18.05.2015 - 16:10 Uhr
loewenherz
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loewenherz
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30
verlorn ist das slüzzelîn
'dû bist mîn ich bin dîn
des solt dû gewis sîn
dû bist beslozzen
in mînem herzen
verlorn ist das slüzzelîn
dû muost immer drinne sîn'
So dichtete ein bis heute Unbekannter (oder eine Unbekannte), vermutlich im 12. Jahrhundert. In wenigen Zeilen nur erzählt das Gedicht von großer Nähe und Intimität - und der versunkenen, großen Schönheit des Mittelhochdeutschen. Und Nähe, Intimität - und (beklagenswerterweise) versunkene Schönheit - das bringt mich zu Tom Fords Bois Marocain.
Unternimmt man den Versuch, Parfums ganz grundsätzlich in zwei Gruppen zu unterteilen, so sind da zum einen die, ich nenne sie mal: 'Rampensäue' - Düfte, die ein Statement in sich tragen, die für sich und ihren Träger Publikum und eine Bühne fordern, die - ganz generell gesprochen - Aufmerksamkeit verlangen und dafür (zumeist) auch etwas anzubieten haben. Auf der anderen Seite sind da die eher stillen Vertreter - zumeist hautnah und eher leise konzipiert - Düfte eben, die ihren Träger zu einem privaten Dialog einladen, die in Zurückgezogenheit erlebt zu werden erschaffen wurden. Beides kann herrlich sein.
Tom Fords Düfte - egal, ob Signature oder Private Blends - gehören meistens eher in die erste Kategorie (Tuscan Leather! Noir de Noir!), wenngleich es einige unter ihnen gibt, die durchaus körpernah arrangiert sind - Tobacco Vanille z.B. oder Santal Blush und die Jardin Noir-Serie.
Bois Marocain lässt sich schwer einordnen in dieses vielleicht zu simple Schema. Er ist bei weitem zu charakterfest und olfaktorisch dicht, um als leise oder gar still gelten zu können. Doch wohnen ihm eine Intimität und eine Verletzbarkeit inne, die bemerkenswert sind für ein Parfum. Sein zentrales Thema - der Name verrät es - ist der Wald, sind die Säfte bittersüßer Hölzer, und diesem Thema folgt er auch. Doch folgt er ihm mit einer Zärtlichkeit und Weichheit - kaum zu verorten zwischen lustvollem Drängen und sanftem Empfangen - die ihm Körpernähe, ja Intimität verleihen und eine Tiefe, die hinausgeht über die köstlichen Aromen edler Bäume. Er ist das Blut des Waldes, das Destillat seines Herzens, schwebt so gleichsam zwischen weicher Honigsüße (angedeutet in Thuja, Zeder und Zypresse) und einem fast moschusfeuchten Hautakkord, zwischen der Sprödigkeit und samtenen Rauheit dunklen Pfeffers und der hintergründigen Bitterkeit verbrannter, nein: versengter Kräuter. Wunderschön.
Fazit: vorbei. Bois Marocain gehört zu jenen Private Blends, die Tom Ford hat gehen lassen. Vielleicht gab es letztlich doch keinen Platz für ihn neben Dramakönigen wie eben Tuscan Leather oder auch Oud Wood. Vielleicht fordert er zu viel Nähe, zu viel Ruhe, ist er zu sehr ein Duft für stille Augenblicke allein in einem Sessel, die Nase versonnen in der Armbeuge versunken - wenn da einen Moment lang nichts anderes ist als dieser Duft: 'verlorn ist das slüzzelin'
des solt dû gewis sîn
dû bist beslozzen
in mînem herzen
verlorn ist das slüzzelîn
dû muost immer drinne sîn'
So dichtete ein bis heute Unbekannter (oder eine Unbekannte), vermutlich im 12. Jahrhundert. In wenigen Zeilen nur erzählt das Gedicht von großer Nähe und Intimität - und der versunkenen, großen Schönheit des Mittelhochdeutschen. Und Nähe, Intimität - und (beklagenswerterweise) versunkene Schönheit - das bringt mich zu Tom Fords Bois Marocain.
Unternimmt man den Versuch, Parfums ganz grundsätzlich in zwei Gruppen zu unterteilen, so sind da zum einen die, ich nenne sie mal: 'Rampensäue' - Düfte, die ein Statement in sich tragen, die für sich und ihren Träger Publikum und eine Bühne fordern, die - ganz generell gesprochen - Aufmerksamkeit verlangen und dafür (zumeist) auch etwas anzubieten haben. Auf der anderen Seite sind da die eher stillen Vertreter - zumeist hautnah und eher leise konzipiert - Düfte eben, die ihren Träger zu einem privaten Dialog einladen, die in Zurückgezogenheit erlebt zu werden erschaffen wurden. Beides kann herrlich sein.
Tom Fords Düfte - egal, ob Signature oder Private Blends - gehören meistens eher in die erste Kategorie (Tuscan Leather! Noir de Noir!), wenngleich es einige unter ihnen gibt, die durchaus körpernah arrangiert sind - Tobacco Vanille z.B. oder Santal Blush und die Jardin Noir-Serie.
Bois Marocain lässt sich schwer einordnen in dieses vielleicht zu simple Schema. Er ist bei weitem zu charakterfest und olfaktorisch dicht, um als leise oder gar still gelten zu können. Doch wohnen ihm eine Intimität und eine Verletzbarkeit inne, die bemerkenswert sind für ein Parfum. Sein zentrales Thema - der Name verrät es - ist der Wald, sind die Säfte bittersüßer Hölzer, und diesem Thema folgt er auch. Doch folgt er ihm mit einer Zärtlichkeit und Weichheit - kaum zu verorten zwischen lustvollem Drängen und sanftem Empfangen - die ihm Körpernähe, ja Intimität verleihen und eine Tiefe, die hinausgeht über die köstlichen Aromen edler Bäume. Er ist das Blut des Waldes, das Destillat seines Herzens, schwebt so gleichsam zwischen weicher Honigsüße (angedeutet in Thuja, Zeder und Zypresse) und einem fast moschusfeuchten Hautakkord, zwischen der Sprödigkeit und samtenen Rauheit dunklen Pfeffers und der hintergründigen Bitterkeit verbrannter, nein: versengter Kräuter. Wunderschön.
Fazit: vorbei. Bois Marocain gehört zu jenen Private Blends, die Tom Ford hat gehen lassen. Vielleicht gab es letztlich doch keinen Platz für ihn neben Dramakönigen wie eben Tuscan Leather oder auch Oud Wood. Vielleicht fordert er zu viel Nähe, zu viel Ruhe, ist er zu sehr ein Duft für stille Augenblicke allein in einem Sessel, die Nase versonnen in der Armbeuge versunken - wenn da einen Moment lang nichts anderes ist als dieser Duft: 'verlorn ist das slüzzelin'
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