Mokka
Mokkas Blog
vor 8 Jahren - 27.06.2017
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Ziele, Visionen und Cellulite

"Du musst doch Ziele haben." meint der Trainer zu mir und faselte weiter von Soll und Haben auf meinem Gesundheitskonto. Während er seinen Vortrag hält, schaue ich runter auf meine Oberschenkel und nehme mir vor, über meine Ziele nachzudenken, während ich meine Kilometer auf dem Laufband hinter mich bringe. Welche Wünsche habe ich an meinen Körper – jetzt mit über 50 und will ich meine Kondition wirklich noch steigern, sofern überhaupt möglich? Worüber freut man sich als ältere Frau neben dem Wunsch, die eigenen Zähne so lange wie möglich zu behalten?
Okay, über cellulitefreie Oberschenkel wohl auch noch und über fehlende Rückenschmerzen und ausbleibende Hitzewallungen.

Welche Ziele habe ich heute? Also ganz konkret und umsetzbar.
Träume sind Schäume, hieß es immer.
Aber, ist Träumen nicht auch gesund?

Welche Visionen hatte ich – damals. Wovon träumte ich, wo wollte ich hin?

Als Teenager wollte ich schön sein und toll, schlank, begehrt und attraktiv. Lange Haare wollte ich auch. Ich träumte davon, dass mich Marc Bolan küsst. Später hat mich dann Robert Plant mal auf die Wange geküsst, aber damals wusste ich noch nicht, welche Aufregungen das Leben für mich noch bereithalten wird.
Und ich wäre so gern Modezeichnerin geworden, wusste aber nicht, wie.

Kinder wollte ich haben, mehrere sogar. So eine richtige Familie mit Mama, Papa und Nachwuchs. Mein Leben sollte voller Liebe sein. Lieben wollte ich, geliebt werden und alle meine Kinder wollte ich lieben.
Saxophon wollte ich spielen lernen, Klavier sowieso. Ach, wenn meine Eltern doch einen Sinn dafür gehabt hätten.

Tiere mochte ich nicht so. Pferde haben mich als Kind getreten und einmal hat mich ein Hund sogar gebissen.
Heute habe ich nicht so viele Kinder, dafür aber Tiere. Genau genommen Katzen, die ich früher immer uninteressant fand. Gelegentlich sogar doof.
In unserer WG damals hatte Jörg eine Katze. Die hat mal auf mein Bett geschissen und das hat mein Verhältnis zu diesen Geschöpfen nicht sonderlich verbessert. Auch José aus Chile hatte eine Katze. Er wohnte auf unserem Wohngelände weiter unten im Haus ganz links. Direkt davor hatte Fritz seinen Wohnwagen gestellt, in dem er mit seinem Sohn lebte. Er müsste jetzt so an die 70 sein.
Aber ich schweife ab ….

Welche Visionen hatte ich noch? Politik hatte mich damals sehr interessiert. Damals, als wir quasi gegen alles waren – erst einmal. Dann wollten wir alles neu, alles anders und alles besser machen als die Altvorderen.
Ja, Politik wäre was gewesen und Bildung. Viel Bildung. Ich hielt mich nicht für klug genug, unwissend und traute mich also nicht, hielt aber Augen und Ohren geöffnet.
Und ich wollte wissen, wie Liebe geht.

Mit dem Saxophon wurde es dann nichts, dafür lernte ich Trommeln. Damit konnte ich mir den Wunsch erfüllen, am Strand bei Sonnenuntergang gemeinsam mit anderen Musik zu machen, mit Sand in den Haaren, der Kippe im Mundwinkel und ganz viel Lust auf mehr. Diese Erfahrung und diese Intensität waren neu für mich.

Ebenso die Liebe zur Malerei. Ich entdeckte mein Talent neu, meine Kreativität füllte meine Tage und ich hatte dann ganz konkret das Ziel, in einem Haus zu leben. In einem alten Haus mit einem Wintergarten und endlos viel Licht, mit Rattanmöbeln und Pflanzen; dorthin wollte ich meine Staffelei stellen, meine Farben, die Pinsel und dann wollte ich nur noch malen und lernen.
Und lieben.


In die schönsten Museen musste ich reisen, meine Lieblingsbilder betrachten, zeitverrückt genießen und staunen. Paris, Amsterdam, Hamburg, Düsseldorf und überall.

Dann entdeckte ich eine kleine spanische Insel für mich und wollte die Menschen dort verstehen, mit ihnen sprechen. Also lernte ich ihre Sprache und hatte die Vision, vielleicht dort mit meiner Malerei zu leben. Wenigstens eine Zeitlang.

Also, zurück zur Frage:
Hatte ich genug Ziele vor Augen, habe ich meine Ziele erreicht? Wie viele Ziele habe ich verworfen, weil mir auf dem Weg viel Wesentlicheres begegnet ist und ich meinen Blick in eine andere Richtung gelenkt habe.
Welche Projekte gibt es noch?
Was blieb und bleibt unerfüllt?
Welche Spannung fehlt noch...
Heute. Jetzt. Hier.

Ich taste mein Leben ab und stoße auf Unaufgeregtheit.
Unspektakulär, ruhig und rund. Keine großen Ziele erscheinen auf meinem inneren Monitor. Macht es mich unruhig?

Nein, es bleibt eine angenehme Unaufgeregtheit mit der Freude auf das noch Machbare, Faszinierende neben all der liebgewordenen Banalität des Alltags.
Was damals fehlte, ist heute da. Und sogar lange Zeit Unvorstellbares: Kinder der Kinder. Enkelmonster in niedlich.
Ziel erreicht.



Es bleibt der Wunsch für dich und dich und dich da auch:
Gesundheit, Glück + Gelassenheit.

Lasst uns anstoßen.

30 Antworten
StanzeStanze vor 7 Jahren
Ja, über Zähne die noch etwas bleiben mögen, möglichst glatte Oberschenkel und keine Hitzewallungen. Und das kann man alles nur bedingt durch Fitnesscenter wegkurieren. Die Oberschenkel noch am ehesten, aber ich glaube, irgendwann holt einen die Zeit ohnehin ein. Die Hitzewallungen gehen wohl irgendwann von selbst weg. Da warte ich voller Hoffnung drauf. Aber das sind ja nicht meine Ziele. Ich habe keine. Überleben ist gut. Nicht aufregen, weil es sowieso nichts nützt, ist gut. LG vom stanz
Heidefee1961Heidefee1961 vor 7 Jahren
Liebste Mokka,
da bin ich mal kurz hier, nach langer Zeit, auf der Suche nach Deinem neuesten Foto von heute. Du und die Hummeln. Und nun diese in Worte gefasste Zeitreise aus dem letzten Jahr und immer noch so aktuell. Wie schon so oft, wunderbar treffend formuliert und so ...unaufgeregt. :-)
ExUserExUser vor 8 Jahren
Gesundheit, Glück+Gelassenheit.....u. die Erkenntnis, das man das Leben vorwärts leben muss um es rückwärts zu verstehen.
Spät entdeckt u. mit viel Freude u. Wiedererkennung gelesen.
NuageNuage vor 8 Jahren
Liebe Mokka, davon unterschreibe ich ganz vieles.....besonders die Freude auf das noch Machbare. Ich bin gerade dabei, meinem Leben nochmal eine neue und andere Richtung zu geben, spannend. Nur auf die Enkelmonster, da warte ich noch...meine Söhne sind da im Gegensatz zu mir, eher langsam ;-).
So schön, vielen Dank.
PlutoPluto vor 8 Jahren
Spät, aber nicht zu spät entdeckt. Danke fürs Teilen dieser Gedanken, dein Blog berührt mich.
Puck1Puck1 vor 8 Jahren
Manchmal ist da aus unerfindlichen Gründen sehr viel Sympathie. So nach und nach erschließt sich mir, warum.
UennikatzeUennikatze vor 8 Jahren
Wow! Von Gänsehaut bis Pipi in den Augen, vom laut losprusten bis zum schelmischen grinsen, es war alles bei mir dabei!! Ich danke dir für die tollen und ehrlichen Zeilen....Regt zum nachdenken an ;-)
Can777Can777 vor 8 Jahren
Wenn ich nicht wüsste dass Du Rosen hasst,würde ich Dir jetzt einen Strauß schenken. Das war wundervoll!
Butterfly89Butterfly89 vor 8 Jahren
Sehr rührend geschrieben. Toller Stil, gefällt mir. Ich hatte auch ein paar so ähnliche Träume wie du, nur mochte ich schon immer Tiere! :)
Zauber600Zauber600 vor 8 Jahren
So isses .. danke fürs teilen!
-Knuddler-
ChaiTeeChaiTee vor 8 Jahren
Eine angenehme Unaufgeregtheit. Und Dankbarkeit.
SeejungfrauSeejungfrau vor 8 Jahren
So schön,dein Blog liebe Mocca :-) Sieh es mal so_Marc Bolan spielt schon lange Luftgitarre(im Himmel)und Plant ;-) ist noch viel älter als wir.Die Dellen sind nicht mehr wichtig und kleine Wünsche erfüllt man sich selbst.Vielleicht sollte man mal "Wish come true" tragen und sehen was da noch so passiert...
Gute Wünsche für dich...und dich...
JumiJumi vor 8 Jahren
Einfach wunderschön. Anstatt allem Goldsand nachzuweinen, der durch das Sieb der Zeit an uns "vorbei fliesst", sollte man die Goldbrocken im Sieb schätzen. Danke für diesen Blog!
MokkaMokka vor 8 Jahren
@All: danke für eure Kommentare dazu! :-) // @Ohdeberlin: Düfte sind Genuss, Leidenschaft und die kleinen und wunderbaren Abenteuer im Leben.
MokkaMokka vor 8 Jahren
JoHannes, bist du nicht Radfahrer? :-)))
JoHannesJoHannes vor 8 Jahren
Meine Chefin hat mir heute aus gegebenem Anlass einfach so eine Schachtel mit 4 Vitasprint auf den Schreibtisch gestellt und einen Zettel drangehängt: "Wer sich verfährt, erlebt mehr!" (Unbekannt) ... wow!
StrehliwoodStrehliwood vor 8 Jahren
"Mutti sagt immer: Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt." (Forrest Gump)
StrehliwoodStrehliwood vor 8 Jahren
"Nichts ist so schlecht, dass es nicht für irgendwas gut ist." Irgendwie hat alles seine Zeit - und es reift die wohltuende Erkenntnis, dass der Weg ein erfülltes Ziel sein kann. Was nützt es, von einem hochgesteckten Ziel zum nächsten zu hechten und dabei den Weg nicht zu genießen. Am Ende manch eines hastig erreichten Ziels wartet zudem oft nur eines - Ernüchterung. 3xOmmm (Seinen Gedanken in dieser schönen Form Ausdruck zu verleihen, ist auch eine tolle Gabe!)
GschpusiGschpusi vor 8 Jahren
Ich drück Dich - das hat mir sehr gut getan - vielen Dank!
Julia142Julia142 vor 8 Jahren
wunderschön geschrieben und macht sehr nachdenklich....
KylesaKylesa vor 8 Jahren
Sehr gerne gelesen und wunderbar geschrieben!
Das Leben leben und genießen im jetzt und hier. So hat oder hatte jeder seine Wünsche und Ziele ....
Was daraus wird, weiß man erst, wenn es soweit ist.
:-)
DanehDaneh vor 8 Jahren
na, da hast Du alles richtig gemacht :)
Katzen sollen ja auch glücklich machen.
PreciousPrecious vor 8 Jahren
Super Text - sehr gern gelesen. Das Leben lehrt Bescheidenheit. Auf dein und unser aller Wohl!
MantusMantus vor 8 Jahren
Ein sehr schöner Blog, mit der Gelassenheit hast du wahrlich Recht, dass werde ich noch etwas mehr verinnerlichen müssen :-)
OhdeberlinOhdeberlin vor 8 Jahren
Gerne gelesen. Mache mir nur ein bisschen Sorgen ... einfach so nach Lust und Laune Düfte geniessen kam jetzt nicht so direkt im Text vor .... ;-)
JoHannesJoHannes vor 8 Jahren
... und seine "Dellen" integriert! ;-)
JoHannesJoHannes vor 8 Jahren
Der schönste Augenblick im Leben ist, wenn man verinnerlicht hat, dass man nichts mehr muss sondern entspannt machen darf ...
ElmarElmar vor 8 Jahren
Schön geschrieben! Neben den "Basiswünschen" Gesundheit und Frieden auf diesem Planeten, die vielleicht jeder hat, freue ich mich am meisten über die von Dir erwähnte "angenehme Unaufgeregtheit" . . . die ich bei mir mit steigendem Alter feststellen darf. ;-)
MokkaMokka vor 8 Jahren
JoHannes, diese Geschichte ist nun ein paar Jahre alt, also vor den Enkeln. Die große Zufriedenheit ist mir sehr wichtig (es war ja nicht immer so) und ich stelle fest, dass es nie ganz aufhört mit den Wünschen. Einige schieben sich doch noch auf den Schirm, aber wie du sagst, nicht mehr ganz so wichtig.
JoHannesJoHannes vor 8 Jahren
"Und lieben ...". Schön, wertvoll, danke! Mehr geht eh nicht. Und die Erkenntnis, dass das Leben manchmal so ist und manchmal so - und dass das gut ist! Meine Erfahrung: mit dem zunehmenden Alter traue ich mich, mir meine wirklichen Wünsche zu erfüllen und Ziele zu erreichen. Dss ist zwar alles nicht mehr so wichtig - aber doch ausfüllend. "Und lieben ...". ;-)

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