29.06.2017 - 15:18 Uhr
Meggi
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Meggi
Kritik Top Rezension
30
Strippenzieher
Bevor ich richtig hingerochen habe, ist das Auftakt-Veilchen schon wieder weg. Kein Wunder, vor einer geballten Ladung Zimt nimmt etwas, das laut Poesie-Album „bescheiden, sittsam und rein“ ist, lieber Reißaus. Der Zimt ist unsüß, schroff, abweisend, kratzig, vermutlich gestützt von Patchouli-Rauheit. Letztere bietet dann auch den ersten Ansatz von Leder. Heraus kommt zimtiges Leder, sehr lustig.
Nur Geduld. Irgendwann fällt dem Veilchen natürlich auf, dass dieser Klassiker der Poesie-Alben-Dichtkunst in botanischer wie soziologischer Hinsicht ziemlicher Blödsinn ist. Aber so weit ist es noch nicht. Abwarten.
Von der versprochenen Bergamotte bemerke ich nichts, jedenfalls nichts Fruchtiges. Mag sein, dass sie ihre Raspel hervorholt und den Duft weiter aufraut. Nötig war das nicht, vergessen wir es. Stattdessen: Weißdorn? Zweifellos was Bitteres. Lorbeer wurde genannt. Passt. Allerdings ins Untypische gedreht durch den Beitrag des Zimts, der beinahe als scharf bezeichnet werden kann. Im Fond ist bereits Birkenteer zu spüren. Das ist der zweite Gruß von Leder – aus der rauchig-teerigen Ecke. Die Rose mag mit Ansage nachvollziehbar sein, doch im Grunde muss ich sie mir einbilden.
Nach ungefähr einer halben Stunde entsinnt sich das Veilchen, dass es ebenfalls einen auf Leder machen kann und schließt sich als dritte Variante an. Mithin fungiert die Leder-Idee zunächst eher als eine Art Strippenzieher, der seine eigenen und die übrigen Aromen zusammenhält. Originelles Zeug bisher. Und da geht noch was. Herber Honig. Tanne vielleicht. Was Nadelbaumiges zumindest.
Für die folgenden ein bis zwei Stunden ist eine schön stabile, ausgewogene Mischung zu riechen: Eine sanfte, regelrecht getupfte, qualitativ gleichwohl breit aufgestellte Ledernote, Zimt-Lorbeer-Würze, Honig-Süße, sacht-diffuse Veilchen-Floralität, eine Spur Rauch. Sie alle erwecken den Eindruck einer behutsam extravaganten Eleganz. Wer die Besonderheit wahrnehmen will, muss aufmerksam sein. Das ist gewissermaßen das Gegenteil der demonstrativen Spleenigkeit bei dem einen oder anderen Atkinsons-Parfüm. Mir gefällt das hier besser.
Allmählich gewinnt das Leder an Raum, bewegt sich zwischen Veilchen-Halspastillen- und Birkenteer-Leder hin und her, geerdet von einer Prise bitteren Gewürzes. Schließlich kriegt es einen Castoreum-Dreh der sich gewaschen hat – oder eben auch gerade nicht. Das Schmutzig-Animalische wird mehr als bloß gestreift, doch bleibt die Lautstärke insgesamt so dezent, dass das Ganze als Duft wie unfreiwillig sexy daherkommt. Diese Phase, bummelig in der dritten, vierten Stunde, ist die schönste: Rund-würziges Leder mit einer Portion Süße, zwar animalisch durchtrieben, aber derart offen, ehrlich und durchscheinend präsentiert, dass es wie von unschuldig-jungenhaftem Charme umflort wirkt.
Um die Mittagszeit macht der Duft langsam die Flatter. Am frühen Nachmittag ist im Prinzip Schluss, wobei der kernige Leder-Charakter sich erfreulicherweise bis zum Ende hält – wenngleich allein für den Träger und nur direkt auf der Haut. Gestützt wird er nach ganz hinten raus von einer feinen Zedern-Note.
Der zeitige Abgang ist ein bisschen schade, das extravagante Duft-Erlebnis entschädigt freilich ein gutes Stück weit für die geringe Haltbarkeit. Ein toller Duft, auf angenehm un-bemühte Weise originell. Er könnte selbst altgediente Lederduft-Kenner überraschen.
Ich bedanke mich bei Gerdi für die Probe.
Nur Geduld. Irgendwann fällt dem Veilchen natürlich auf, dass dieser Klassiker der Poesie-Alben-Dichtkunst in botanischer wie soziologischer Hinsicht ziemlicher Blödsinn ist. Aber so weit ist es noch nicht. Abwarten.
Von der versprochenen Bergamotte bemerke ich nichts, jedenfalls nichts Fruchtiges. Mag sein, dass sie ihre Raspel hervorholt und den Duft weiter aufraut. Nötig war das nicht, vergessen wir es. Stattdessen: Weißdorn? Zweifellos was Bitteres. Lorbeer wurde genannt. Passt. Allerdings ins Untypische gedreht durch den Beitrag des Zimts, der beinahe als scharf bezeichnet werden kann. Im Fond ist bereits Birkenteer zu spüren. Das ist der zweite Gruß von Leder – aus der rauchig-teerigen Ecke. Die Rose mag mit Ansage nachvollziehbar sein, doch im Grunde muss ich sie mir einbilden.
Nach ungefähr einer halben Stunde entsinnt sich das Veilchen, dass es ebenfalls einen auf Leder machen kann und schließt sich als dritte Variante an. Mithin fungiert die Leder-Idee zunächst eher als eine Art Strippenzieher, der seine eigenen und die übrigen Aromen zusammenhält. Originelles Zeug bisher. Und da geht noch was. Herber Honig. Tanne vielleicht. Was Nadelbaumiges zumindest.
Für die folgenden ein bis zwei Stunden ist eine schön stabile, ausgewogene Mischung zu riechen: Eine sanfte, regelrecht getupfte, qualitativ gleichwohl breit aufgestellte Ledernote, Zimt-Lorbeer-Würze, Honig-Süße, sacht-diffuse Veilchen-Floralität, eine Spur Rauch. Sie alle erwecken den Eindruck einer behutsam extravaganten Eleganz. Wer die Besonderheit wahrnehmen will, muss aufmerksam sein. Das ist gewissermaßen das Gegenteil der demonstrativen Spleenigkeit bei dem einen oder anderen Atkinsons-Parfüm. Mir gefällt das hier besser.
Allmählich gewinnt das Leder an Raum, bewegt sich zwischen Veilchen-Halspastillen- und Birkenteer-Leder hin und her, geerdet von einer Prise bitteren Gewürzes. Schließlich kriegt es einen Castoreum-Dreh der sich gewaschen hat – oder eben auch gerade nicht. Das Schmutzig-Animalische wird mehr als bloß gestreift, doch bleibt die Lautstärke insgesamt so dezent, dass das Ganze als Duft wie unfreiwillig sexy daherkommt. Diese Phase, bummelig in der dritten, vierten Stunde, ist die schönste: Rund-würziges Leder mit einer Portion Süße, zwar animalisch durchtrieben, aber derart offen, ehrlich und durchscheinend präsentiert, dass es wie von unschuldig-jungenhaftem Charme umflort wirkt.
Um die Mittagszeit macht der Duft langsam die Flatter. Am frühen Nachmittag ist im Prinzip Schluss, wobei der kernige Leder-Charakter sich erfreulicherweise bis zum Ende hält – wenngleich allein für den Träger und nur direkt auf der Haut. Gestützt wird er nach ganz hinten raus von einer feinen Zedern-Note.
Der zeitige Abgang ist ein bisschen schade, das extravagante Duft-Erlebnis entschädigt freilich ein gutes Stück weit für die geringe Haltbarkeit. Ein toller Duft, auf angenehm un-bemühte Weise originell. Er könnte selbst altgediente Lederduft-Kenner überraschen.
Ich bedanke mich bei Gerdi für die Probe.
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