "Ambré Lumière".
Wegen der allmählichen Wandlung zum mehr Lieblichen bin ich nicht sicher, ob ich "Ambré Lumière" als Unisex einstufen kann. Aber das kann auch dadurch beeinflusst sein, dann ich mir einen eindeutigen Patchouliduft nicht an einem Mann vorstellen kann und auch nicht weiß, ob ich das mögen würde.
Ich komme allmählich zu der Einsicht, dass ich auch über einen guten Patchouliduft wenigstens als Abfüllung verfügen sollte. "Canyon Dreams" von Keiko Mecherie oder "Ambré Lumière" oder?