24.08.2019 - 12:05 Uhr
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Sittin' on the dock of the bay...
Gestern war ich in der Elbphilharmonie. Und seit gestern ist mir klar: Der Heeley bleibt! Er ist ein Immergeher, wenn auch in einem etwas anderen Sinn. Aber dazu bedarf es der gesamten Geschichte.
Also, ich fange mal ganz am Anfang an: Ich bin kein Hippie und ich kenne auch überhaupt keine echten Hippies. Ich bin zu jung dazu und auch auf dem falschen Kontinent aufgewachsen. Ich bin aufgewachsen in einem melting pot von sowohl Punks als auch Hippie-Reminiszenten. Wenn man so will. Und ich hatte Sympathien für beide Seiten. Ich mochte damals Patchouli. Rose war weniger häufig anzutreffen. Aber auch den teils sehr unterschiedlichen Duft verschiedener Rosen in Gärten mochte ich.
Auch in Bezug auf Musik trage ich gewissermaßen den melting pot meiner Geschichte in mir. Ich bin aufgewachsen mit klassischer Musik, dazu kamen dann die Flower-Power-Musik, Punk, Neue Deutsche Welle und Progressive Rock. Später Techno und Rap. Man könnte denken, es fehle mir an klarer Positionierung, aber das wäre ein Irrtum. Mein Geschmack ist vielseitig, breit gestreut, aber keinesfalls wahllos. Es gibt in jedem dieser Genres Gruppen, Komponisten und Stücke, die mir nicht gefallen. Um mich zu begeistern, ist im Wesentlichen zweierlei wichtig:
Erstens muss irgendetwas drin sein, das ich als außergewöhnlich empfinde. Das kann etwas eher Interessantes sein oder etwas außergewöhnlich schön Klingendes.
Zweitens bedarf es für mich einer inneren Nachverfolgbarkeit. Damit meine ich, dass sich bei mir ein Gefühl von Sinn einstellen muss.
Beides ist natürlich hochgradig subjektiv.
So ähnlich ist es auch mit Parfum. Bei Parfum ist jedoch der Schönheitsfaktor noch etwas wichtiger für mich und bei Parfum bin ich zudem weitaus wählerischer.
Nun zu gestern Abend. Das Konzert des Aarhus Symfoniorkester & Bell Orchestre in der Elbphilharmonie. Ich war das erste Mal überhaupt dort im großen Saal. Welchen Duft sollte ich tragen? Eher zufällig wurde es Hippie Rose. Ich hatte den Duft bereits tagsüber getragen, da ich ihn von Gschpusi in einem Tausch bekommen hatte, ihn testen wollte, und ich kam plötzlich in Zeitnot. Also nicht mehr geduscht, schnell in die schwarze Marlenehose, eine weiß- und cremefarbene Bluse mit im Aquarellstil angedeuteten rosa Rosen übergeworfen, eine sehr dünne, schwarze Kurzlederjacke mit Kapuze dazu, falls es auf dem Rückweg kühl sein sollte, in die Stiefeletten und dann los. Parfum? Ah, Hippie Rose, schnell nochmal nachsprühen. Ja, der Auftakt ist schon ganz schön bissig, etwas säuerlich scharf, grob und heftig. Ich weiß schon, warum ich zweifele, ihn zu behalten. Dann stelle ich fest: Handy vergessen. Zu spät umzukehren. Shit!
Als ich an der Station Baumwall aus der U-Bahn steige, höre ich Musik: Eine seltsame Version von Sittin' on the dock of the bay, gespielt von einem Straßenmusikanten. Das Stück habe ich ewig nicht gehört, eigentlich ist es ganz schön, wenn auch nicht in dieser Version. Aber irgendwie passt es auch, immerhin befinden wir uns am Wasser, wirklich am Dock, und ich trage Hippie Rose, das in die Zeit des Songs passt. Nun dufte ich wirklich nach Rose und einem leichten, freundlichen Patchouli, was Erinnerungen an eine andere Lebensphase aufkommen lässt. Ich fühle mich irgendwie wieder wie 14.
In der Elbphilharmonie dann Treppen über Treppen über Treppen. Der Platz in der vorletzten Reihe oben. Etage 16.
Kaum angekommen geht es schon los. Ich schwitze vom Treppensteigen. Feuervogel von Strawinsky. Kannte ich mit 14 auch schon. Ich komme langsam runter. Vollkommene Stille im Saal. Es beginnt zart und leicht wie aus einer Zauberwelt. Ich tauche ein. Nie habe ich eine so gefühlvolle, sensibel austarierte, transparente und dabei intensive Version von diesem Werk gehört. Es ist das Orchester, der Dirigent, die so großartig sind, aber auch die Akustik der Elbphilharmonie. Offensichtlich stimmt es: Dieser Saal ist ein akustisches Meisterwerk. Meine Lederjacke duftet leicht nach Leder. Ach, nein, es ist gar nicht die Jacke, es ist Hippie Rose. Schön! Ich genieße weiter.
Schon nach 20 Minuten gibt es eine Pause. Sonnenuntergang auf Etage 16. Blick über die fünf Hauptkirchen Hamburgs, die Ruine der alten Nicolaikirche, das Rathaus und den Fernsehturm. Klarer Himmel. Handy vergessen. Kein Foto. Manche Bilder muss man im Kopf abspeichern. Es klingelt mehrfach. Nun kommt Avantgardistisches: House-Musik arrangiert für Symphonieorchester.
Meine Lederjacken-Patchouli-Rose fühlt sich jetzt nicht mehr wie 14 an, eher wie 30. Weiterhin großartig! Schade, dass man auf den Sitzen nicht tanzen kann. Zwei Musiker vom Bell Orchestre tun es ansatzweise - während sie spielen.
Als es zuende ist, ist es dunkel draußen. Der Blick aus Etage 16 ein Scherenschnitt. Treppen über Treppen über Treppen hinab. Dann auf die Straße und - der Straßenmusiker spielt immer noch. Ich muss lachen. Es ist wieder Sittin' on the dock of the bay. Ich rieche immer noch nach wundervoll fein austarierter Rose auf feinstem Patchouli und Leder mit etwas Moschus. Wieder bin ich 14.
Der Heeley bleibt.
Also, ich fange mal ganz am Anfang an: Ich bin kein Hippie und ich kenne auch überhaupt keine echten Hippies. Ich bin zu jung dazu und auch auf dem falschen Kontinent aufgewachsen. Ich bin aufgewachsen in einem melting pot von sowohl Punks als auch Hippie-Reminiszenten. Wenn man so will. Und ich hatte Sympathien für beide Seiten. Ich mochte damals Patchouli. Rose war weniger häufig anzutreffen. Aber auch den teils sehr unterschiedlichen Duft verschiedener Rosen in Gärten mochte ich.
Auch in Bezug auf Musik trage ich gewissermaßen den melting pot meiner Geschichte in mir. Ich bin aufgewachsen mit klassischer Musik, dazu kamen dann die Flower-Power-Musik, Punk, Neue Deutsche Welle und Progressive Rock. Später Techno und Rap. Man könnte denken, es fehle mir an klarer Positionierung, aber das wäre ein Irrtum. Mein Geschmack ist vielseitig, breit gestreut, aber keinesfalls wahllos. Es gibt in jedem dieser Genres Gruppen, Komponisten und Stücke, die mir nicht gefallen. Um mich zu begeistern, ist im Wesentlichen zweierlei wichtig:
Erstens muss irgendetwas drin sein, das ich als außergewöhnlich empfinde. Das kann etwas eher Interessantes sein oder etwas außergewöhnlich schön Klingendes.
Zweitens bedarf es für mich einer inneren Nachverfolgbarkeit. Damit meine ich, dass sich bei mir ein Gefühl von Sinn einstellen muss.
Beides ist natürlich hochgradig subjektiv.
So ähnlich ist es auch mit Parfum. Bei Parfum ist jedoch der Schönheitsfaktor noch etwas wichtiger für mich und bei Parfum bin ich zudem weitaus wählerischer.
Nun zu gestern Abend. Das Konzert des Aarhus Symfoniorkester & Bell Orchestre in der Elbphilharmonie. Ich war das erste Mal überhaupt dort im großen Saal. Welchen Duft sollte ich tragen? Eher zufällig wurde es Hippie Rose. Ich hatte den Duft bereits tagsüber getragen, da ich ihn von Gschpusi in einem Tausch bekommen hatte, ihn testen wollte, und ich kam plötzlich in Zeitnot. Also nicht mehr geduscht, schnell in die schwarze Marlenehose, eine weiß- und cremefarbene Bluse mit im Aquarellstil angedeuteten rosa Rosen übergeworfen, eine sehr dünne, schwarze Kurzlederjacke mit Kapuze dazu, falls es auf dem Rückweg kühl sein sollte, in die Stiefeletten und dann los. Parfum? Ah, Hippie Rose, schnell nochmal nachsprühen. Ja, der Auftakt ist schon ganz schön bissig, etwas säuerlich scharf, grob und heftig. Ich weiß schon, warum ich zweifele, ihn zu behalten. Dann stelle ich fest: Handy vergessen. Zu spät umzukehren. Shit!
Als ich an der Station Baumwall aus der U-Bahn steige, höre ich Musik: Eine seltsame Version von Sittin' on the dock of the bay, gespielt von einem Straßenmusikanten. Das Stück habe ich ewig nicht gehört, eigentlich ist es ganz schön, wenn auch nicht in dieser Version. Aber irgendwie passt es auch, immerhin befinden wir uns am Wasser, wirklich am Dock, und ich trage Hippie Rose, das in die Zeit des Songs passt. Nun dufte ich wirklich nach Rose und einem leichten, freundlichen Patchouli, was Erinnerungen an eine andere Lebensphase aufkommen lässt. Ich fühle mich irgendwie wieder wie 14.
In der Elbphilharmonie dann Treppen über Treppen über Treppen. Der Platz in der vorletzten Reihe oben. Etage 16.
Kaum angekommen geht es schon los. Ich schwitze vom Treppensteigen. Feuervogel von Strawinsky. Kannte ich mit 14 auch schon. Ich komme langsam runter. Vollkommene Stille im Saal. Es beginnt zart und leicht wie aus einer Zauberwelt. Ich tauche ein. Nie habe ich eine so gefühlvolle, sensibel austarierte, transparente und dabei intensive Version von diesem Werk gehört. Es ist das Orchester, der Dirigent, die so großartig sind, aber auch die Akustik der Elbphilharmonie. Offensichtlich stimmt es: Dieser Saal ist ein akustisches Meisterwerk. Meine Lederjacke duftet leicht nach Leder. Ach, nein, es ist gar nicht die Jacke, es ist Hippie Rose. Schön! Ich genieße weiter.
Schon nach 20 Minuten gibt es eine Pause. Sonnenuntergang auf Etage 16. Blick über die fünf Hauptkirchen Hamburgs, die Ruine der alten Nicolaikirche, das Rathaus und den Fernsehturm. Klarer Himmel. Handy vergessen. Kein Foto. Manche Bilder muss man im Kopf abspeichern. Es klingelt mehrfach. Nun kommt Avantgardistisches: House-Musik arrangiert für Symphonieorchester.
Meine Lederjacken-Patchouli-Rose fühlt sich jetzt nicht mehr wie 14 an, eher wie 30. Weiterhin großartig! Schade, dass man auf den Sitzen nicht tanzen kann. Zwei Musiker vom Bell Orchestre tun es ansatzweise - während sie spielen.
Als es zuende ist, ist es dunkel draußen. Der Blick aus Etage 16 ein Scherenschnitt. Treppen über Treppen über Treppen hinab. Dann auf die Straße und - der Straßenmusiker spielt immer noch. Ich muss lachen. Es ist wieder Sittin' on the dock of the bay. Ich rieche immer noch nach wundervoll fein austarierter Rose auf feinstem Patchouli und Leder mit etwas Moschus. Wieder bin ich 14.
Der Heeley bleibt.
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