22.11.2022 - 10:22 Uhr
Axiomatic
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Axiomatic
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White, unser schönes Weiß!
Reinlich, hell, unschuldig.
Denkste!
Hier liegt vor mir was äußerst Forderndes aus dem Jahr 2013. Aber ich will nicht auf hohem Niveau klagen, der Preis dafür ist mehr als fair.
Und ich werde versuchen, fair zu bleiben.
Zunächst das Äußerliche.
Das Wertvollste am Flakon ist wohl das Glas, die Plastikblende samt Plastikdeckel bekommen unter der prüfenden Lampe einen Glitter-Effekt auf weißem Hintergrund. Ja, es gibt sie noch, die schönen Schöpfungen chemischer Konglomerate.
Aber in dieser Machart präsentiert sich die gesamte Reihe von Open, egal welcher Couleur.
Zisch!
Liebes Forum, scheinbar haben wir es in Europa geschafft, eine einheitliche Notrufnummer einzurichten.
Zwar gelten mitunter lustige Randerscheinungen, mal eine 110 für Deutschland, dann eine kecke 15 oder gar 17 in Frankreich (je nach Laune und Duftauswahl), das ähnliche Spielchen in Italien mit 118 oder 113, die Liste ist lang.
Doch nun haben sich im alten Kontinent alle, oder fast alle, auf die einprägsame 112 geeinigt.
Die werde ich zum Glück erstmal nicht wählen brauchen, obwohl mir schon komisch wird.
Und etwas benommen betrete ich das dekadent feine Restaurant „Lucien le Troublant“.
Das ist so eines dieser berühmt berüchtigten Lokale, wo man aparte Kost serviert bekommt. Dementsprechend sind die Gäste in elegant verruchter Aufmachung gespannt auf das heutige Menü.
Das Aneinanderreihen des zahlreichen Bestecks läßt mich nervös die Muskeln anspannen. Im Hintergrund läuft wie üblich eines dieser Concerti grossi. Sagen wir mal ein frühes Concerto grosso von Charles Avison, aber Händel oder Corelli gehen auch.
Und hops kommt auch schon ein mir nicht ganz geheurer, mit weißer Schürze und modernem schwarzen Livree gekleideter Kellner an meinen Tisch.
Ein Jahrgang 2013 blubbert grün milchig nach dem Einschenken im Glas zur ungewöhnlichen Vorspeise.
Bittermandelcreme de luxe wird hier kredenzt zusammen mit einer äußerst sauren Zitrusfrucht in Julienne geschnitten, weiß grün alles.
Mein erster Gedanke kreist um bläuliche Lippen nach einer Arsenvergiftung. Aber sehr geschmeidig das Ganze, es gleitet wie Bodylotion meine Nase hoch.
Und diese Bittermandel bestimmt den ersten Teil des Dinners.
Mein heutiger Chef de Service schaut mich grimmig an.
„Typischer Parvenu, dem ist wohl die Crème Suprême à l’huile d’amande amère wohl nicht fein genug!“ wird er sich wohl gedacht haben, als er mir ganz aus Versehen einen leichten Stoß mit dem Ellbogen am Hinterkopf versetzt, während er meine halbvolle Schale vom Tisch nimmt. Delikat sein Achselgeruch.
Ein Löschen des Dufteindrucks mit Wasser wird mir verwehrt, denn es folgt sogleich das Hauptgericht.
Anis au rêve de la Marquise de Brinvilliers.
Oder auf Deutsch gesagt, Anis auf die Zwölf von der berühmten Giftmischerin.
Ganz im Sinne der Nouvelle Cuisine verirrt sich hier und da ein violettes Nichts auf dem Teller, so ein Veilchen auf Blattgold zum Erahnen aber nicht zum Schmecken.
Meine weiße Serviette färbt sich rot wegen besagten Nasenleidens, und das entgeht dem Maître de Table nicht.
Er beäugt mich leicht kümmelig von der Seite und achtet penible auf meine Tischmanieren.
Mir zittern die Hände, ich kriege fast keinen Bissen runter. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass entweder ich oder Garçon leicht transpiriert. Ich vor Angst, er vor übler Laune, denn er hat heute leider den Tisch von Tom Ford auch übernehmen müssen. Der Texaner trägt einen typischen edlen Anzug samt T-Shirt mit einer fetten 2017 und FF drauf.
„Sacre *, wohl wieder auf Rezeptsuche, n‘est-ce pas?
Wir haben hier Originalität bewiesen mit vier Jahren Vorsprung!
Avantgarde française comme toujours!
* * fabulously!“
Noch während ich mit dem Hauptgericht kämpfe, platziert er auch schon patzig das Dessert auf dem Tisch.
Truffe Blanche-Neige.
Eine Ahnung von schokoladigem Patchouli unter einer pudrigen Irispracht, leicht vanilliert.
Mir fällt während des ganzen Soupers auf, dass Gäste vereinzelt sich erfrischen wollen und völlig aufgelöst heiter am Tisch zurückkehren.
Da entdecke ich eine kleine, gefaltete Nachricht auf weißem Büttenpapier elegant geschrieben neben dem Brotkorb auf meinem Tisch.
„Bestellen Sie die Surprise à la Glaire!“
Himmel, ich bin mit meinem Gastronomie-Französisch am Ende. Glaire?
Da zwinkert mir auch schon die Dame am Nachbartisch zu, ihr Gatte grinst erheitert.
Ich winke dem Kellner mit besagter Nachricht, worauf er mit ungemütlich verschmitzter Miene mir den Weg zu einer verschlossenen Tür zeigt.
Mit zittriger Hand drücke ich sie auf und…
Ja, was glaubt Ihr denn, dass ich hier alles ausplaudere?
Schön wär‘s!
Laßt mal schön Eure Gedanken kreisen, ich schreibe hier nichts weiter!
Später heißt es, ich hätte den Laden touri-tauglich gemacht und verkommen lassen!
Eines vielleicht noch.
Zuhause hat der Duft eine unmißverständliche Ablehnung meiner besseren Hälfte erfahren.
So!
Und nun darf ich wohl nur im dunklen Keller ganz heimlich diese polarisierende Plörre auskosten.
Ganz ehrlich?
Der Duft hat was!
Reinlich, hell, unschuldig.
Denkste!
Hier liegt vor mir was äußerst Forderndes aus dem Jahr 2013. Aber ich will nicht auf hohem Niveau klagen, der Preis dafür ist mehr als fair.
Und ich werde versuchen, fair zu bleiben.
Zunächst das Äußerliche.
Das Wertvollste am Flakon ist wohl das Glas, die Plastikblende samt Plastikdeckel bekommen unter der prüfenden Lampe einen Glitter-Effekt auf weißem Hintergrund. Ja, es gibt sie noch, die schönen Schöpfungen chemischer Konglomerate.
Aber in dieser Machart präsentiert sich die gesamte Reihe von Open, egal welcher Couleur.
Zisch!
Liebes Forum, scheinbar haben wir es in Europa geschafft, eine einheitliche Notrufnummer einzurichten.
Zwar gelten mitunter lustige Randerscheinungen, mal eine 110 für Deutschland, dann eine kecke 15 oder gar 17 in Frankreich (je nach Laune und Duftauswahl), das ähnliche Spielchen in Italien mit 118 oder 113, die Liste ist lang.
Doch nun haben sich im alten Kontinent alle, oder fast alle, auf die einprägsame 112 geeinigt.
Die werde ich zum Glück erstmal nicht wählen brauchen, obwohl mir schon komisch wird.
Und etwas benommen betrete ich das dekadent feine Restaurant „Lucien le Troublant“.
Das ist so eines dieser berühmt berüchtigten Lokale, wo man aparte Kost serviert bekommt. Dementsprechend sind die Gäste in elegant verruchter Aufmachung gespannt auf das heutige Menü.
Das Aneinanderreihen des zahlreichen Bestecks läßt mich nervös die Muskeln anspannen. Im Hintergrund läuft wie üblich eines dieser Concerti grossi. Sagen wir mal ein frühes Concerto grosso von Charles Avison, aber Händel oder Corelli gehen auch.
Und hops kommt auch schon ein mir nicht ganz geheurer, mit weißer Schürze und modernem schwarzen Livree gekleideter Kellner an meinen Tisch.
Ein Jahrgang 2013 blubbert grün milchig nach dem Einschenken im Glas zur ungewöhnlichen Vorspeise.
Bittermandelcreme de luxe wird hier kredenzt zusammen mit einer äußerst sauren Zitrusfrucht in Julienne geschnitten, weiß grün alles.
Mein erster Gedanke kreist um bläuliche Lippen nach einer Arsenvergiftung. Aber sehr geschmeidig das Ganze, es gleitet wie Bodylotion meine Nase hoch.
Und diese Bittermandel bestimmt den ersten Teil des Dinners.
Mein heutiger Chef de Service schaut mich grimmig an.
„Typischer Parvenu, dem ist wohl die Crème Suprême à l’huile d’amande amère wohl nicht fein genug!“ wird er sich wohl gedacht haben, als er mir ganz aus Versehen einen leichten Stoß mit dem Ellbogen am Hinterkopf versetzt, während er meine halbvolle Schale vom Tisch nimmt. Delikat sein Achselgeruch.
Ein Löschen des Dufteindrucks mit Wasser wird mir verwehrt, denn es folgt sogleich das Hauptgericht.
Anis au rêve de la Marquise de Brinvilliers.
Oder auf Deutsch gesagt, Anis auf die Zwölf von der berühmten Giftmischerin.
Ganz im Sinne der Nouvelle Cuisine verirrt sich hier und da ein violettes Nichts auf dem Teller, so ein Veilchen auf Blattgold zum Erahnen aber nicht zum Schmecken.
Meine weiße Serviette färbt sich rot wegen besagten Nasenleidens, und das entgeht dem Maître de Table nicht.
Er beäugt mich leicht kümmelig von der Seite und achtet penible auf meine Tischmanieren.
Mir zittern die Hände, ich kriege fast keinen Bissen runter. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass entweder ich oder Garçon leicht transpiriert. Ich vor Angst, er vor übler Laune, denn er hat heute leider den Tisch von Tom Ford auch übernehmen müssen. Der Texaner trägt einen typischen edlen Anzug samt T-Shirt mit einer fetten 2017 und FF drauf.
„Sacre *, wohl wieder auf Rezeptsuche, n‘est-ce pas?
Wir haben hier Originalität bewiesen mit vier Jahren Vorsprung!
Avantgarde française comme toujours!
* * fabulously!“
Noch während ich mit dem Hauptgericht kämpfe, platziert er auch schon patzig das Dessert auf dem Tisch.
Truffe Blanche-Neige.
Eine Ahnung von schokoladigem Patchouli unter einer pudrigen Irispracht, leicht vanilliert.
Mir fällt während des ganzen Soupers auf, dass Gäste vereinzelt sich erfrischen wollen und völlig aufgelöst heiter am Tisch zurückkehren.
Da entdecke ich eine kleine, gefaltete Nachricht auf weißem Büttenpapier elegant geschrieben neben dem Brotkorb auf meinem Tisch.
„Bestellen Sie die Surprise à la Glaire!“
Himmel, ich bin mit meinem Gastronomie-Französisch am Ende. Glaire?
Da zwinkert mir auch schon die Dame am Nachbartisch zu, ihr Gatte grinst erheitert.
Ich winke dem Kellner mit besagter Nachricht, worauf er mit ungemütlich verschmitzter Miene mir den Weg zu einer verschlossenen Tür zeigt.
Mit zittriger Hand drücke ich sie auf und…
Ja, was glaubt Ihr denn, dass ich hier alles ausplaudere?
Schön wär‘s!
Laßt mal schön Eure Gedanken kreisen, ich schreibe hier nichts weiter!
Später heißt es, ich hätte den Laden touri-tauglich gemacht und verkommen lassen!
Eines vielleicht noch.
Zuhause hat der Duft eine unmißverständliche Ablehnung meiner besseren Hälfte erfahren.
So!
Und nun darf ich wohl nur im dunklen Keller ganz heimlich diese polarisierende Plörre auskosten.
Ganz ehrlich?
Der Duft hat was!
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