21.03.2017 - 15:48 Uhr
loewenherz
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loewenherz
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27
Alles ist Eins
Hier ist nun einer, der mich kurz innehalten und nach passenden Worten suchen lässt (und ich suche nicht oft nach Worten). Les Quatre Saisons - L'Automne ist der letzte der vier Jahreszeitendüfte aus der Feder Thierry Wassers, den ich hier kommentiere. Und der schönste ist er - nur um Haaresbreite zwar, vor L'Hiver, dem Winter - aber doch: der schönste. Und ein kleines Wunder. Und weil ich noch immer nach Worten suche, will ich statt meiner die Rilkes bemühen, der einmal über die Liebe schrieb:
'Einmal, am Rande des Hains,
stehen wir einsam beisammen
und sind festlich - wie Flammen,
fühlen: alles ist Eins.
Halten uns fest umfasst,
werden im lauschenden Lande
durch die weichen Gewande
wachsen wie Ast an Ast.'
L'Automne, der Herbst. Sein Kristallflakon ist wie die anderen handgemacht von Baccarat, jeder einzelne von ihnen aufwändig verziert mit über hundert einzeln zurechtgeschnittenen, winzigen Federn. Zweiundzwanzig von diesen Flakons hat die brasilianische Künstlerin Janaïna Milheiro nur gemacht - immerhin einen mehr als für die anderen drei Jahreszeiten, ob das ein geheimes Zeichen ist? - zu kaufen ausschließlich bei Guerlain in Paris für surreale 16.000 Euro. 500 ml sind darin - dichter, feinnerviger Extrait de Parfum, wie die anderen drei Jahreszeiten auch.
'Wiegt ein erwachender Hauch
die Dolden des Oleanders.
Sieh, wir sind nicht mehr anders.
Und wir wiegen uns auch.
'Meine Seele spürt,
dass wir am Tore tasten.
Und sie fragt dich im Rasten:
hast Du mich hergeführt?'
Und jeder einzelne dieser 500 ml ist ein Sinnenfest - eines, mit dem Monsieur Wasser - wiederum wie bei L'Hiver - seine ganze Meisterschaft zeigt und beweist - weit jenseits der rosafarbenen Mädchensüße und buttrigen Gourmandisen, mit denen man ihn - nicht ganz zu Unrecht - sonst gemeinhin in Verbindung bringt. Hier ist ein Duft voll gebrochener und spröder Zärtlichkeit, voll blassgoldener Novembersonne hinter pudrigfein schwebendem Morgendunst. Hier sind Anklänge von warmem Stroh und frischem Brot, von trockenem Blattwerk und von dunkler, guter Erde und die Ahnung eines fernen Feuers. Hier sind Versehrtheit und Erinnerung, sind herbe Schönheit und kontemplative Ruhe, sind bittere Süße und verwaschen sepiafarbener Abendfrieden. Hier ist ein Ankommen nach ganz langer Suche, ein fast nicht mehr erwartetes Ausatmen am Ende eines endlosen Tages. Hier ist ein ganz, ganz großer Duft. Einen Nachmittag lang habe ich ihn getragen. Es war wunderbar.
Fazit, in Rilkes letzten beiden Strophen über die Liebe, über jenes Ausatmen und Ankommen nach langer Suche:
'Und Du lächelst darauf
so herrlich und heiter.
Und: bald wandern wir weiter.
Tore gehen auf...
Und wir sind nicht mehr zag,
unser Weg wird kein Weh sein,
wird eine lange Allee sein
aus dem vergangenen Tag.'
'Einmal, am Rande des Hains,
stehen wir einsam beisammen
und sind festlich - wie Flammen,
fühlen: alles ist Eins.
Halten uns fest umfasst,
werden im lauschenden Lande
durch die weichen Gewande
wachsen wie Ast an Ast.'
L'Automne, der Herbst. Sein Kristallflakon ist wie die anderen handgemacht von Baccarat, jeder einzelne von ihnen aufwändig verziert mit über hundert einzeln zurechtgeschnittenen, winzigen Federn. Zweiundzwanzig von diesen Flakons hat die brasilianische Künstlerin Janaïna Milheiro nur gemacht - immerhin einen mehr als für die anderen drei Jahreszeiten, ob das ein geheimes Zeichen ist? - zu kaufen ausschließlich bei Guerlain in Paris für surreale 16.000 Euro. 500 ml sind darin - dichter, feinnerviger Extrait de Parfum, wie die anderen drei Jahreszeiten auch.
'Wiegt ein erwachender Hauch
die Dolden des Oleanders.
Sieh, wir sind nicht mehr anders.
Und wir wiegen uns auch.
'Meine Seele spürt,
dass wir am Tore tasten.
Und sie fragt dich im Rasten:
hast Du mich hergeführt?'
Und jeder einzelne dieser 500 ml ist ein Sinnenfest - eines, mit dem Monsieur Wasser - wiederum wie bei L'Hiver - seine ganze Meisterschaft zeigt und beweist - weit jenseits der rosafarbenen Mädchensüße und buttrigen Gourmandisen, mit denen man ihn - nicht ganz zu Unrecht - sonst gemeinhin in Verbindung bringt. Hier ist ein Duft voll gebrochener und spröder Zärtlichkeit, voll blassgoldener Novembersonne hinter pudrigfein schwebendem Morgendunst. Hier sind Anklänge von warmem Stroh und frischem Brot, von trockenem Blattwerk und von dunkler, guter Erde und die Ahnung eines fernen Feuers. Hier sind Versehrtheit und Erinnerung, sind herbe Schönheit und kontemplative Ruhe, sind bittere Süße und verwaschen sepiafarbener Abendfrieden. Hier ist ein Ankommen nach ganz langer Suche, ein fast nicht mehr erwartetes Ausatmen am Ende eines endlosen Tages. Hier ist ein ganz, ganz großer Duft. Einen Nachmittag lang habe ich ihn getragen. Es war wunderbar.
Fazit, in Rilkes letzten beiden Strophen über die Liebe, über jenes Ausatmen und Ankommen nach langer Suche:
'Und Du lächelst darauf
so herrlich und heiter.
Und: bald wandern wir weiter.
Tore gehen auf...
Und wir sind nicht mehr zag,
unser Weg wird kein Weh sein,
wird eine lange Allee sein
aus dem vergangenen Tag.'
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