10.01.2020 - 14:08 Uhr
Parfümlein
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Parfümlein
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Im Dufthimmel des Orients
Ich besitze 5 ml "Isra & Miraj". Ich hüte sie wie meinen Augapfel. Das Parfum ist so kostbar, dass ich mir genau überlegen muss, wann ich es benutzen werde. Der Flakon ist ja unglaublich schön, so absolut edel, wie diese Marke es garantiert. Aber den habe ich ja leider nicht. Dafür zwei sehr schöne kleine Abfüllungen. Ich wähle die kleinere von beiden und sprühe sanft. Augenblicklich befinde ich mich im Dufthimmel des Orients. Überall um mich herum seidenweiche, goldene, bestickte Kissen, breite Brokatumrandungen, spitze Babouches mit violetten und purpurnen Stickereien. Von irgendwo her weht eine leichte Brise frischer Zitrusfrüch... da ist sie schon wieder weg, und ich stehe plötzlich vor einem bunten Teppich mit Dutzenden von Gewürzsäcken. Einer ist mit Muskatnüssen prall gefüllt, aus einem anderen ragen Zimtstangen, auch Pfefferkörner kann ich erkennen. Ich sehe Datteln aus der Ferne, ein paar alte Männer trinken süßen Tee und bieten mir ein winziges, mit golden Wellen verziertes Gläschen an. Ich atme den süßen Duft um mich her tief ein. Köstlich. Da dringt etwas leicht Holziges in die süße Luft und verströmt ein würziges Aroma. Kein Wunder, während ich versucht habe, mich einmal um mich selbst zu drehen, bin ich an einen mächtigen Osmanthus-Strauch gestoßen. Seine gelben, leicht fleischigen Blüten verströmen einen zart-fruchtigen Duft, während vom Gehölz etwas Herbes ausgeht, das sich unter die Süße mischt. Ganz leicht, im Hintergrund, meine ich immer wieder, Pferdehufe zu hören, ein minimaler Stallgerucht dringt von sehr weit her in mein Bewusstsein. Auch die Sattel meine ich wahrzunehmen, alte, schwere Ledersattel, die etliche Jahrzehnte in Gebrauch sind. Immer deutlicher wird dieser herbe Unterton, der mich umgibt - nähert sich mir jemand? Im nahegelegenen Wald müssen die Reiter sein; ich spüre den Duft von Hölzern und dem Harz von alten Bäumen, ohne dass der Eindruck von Süße nachlässt. Doch sie ist nicht mehr raumfüllend, sondern liegt wie ein sanfter Hauch über den leicht stechenden Tönen, die mir in die Nase dringen. Langsam wird die Süße weniger, ich spüre noch einen Hauch mandeliger Vanille, die bleibt. Ich lasse mich auf eines der weichen Kissen sinken, schlüpfe aus den Schuhen, schmiege mich in eine bequeme Seitenlage und schließe die Augen. Die Gewürze, der Wald, die Pferde - das alles lasse ich nun für lange Zeit auf mich wirken und lausche dabei den zahlreichen Geräuschen, die von überall an mein Ohr dringen. So lange, bis die Reiter weitergezogen sind und ich, die zunehmende Stille genießend, mich ganz dem süßen, zarten Duft von Vanille und Mandel hingebe, der mich bis jetzt nicht verlassen hat. Eine wohlige Wärme strömt durch mich hindurch... Das ist der Dufthimmel von Isra & Miraj. Seine funkelnden Sterne betrachte ich am liebsten im Herbst und Winter.
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