Tabac Original Mäurer & Wirtz 1959 After Shave Lotion
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Top Rezension
Für liebenswürdige Haustyrannen
Da steht es, das geschichtsträchtige Rasierwasser. Es sollte den Wendepunkt der Pflegekultur in Deutschland schaffen, welche karg und recht übersichtlich damals 1959 erschien.
Ein schöner ambrierter Duft, warm holzig, liebkosend blumig und pudrig.
Ja, Mäurer & Wirtz reichte die Hand, nicht die geballte Faust, nach der Rasur.
Der Schüttflakon ist der ursprünglichen Linie treu geblieben, minimale Änderungen waren vonnöten. Wenn man den Deckel abschraubt, lugt eine merkwürdige Plastikkappe hervor. In deren Mitte befindet sich eine kleine Öffnung, welche behutsam die pflegende Flüssigkeit tropfenweise beim Schütten freigibt.
Eine rührende Erinnerung an enthaltsame Zeiten kargen wirtschaftlichen Aufbruchs. Auch wenn es heute vielen nicht so erscheinen mag, die D-Mark für Rasierprodukte wurde in jener Zeit doppelt umgedreht vor dem Ausgeben.
Haptisch ist die Amphore ein Genuss. Das Glas fühlt sich gut an, der Deckel angenehm schwer und bestens verarbeitet. Ein Kleinod des Schlichten.
Und wie fühlt sich das auf der Haut an?
Schütt und klatsch!
Die Aldehyde eröffnen kräftig, nehmen die Hesperiden an die Hand und befreien die Lungen.
Die gereizte Haut brennt nicht nach dem Auftragen, na ja, vielleicht ein klitzekleines bisschen. So ein mini mini Aua für Zartbesaitete.
Aber dann setzt sofort die beruhigende Eigenschaft des Wässerchens ein, als hätte man einen Mikrofilm an Aloe Vera aufgetragen.
Der Duft wird blumig und etwas später pudrig. Der Lavendel begleitet perfekt die Gartennelke und Iriswurzel in ihrem Talkum-Gehabe. Der Jasmin ist sehr angenehm, kein lautes Raubtier, eher ein Schmusekater. Schonmal echten Jasmin abends gerochen? Bitte sehr!
Das Sandelholz verdient hier Applaus, recht natürlich und abgerundet weich schafft es die Einleitung des Ambrierten. Denn der Duft färbt sich in meiner Vorstellung bernsteinfarbig.
Überhaupt ist die Basis stabil und prima austariert bis zum Schluss.
Das Moos verleiht dem Ganzen eine gewisse Nähe zu einem Chypre, zögerlicher Moschus übt sich noch in vor 1968er Sittsamkeit.
Naschkatzen werden hier leider mit leerem Magen ins Bett gehen, Vanille und Tonkabohne unterstützen nur den Amber, einen quietschgelben Pudding rühren sie nicht um. (Zum Glück!)
Die Haut fühlt sich gepflegt an, nicht trocken und schon gar nicht angespannt. Das passiert nicht häufig bei zu hohem Alkoholgehalt in After Shaves.
Haltbarkeit? Lange, sehr lange!
Sillage? Erste Stunde kräftig, danach hautnah.
Schnupperfaktor? Hoch, sehr hoch! (Grins…)
Ach ja, da fällt mir doch glatt der inoffizielle Film zum Duft ein:
Der Haustyrann von 1959 in schwarzweiß gedreht.
Die Geschichte um zwei Streithälse spielt sich in München ab, genauer Bogenhausen.
Paul Perlacher (Heinz Erhardt), ein Kaffeehausbesitzer, ist nicht gerade für seine charmante Art bekannt.
Kein Wunder, denn am Anfang des Streifens sehen wir ihn und seine Mieterin Amalie Hartung (Grethe Weiser) aus dem Gerichtssaal wutentbrannt rausgehen.
Der Grund der juristischen Auseinandersetzung ist die wiederholte Ruhestörung der frechen Klavierlehrerin in deren Mietwohnung oberhalb der Perlachers. Es treibt Papa Perlacher an den Rand des Wahnsinns.
Sogar sein kleiner Sohn nennt ihn schon Blindarm, weil er immer gereizt ist.
In dieser entzückenden (Fachjargon der damaligen Zeit) und turbulenten Komödie erleben wir so Einiges: den besagten juristischen Streit, das Kaffeehaus in wirtschaftlich schwerer Lage, ein sich heimlich liebendes Paar beider antagonistischen Familien und jede Menge Tanzeinlagen zu den Liedern von Willy Hagara.
Was das Ganze mit dem After Shave zu tun hat?
Trommelwirbel…
In der Mitte des Films erwartet Herr Perlacher eine wichtige Mitteilung des Gerichts.
Als der Postbote klingelt, ist unser Väterchen schön eingeseift beim Rasieren.
Und hier hätte man das perfekte Product-Placement schaffen können!
„Herr Perlacher,
wir von der Firma Mäurer & Wirtz möchten Ihnen heute ein kleines Wunderwasser vorstellen.
Unser Pflege nach der Rasur wird im Handumdrehen Ihre Gemütslage verbessern!
Lassen Sie sich von den Aldehyden befreien!
Sehen Sie hier, der Lavendel wird Ihre cholerischen Ausbrüche zügeln!
Das Blütenpuder zaubert Ihnen eine Friedensaura ins Gesicht!
Und die ambrierte Holzbasis rückt Ihnen das Herz wieder an die richtige Stelle!
Denn ob jung oder alt
reich oder arm
Ob es blitzt oder knallt
Mit Tabac Original
wird es rasch wieder warm!“
Und so endet die Rasur wie der Film, ein schnuckeliges Happy End mit Friedenstauben.
Ein schöner ambrierter Duft, warm holzig, liebkosend blumig und pudrig.
Ja, Mäurer & Wirtz reichte die Hand, nicht die geballte Faust, nach der Rasur.
Der Schüttflakon ist der ursprünglichen Linie treu geblieben, minimale Änderungen waren vonnöten. Wenn man den Deckel abschraubt, lugt eine merkwürdige Plastikkappe hervor. In deren Mitte befindet sich eine kleine Öffnung, welche behutsam die pflegende Flüssigkeit tropfenweise beim Schütten freigibt.
Eine rührende Erinnerung an enthaltsame Zeiten kargen wirtschaftlichen Aufbruchs. Auch wenn es heute vielen nicht so erscheinen mag, die D-Mark für Rasierprodukte wurde in jener Zeit doppelt umgedreht vor dem Ausgeben.
Haptisch ist die Amphore ein Genuss. Das Glas fühlt sich gut an, der Deckel angenehm schwer und bestens verarbeitet. Ein Kleinod des Schlichten.
Und wie fühlt sich das auf der Haut an?
Schütt und klatsch!
Die Aldehyde eröffnen kräftig, nehmen die Hesperiden an die Hand und befreien die Lungen.
Die gereizte Haut brennt nicht nach dem Auftragen, na ja, vielleicht ein klitzekleines bisschen. So ein mini mini Aua für Zartbesaitete.
Aber dann setzt sofort die beruhigende Eigenschaft des Wässerchens ein, als hätte man einen Mikrofilm an Aloe Vera aufgetragen.
Der Duft wird blumig und etwas später pudrig. Der Lavendel begleitet perfekt die Gartennelke und Iriswurzel in ihrem Talkum-Gehabe. Der Jasmin ist sehr angenehm, kein lautes Raubtier, eher ein Schmusekater. Schonmal echten Jasmin abends gerochen? Bitte sehr!
Das Sandelholz verdient hier Applaus, recht natürlich und abgerundet weich schafft es die Einleitung des Ambrierten. Denn der Duft färbt sich in meiner Vorstellung bernsteinfarbig.
Überhaupt ist die Basis stabil und prima austariert bis zum Schluss.
Das Moos verleiht dem Ganzen eine gewisse Nähe zu einem Chypre, zögerlicher Moschus übt sich noch in vor 1968er Sittsamkeit.
Naschkatzen werden hier leider mit leerem Magen ins Bett gehen, Vanille und Tonkabohne unterstützen nur den Amber, einen quietschgelben Pudding rühren sie nicht um. (Zum Glück!)
Die Haut fühlt sich gepflegt an, nicht trocken und schon gar nicht angespannt. Das passiert nicht häufig bei zu hohem Alkoholgehalt in After Shaves.
Haltbarkeit? Lange, sehr lange!
Sillage? Erste Stunde kräftig, danach hautnah.
Schnupperfaktor? Hoch, sehr hoch! (Grins…)
Ach ja, da fällt mir doch glatt der inoffizielle Film zum Duft ein:
Der Haustyrann von 1959 in schwarzweiß gedreht.
Die Geschichte um zwei Streithälse spielt sich in München ab, genauer Bogenhausen.
Paul Perlacher (Heinz Erhardt), ein Kaffeehausbesitzer, ist nicht gerade für seine charmante Art bekannt.
Kein Wunder, denn am Anfang des Streifens sehen wir ihn und seine Mieterin Amalie Hartung (Grethe Weiser) aus dem Gerichtssaal wutentbrannt rausgehen.
Der Grund der juristischen Auseinandersetzung ist die wiederholte Ruhestörung der frechen Klavierlehrerin in deren Mietwohnung oberhalb der Perlachers. Es treibt Papa Perlacher an den Rand des Wahnsinns.
Sogar sein kleiner Sohn nennt ihn schon Blindarm, weil er immer gereizt ist.
In dieser entzückenden (Fachjargon der damaligen Zeit) und turbulenten Komödie erleben wir so Einiges: den besagten juristischen Streit, das Kaffeehaus in wirtschaftlich schwerer Lage, ein sich heimlich liebendes Paar beider antagonistischen Familien und jede Menge Tanzeinlagen zu den Liedern von Willy Hagara.
Was das Ganze mit dem After Shave zu tun hat?
Trommelwirbel…
In der Mitte des Films erwartet Herr Perlacher eine wichtige Mitteilung des Gerichts.
Als der Postbote klingelt, ist unser Väterchen schön eingeseift beim Rasieren.
Und hier hätte man das perfekte Product-Placement schaffen können!
„Herr Perlacher,
wir von der Firma Mäurer & Wirtz möchten Ihnen heute ein kleines Wunderwasser vorstellen.
Unser Pflege nach der Rasur wird im Handumdrehen Ihre Gemütslage verbessern!
Lassen Sie sich von den Aldehyden befreien!
Sehen Sie hier, der Lavendel wird Ihre cholerischen Ausbrüche zügeln!
Das Blütenpuder zaubert Ihnen eine Friedensaura ins Gesicht!
Und die ambrierte Holzbasis rückt Ihnen das Herz wieder an die richtige Stelle!
Denn ob jung oder alt
reich oder arm
Ob es blitzt oder knallt
Mit Tabac Original
wird es rasch wieder warm!“
Und so endet die Rasur wie der Film, ein schnuckeliges Happy End mit Friedenstauben.
30 Antworten


Zu Recht ein Klassiker und mein Vater ist auf einmal wieder lebendig...
Übrigens, die Plastikspritz-Tülle ist genial! Das Ding gehört auf alle After Shave-Flaschen!
Muss mal wieder schnuppern und überlegen, mit der Bewertung hochzugehen. Das After Shave hat mir damals jedenfalls besser gefallen als die andere Variante (Cologne?)
Was die Haptik des Flakons angeht, da kann ich Dir nur beipflichten lieber Axiomatic. Ein Handschmeichler.
Eine rundum gelungene und lesenswerte Rezension.
Womöglich hätte ich es als spannend empfunden, wie Du es eingeordnet hättest, das die Normalonase (aka Banause) diesen schmucken Duft als "Altbacken" oder als "Opa-Duft" empfindet. Ich mag den Tabak Original nach zunehmender Erfahrung mit Düften und Parfums, ebenso zunehmend. Zu meinem Aftershave davon, hat sich die Luxusseife dazugesellt.
Allerdings eher pfffft ! Als "Schütt und Klatsch". ;-)Mein Mann hat sich das Deo gekauft und da ich es überraschend benutzbar finde hab ich's jetzt auch im Gebrauch.;-))
Den Film kenne ich und Heinz Erhardt bleibt sowieso unübertroffen.
Tabac Original ist für mich auch über jeden Zweifel erhaben. Das Rasierwasser habe ich nie probiert, aber ich bin sehr begeistert, daß man hier eine komplette Pflegeserie anbietet. Und die ist auch noch richtig gut.
Das After Shave und das EdC und am aller allerbesten, das leider nur noch vintage in der Bucht zu angelnde 'Tabac Original EdT EXTREME', sind feines Duftkulturerbe!
Wie immer sehr gerne gelesen. Und so eine Friedensaura im Gesicht würde ja einigen Menschen sehr gut stehen. Den Duft muss ich jetzt natürlich wieder einmal schnuppern. Je einen Pokal für dich, deinen Wortwitz, dein Filmwissen... und den schönen Nostalgieflakon!