Es kann nur Einen geben!
Hochgeschätzte Parfumas und Parfumos,
durch meinen Freund "Konsalik", der hier im Forum schon seit geraumer Zeit mitliest, -kommentiert und -rezensiert, bin ich auf die sagenhafte Bandbreite der Nischendüfte aufmerksam gemacht worden. Wobei gesagt werden muss, dass mir überhaupt die Welt der Parfums bis dato verschlossen geblieben war. Eher gehörte ich zum Typ: ein gepflegter Mann riecht im besten Falle nach sich selbst und Frauen, die sich stark parfümieren, sind nur Garant für Kopfschmerzen (in jedem erdenklichen Sinne). Nun trat aber eine in mein Leben, die mich eines Besseren belehrte. Obwohl sie einen recht günstigen und für manch feinere Nasen eventuell nicht ganz "rundum gelungenen" Duft der Marke "The Body Shop" trägt (Black Musk Eau de Parfum), hat er mich von Beginn an auf ihrer Haut, in ihrem Haar und als sinnlich verschlüsselte Analogie zu ihrem Wesen fasziniert. Ich würde ihn als einen recht schweren, gourmandigem Duft klassifizieren, der aber nie erdrückend wirkt, sondern egal ob an kalten oder warmen Tagen mir ein Zufluchtsort geworden ist, an den man sich jederzeit herankuscheln möchte ohne dass dabei eine edle, erotisierende Note vermisst würde. Bevor ich nun hier ins Plaudern komme und die Gemüter über Gebühr mit schwülstigen Schwärmereien quäle, sei als wichtiger Fakt noch angebracht, dass die Nase besagter Frau eine höchst wählerische ist, die bei der falschen Geruchsassoziation sehr schnell die Schotten dicht macht. "Leicht" sollte mein Duft sein, meinte sie mal, so wie sie mich selbst wahrnehme; dabei meinte sie eigentlich "weich", also keine Kopfschmerzen erzeugend, wie ich später herausfand. Allerdings geht es meiner Meinung nach eher darum, Ecken und Kanten, die ein Männerduft einfach haben muss, klug und mit Charme zu umspielen. Ich suche allerdings weder Pantydropper noch Exzentriker, sondern schlicht meinen Duft.
Ich hätte nie gedacht, dass diese Art Herausforderung mich reizen oder gar packen würde, aber ich habe in den vergangenen Wochen einige Parfums getestet, als Probe bestellt oder auch einfach mal blind Tester von Männerdüften aus dem Designer-Regal mitgenommen, die mich ein wenig leiten sollten. Von Konsalik ließ ich mir einige Samples aus der hauseigenen Sammlung zuschicken (u.a. L'Artisan Parfumeur 'Timbuktu', Geoffrey Beene 'Grey Flannel', Caron 'Yatagan'), die ihm als erstes zu meiner Person einfielen (man kennt sich bereits ein paar Jährchen) und erste Zutaten enthielten, von denen ich mir Gutes erhoffte. Weiter ließ ich mich in der Parfümerie Filz in Wien über die zitrisch-frische Schiene zu ein paar AdP (Cologne Intensa – entspannend, aber nicht tief genug; Arancia di Capri – pure Orange) Düften leiten und wagte dann im Münchner Raum (wo ich wohne) in der kleinen Theatiner Parfümerie einen Gleiswechsel zur mehr ledrig-holzigen Seite, u.a. mit Düften, die für italienische Schuh- und Textilmanufakfuren wie Roberto Ugolini ('Marzocco' - etwas zu süßlich-weiche Vanille für mich; 'Azzurro' - zu aquatisch) oder Luigi Borrelli ('Cashmere' - interessant, aber immer noch etwas unspezifisch und leider zu lebemännisch) zusammengemischt wurden. Weiters hatte ich dann eine Begegnung mit Nishane 'Hacivat', das ich auch nicht uninteressant fand und mir wieder gezeigt hat: aha, so viel spritzig-fruchtig geht also mit Leder und Holz gerade noch, allerdings kann die extreme Zitrus-Ananas-Note für Kopfschmerzen sorgen. Angeleitet über die Zutatensuche bei wikiparfum.fr (als ich noch nicht bei parfumo.de angemeldet war) probierte ich gewagte und weniger gewagte Düfte aus, wie z.B. Roja 'Elysium' (zu grün, irgendwie näselnde Kopfnote), Terre d'Hermès (ganz gut sogar, nur etwas zu clever und kühl), Lalique 'Pour l'Homme' (musste probiert werden wegen Löwe auf Etikett, aber definitiv zu blümerant und seifig für mich) oder auch mal Designer-Standards wie Dior 'Sauvage' (pfui..). Auf einige Samples warte ich derzeit noch, beispielsweise Beaufort London 'Lignum Vitae', Roja 'Musk Aoud' und Boadicea the Victorious 'Lion Heart' (schon wieder: der Löwe).
Das ersetzt nach ein paar Wochen allerdings nicht die erfahrene Nase und das sauber kartographierte Gedächtnis eines echten Parfumos, einer echten Parfuma. Deshalb bin ich hier und bitte untertänigst um Beistand. Denn als Löwe fehlt mir nach kürzester Zeit die Geduld. Also obwohl ich bereit wäre, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um den einen Duft, koste er, was er will, zu finden, legte meine Natur mir nahe, doch das geballte anwesende Wissen zu mobilisieren, um meinem Gemüt Ruhe zu verschaffen und schneller ans Ziel zu kommen. Zur Vorstellung:
Ich bin 29 Jahre alt und von Beruf Gärtner in der Fachrichtung Baumschule. Täglich arbeite ich mit großen Maschinen, LKWs und organisiere die Baustellen so, "dass hoit passt". Der Betrieb, in dem ich gelernt habe, ist vom alten Schlag: geht nicht gibt's nicht. An Feierabenden nach den mir liebsten Aufträgen, dem Baum- und Strauchschnitt im Winter, kann ein unverwechselbarer Duft aus Motorsägenöl, fruchtig-moosigem Obstbaumholz und lehmiger Erde (München) von mir ausgehen (wurde bereits von der Mutter eines Freundes positiv wahrgenommen und kommentiert). Selten mischt sich Zypresse mit hinein und ich bin auch kein großer Fan von Nadelgehölzen, am ehesten noch bittere, dunkle Eibe. Diese Materialien wie Holz, aber auch altes Leder und Öl, müssten ein Fundament bilden, buchstäblich den Fels in der Brandung. Doch ab hier wird es kompliziert, denn obwohl meine Willenskraft die Basis für vieles bildet, bin ich alles andere als ein unbeweglicher Klotz sozusagen waldbäuerlicher Abstammung. Bevor ich ins Handwerk ging, galt das Hauptaugenmerk meines Interesses der Philosophie vom Altertum bis zum klassischen deutschen Idealismus. Komplexe Systementwürfe hegelscher Prägung, böhmische Theosophie und aristotelische Metaphysik – es ist der buchstäbliche Zwilling im Aszendenten, der mein ungestilltes Verlangen nach ungründigen Tiefen, über die sich beinah kein dialektischer Bogen mehr spannen lässt, stets von Neuem antreibt. Diese feinstoffliche Ebene versagt es mir, eben einfach ein Jil Sander 'Sun Men' aufzusprühen und den 120 Kilo Bauernbuam in mir für 2 Wochen auf Urlaub nach Malle zu schicken. Eine Orange allein reicht nicht, um mein durchaus sonniges, zuversichtliches Gemüt darzustellen. Das Glück, das ich in meiner Arbeit, meinem Handwerk, gefunden habe, rührt aus einer tieferen, wärmeren, aber auch heißblütigeren Region, die vielleicht mehr Damaszener-Rose oder Apfelblüte als sonnengereife Frucht ist (die meisten Obstgehölze sind botanisch ja Rosaceen, gehören also zu den Rosengewächsen!). Immerhin tut sich mir als botanisch versiertem Gärtner, der nicht nur Landwirt ist, obwohl die Baumschule irgendwie dazugezählt werden kann, jene ganze Palette an Blühstauden, Wild- und Küchenkräutern auf, die hier oft verhandelt wird. Dabei denke ich an Moose, Waldmeister, Baldrian, Thymian, Anis und Rosmarin, die nebenbei mehr grünen Äther schaffen können. Weihrauchige Assoziationen möchte ich lieber vermeiden. Die körperliche Arbeit hat mir quasi den balsamischen, nur vor sich hin wabernd-nebelnden Seelentyp ausgetrieben. Durch Wind und Sturm getrieben (epic feelings intended), wurde meine Natur ledriger, intensiver und auch reicher. Ich denke an erdige Gewürze wie Kümmel und Muskat. Diese stark erhitzbare, in Eis und Schnee jedoch zu hartem Stahl gewordene Charakterlinie (ja, auch ich ein Heavy Metal Hörer wie Konsalik) legt ab und an eine gewisse berserkerhafte Besessenheit an den Tag, die nur schwer zähmbar ist, aber der Löwe vermag durch seine hedonistische Veranlagung schnell besänftigt zu werden. Hier müsste sich ein gewisses gourmandiges Element anschmiegen, das am Ende, also auch nach mehreren Stunden, noch vernehmbar ist, aber nicht süßlich überbordend ist, also keine zu starke Vanille ("I'm not the Vanilla type of guy..."), eher ein Lakritz, Schokolade oder Spekulatius. Doch nach wie vor bleibe ich eher eine herzhafte Natur und möchte keine ganze Patisserie am Hals mit mir führen (abgewandeltes Zitat Konsalik).
Ein paar Noten, die leider nicht für mich in Frage kommen, sind stark rauchige oder torfige. Die schon erwähnte Zypressen/Nadelholz-Schiene passt ebenfalls nicht. Zitrisch nur, wenn nicht WC-Stein und so wenig künstlich wie möglich. Lieber als Zitrusfrüchte sind mir ohnehin Quitte oder Johannisbeere, die wohl eher selten zum Einsatz kommen, obwohl ungemein spritzig, aber vielleicht gibt es ja doch etwas in der Richtung (kaum etwas Anziehenderes als der Duft reifer Quitten; der ebenso spezielle von Johannisbeerholz, einmal verinnerlicht, kann einen merkwürdigen Fetisch auslösen). Hinzu kommt eine starke Aversion meines Fräuleins gegen Kardamom und Kreuzkümmel oder gummige Nuancen, die schon Richtung Autoreifen-Abrieb gehen. Pfeffer, wenn intensiv vorhanden, sollte schon eher in Pfeffergebäck gebunden sein und Früchte dürfen nicht zu mostig-schwer werden, damit das Süßliche oder Weinlastige am Ende nicht überhand nimmt. Ich bin Biertrinker, dabei bleibt's. Animalik, Moschus und fellige Düfte sollten die Wärme eines lebendigen, nicht toten Tieres ergeben. Sodass, am Puls angebracht, eben selbst die Freundin, die Veganerin ist, am liebsten anbeißen würde... generell sind mir "materielle" Düfte lieber als luftige oder solche, die am Ende nur einen Eindruck von Seife und Rasierwasser zurücklassen (Polt würde sagen: "Denn muas ma direkt beißen...").
Habe ich nun die eierlegende Wollmilchsau beschrieben? Ganz gewiss! Es ist außerdem eine Gratwanderung zwischen Sommer und Winter. Ich möchte mit diesen Bildern nicht gerade verunmöglichen, jemals fündig zu werden, aber oft ist Eingrenzung doch besser. In Jugendjahren trug ich eine ganze Weile Tabac Original (erste Flasche von Konsalik damals erhalten, dem diese zu tragen leider untersagt wurde). Ich finde ihn immer noch gut, aber nun ist die Zielsetzung mit den Möglichkeiten eben eine andere geworden. Letzten Endes wird es eine Bauchentscheidung sein, bei der weniger Analytik im Spiel sein darf, als der obige Text vermuten lässt. Wohlan denn, ich freue mich über jeden Vorschlag und bedanke mich im Voraus bereits bei allen herzlichst, die diese kleine Herausforderung annehmen und vor allem die Ausdauer besaßen, obiges zu lesen!
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Edit: Dem Rat von Sakana folgend hier noch eine kurze prägnante ZUSAMMENFASSUNG
Schwere Lederstiefel betreten die Diele des alten Bauernhauses. Sein nach frisch gesägtem Holz und Motorsägen-Öl duftendes Flanellhemd, das auf dem Acker ein wenig Erde abbekommen hat, landet in der Wäsche, wo nebendran aufgehängte Kleidungsstücke der Liebsten dezent frisch nach Rose und Zitrus riechen. Das Fenster steht offen und vom nahen Wald fliegt ein Duft von Waldmeister herein. Während aus der Küche ein Hauch von Quittenmarmelade, Johannisbeerkuchen und Pfeffergebäck schleicht, brüht neben heißer Schokolade ein Tee aus Anis, Rosmarin und Thymian.
Das bringt die Jahreszeiten zwar völlig durcheinander, aber das Anliegen auf den Punkt.
Noten von Rauch, Gummi, Kreuzkümmel und Kardamom müssen draußen bleiben.