21.07.2020 - 09:12 Uhr
FvSpee
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FvSpee
Top Rezension
30
Neukölln 2: Farina Schlitzohr
Die Geschichte dieses "dritten Farina" oder "Pariser Farina" (neben dem Echt Kölnisch Wasser von 4711 und dem Konkurrenzprodukt von Farina Gegenüber) ist schon schräg. Der Urvater des echten Kölner Aqua Mirabilis war bekanntlich der Italiener Giovanni Maria Farina alias Johannes oder Johannis Maria Farina, der nach Köln übersiedelte, wo sein Produkt etwa ab 1720 verkauft und schließlich als "Eau de Cologne" bekannt wurde.
Farina hatte allerdings auch einen Groß-Groß-Neffen namens Jean Marie Farina, den es nach Paris verschlagen hatte. Da Jean Marie die französische Übersetzung von Johannes Maria ist und in früheren Zeiten Vornamen noch sprachlich frei konvertible Währung waren (man sprach ja in Deutschland auch von König Karl von England und König Philipp von Spanien, und sagte nicht Charles und Felipe), konnte das Schlitzohr 1806 in Paris ein eigenes Dufthaus gründen und ohne zu lügen behaupten, er vertreibe das echte Eau de Cologne von Giovanni Maria Farina.
1862 dann gründeten die Herren Roger und Gallet ihre Seifen- und Parfümfirma und kauften irgendwann den Laden von Jean Marie "Schlitzohr" Farina (wahrscheinlich dann schon von dessen Erben) auf, womit sie auch die Rechte am "echten" Farina-Cologne erwarben. Bei Roger & Gallet liegen sie noch heute, formal jedenfalls. Denn 1975 wurde das Traditionshaus R&G von Sanofi (!) übernommen, in der Folge dann von Sanofi an Gucci verkauft, und dann von Gucci an L'Oréal.
Das hindert die heutigen Geschäftsführer von R&G allerdings nicht daran, es dem alten Jean Marie an Schlitzohrigkeit nachzutun: Obwohl sie auf ihrer eigenen Internetseite erwähnen, dass die ganze Firma erst 1862 gegründet wurde, steht dort zugleich, dass das hier rezensierte Kölnischwasser "im Jahre 1727 das Gründungsprodukt" der Firma gewesen sei. Gut, gerade im Parfümbereich sollte man ohnehin nur diejenigen Werbetexte glauben, die man selbst erfunden hat.
Das hier rezensierte Produkt wird auf der Internetseite von R&G zwar erwähnt (siehe oben), aber nicht im Online-Shop angeboten. Man erhält es aber in einigen Online-Parfümerien, etwa bei Notino und Parfumsclub, wobei der übliche Preis bei etwa 25 Euro je 100-ml-Sprühflakon liegt, einige andere Anbieter sind teurer. Parfumsclub bietet, kein Wunder bei der spanischen Herkunft des Hauses, auch eine 200-ml- und eine 500-ml-Splashflasche an.
Mir gefällt Farina Extra-Vielle (also so etwas wie "Farina Uralt") besser als Apicius, aber schlechter als Yatagan. Den Auftakt nehme ich als sehr zitronig war, und dabei zugleich bemerkenswert grünlich und (etwas zu) süß. Also so etwas wie der üppig verzuckerte Glas-Rand eines Cocktailglases, auf dem ein satter, fetter, grüner Limettenschnitz sitzt.
In der Folge sind dann gelegentlich mal säuerliche Wölkchen und solche von einer gewissen Schärfe zu spüren, im Großen und Ganzen dominiert aber für etwa drei Stunden (wenn man die sehr, sehr hautnahe Phase mitzählt) eine ziemlich kontinuierliche Colognefrische mit heftig herb-krautigem bis krautig-holzigem Einschlag. Fast meine ich da auch so etwas wie Basilikum zu schnuppern, und wenn Farina nicht sogar im Namen stünde, könnte man überlegen, ob der Duft nicht eher bei den braunen Colognes der "Colonialwaren"-Reihe oder jedenfalls bei den grünwürzig-fougèrigen Grenzgängercolognes wie Lehmanns "New York" angesiedelt wäre. Aber er darf mit etlicher Berechtigung in der Klassikerklasse verbleiben, auch wenn er dort (bei mir) nicht gerade weit oben in die Charts kommt.
Nachzutragen ist, dass der Duft mit Neroli, Zitrone, Bergamotte und Rosmarin fast das gesamte klassische Farina-Programm enthält. Lavendel fehlt und ist auch tatsächlich nicht zu riechen, genauso wenig übrigens wie Nelke und Rose, die auf der Seite von "Notino" in der Duftpyramide zusätzlich angegeben sind. Neroli wird bei einigen Colognes durch Petitgrain substitutiert; hier ist beides angegeben, dennoch tritt aus meiner Sicht kein Booster-Effekt ein, die ganze orangige Richtung kommt im Gegenteil aus meiner Sicht eher unterbelichtet rüber.
Alles in allem überzeugt mich das Gesamtbild nicht recht; ich finde die Duftentwicklung nicht richtig rund und stimmig und den Duft eher ein bisschen langweilig als klassisch. 4711 würde ich hier als spannender, markanter und schlüssiger komponiert vorziehen. Aber wie man an Yatagan (und Sven1209) sieht, ist das mal wieder sehr subjektiv.
Bleibt zum Abschluss, da farina der italienische Begriff für Mehl ist, die Frage im Raum, ob man mit Hans Maria Mehl im Bundespersonalausweis nicht vielleicht auch heute noch ein asset hätte, um richtig dicke Reibach zu machen.
Farina hatte allerdings auch einen Groß-Groß-Neffen namens Jean Marie Farina, den es nach Paris verschlagen hatte. Da Jean Marie die französische Übersetzung von Johannes Maria ist und in früheren Zeiten Vornamen noch sprachlich frei konvertible Währung waren (man sprach ja in Deutschland auch von König Karl von England und König Philipp von Spanien, und sagte nicht Charles und Felipe), konnte das Schlitzohr 1806 in Paris ein eigenes Dufthaus gründen und ohne zu lügen behaupten, er vertreibe das echte Eau de Cologne von Giovanni Maria Farina.
1862 dann gründeten die Herren Roger und Gallet ihre Seifen- und Parfümfirma und kauften irgendwann den Laden von Jean Marie "Schlitzohr" Farina (wahrscheinlich dann schon von dessen Erben) auf, womit sie auch die Rechte am "echten" Farina-Cologne erwarben. Bei Roger & Gallet liegen sie noch heute, formal jedenfalls. Denn 1975 wurde das Traditionshaus R&G von Sanofi (!) übernommen, in der Folge dann von Sanofi an Gucci verkauft, und dann von Gucci an L'Oréal.
Das hindert die heutigen Geschäftsführer von R&G allerdings nicht daran, es dem alten Jean Marie an Schlitzohrigkeit nachzutun: Obwohl sie auf ihrer eigenen Internetseite erwähnen, dass die ganze Firma erst 1862 gegründet wurde, steht dort zugleich, dass das hier rezensierte Kölnischwasser "im Jahre 1727 das Gründungsprodukt" der Firma gewesen sei. Gut, gerade im Parfümbereich sollte man ohnehin nur diejenigen Werbetexte glauben, die man selbst erfunden hat.
Das hier rezensierte Produkt wird auf der Internetseite von R&G zwar erwähnt (siehe oben), aber nicht im Online-Shop angeboten. Man erhält es aber in einigen Online-Parfümerien, etwa bei Notino und Parfumsclub, wobei der übliche Preis bei etwa 25 Euro je 100-ml-Sprühflakon liegt, einige andere Anbieter sind teurer. Parfumsclub bietet, kein Wunder bei der spanischen Herkunft des Hauses, auch eine 200-ml- und eine 500-ml-Splashflasche an.
Mir gefällt Farina Extra-Vielle (also so etwas wie "Farina Uralt") besser als Apicius, aber schlechter als Yatagan. Den Auftakt nehme ich als sehr zitronig war, und dabei zugleich bemerkenswert grünlich und (etwas zu) süß. Also so etwas wie der üppig verzuckerte Glas-Rand eines Cocktailglases, auf dem ein satter, fetter, grüner Limettenschnitz sitzt.
In der Folge sind dann gelegentlich mal säuerliche Wölkchen und solche von einer gewissen Schärfe zu spüren, im Großen und Ganzen dominiert aber für etwa drei Stunden (wenn man die sehr, sehr hautnahe Phase mitzählt) eine ziemlich kontinuierliche Colognefrische mit heftig herb-krautigem bis krautig-holzigem Einschlag. Fast meine ich da auch so etwas wie Basilikum zu schnuppern, und wenn Farina nicht sogar im Namen stünde, könnte man überlegen, ob der Duft nicht eher bei den braunen Colognes der "Colonialwaren"-Reihe oder jedenfalls bei den grünwürzig-fougèrigen Grenzgängercolognes wie Lehmanns "New York" angesiedelt wäre. Aber er darf mit etlicher Berechtigung in der Klassikerklasse verbleiben, auch wenn er dort (bei mir) nicht gerade weit oben in die Charts kommt.
Nachzutragen ist, dass der Duft mit Neroli, Zitrone, Bergamotte und Rosmarin fast das gesamte klassische Farina-Programm enthält. Lavendel fehlt und ist auch tatsächlich nicht zu riechen, genauso wenig übrigens wie Nelke und Rose, die auf der Seite von "Notino" in der Duftpyramide zusätzlich angegeben sind. Neroli wird bei einigen Colognes durch Petitgrain substitutiert; hier ist beides angegeben, dennoch tritt aus meiner Sicht kein Booster-Effekt ein, die ganze orangige Richtung kommt im Gegenteil aus meiner Sicht eher unterbelichtet rüber.
Alles in allem überzeugt mich das Gesamtbild nicht recht; ich finde die Duftentwicklung nicht richtig rund und stimmig und den Duft eher ein bisschen langweilig als klassisch. 4711 würde ich hier als spannender, markanter und schlüssiger komponiert vorziehen. Aber wie man an Yatagan (und Sven1209) sieht, ist das mal wieder sehr subjektiv.
Bleibt zum Abschluss, da farina der italienische Begriff für Mehl ist, die Frage im Raum, ob man mit Hans Maria Mehl im Bundespersonalausweis nicht vielleicht auch heute noch ein asset hätte, um richtig dicke Reibach zu machen.
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