10.04.2013 - 09:02 Uhr

Yatagan
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Yatagan
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54
Ein Nachkriegsmärchen
Es war einmal eine Zeit in Deutschland, als das Wünschen auch nicht mehr viel half. Da meinten Männer, richtige Männer, dass es unstatthaft für einen Kerl sei, sich zu parfümieren, dass es gar unstatthaft sei, ein Rasierwasser zu verwenden.
In der europäischen Nachbarschaft war man da schon längst weiter: In Frankreich galt spätestens seit der Lancierung von Caron pour un homme (1934), dass auch Männer gut zu riechen hatten - und in England war die gute alte Tradition, dass gerade Düfte Männlichkeit gut zu unterstreichen vermögen, fast bruchlos bis ins 20. Jahrhundert gerettet worden. Dort wählte man Colognes aus Dufthäusern wie Trumper, Harris und Floris, die in der Regel mindestens seit dem 19. Jahrhundert bekannt waren.
Nicht aber in Deutschland: Dort duftete zwar Gretel, nicht aber Hänsel und so kam es, wie es kommen musste. Erst nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und dem allmählich dämmernden Bewusstsein von Schuld und notwendiger Sühne geschah etwas Merkwürdiges: Die Soldaten des fremden Königs, der sich amerikanischer Präsident nannte, dufteten nach jeder Rasur stets gut nach ihren Rasierwässern amerikanischer Produktion. Die deutsche Gretel fand das gar nicht unattraktiv und so besann sich der deutsche Hänsel, es auch einmal zu versuchen. Wenn schon die Soldaten des fremden Königs durch den Gebrauch von Duft nicht unmännlicher wurden, sondern sogar eine Völkerschlacht gewinnen konnten, so würde es wohl den deutschen Männern auch nicht schaden (Quelle: Handelsblatt - im Gegensatz zur Darstellung in Wikipedia. Verlässlicher ist hier das Handelsblatt, da die amerikanischen Düfte alle älter sind: Williams, Mennen etc.).
Doch woher nehmen und den Fremden nicht stehlen? So besann sich ein wackerer Produzent aus heimischen Landen darauf, ab 1951 eine wohlriechende Seife herzustellen, die schon bald reißenden Absatz fand. Diese Seife hörte auf den Namen Tabac und roch vermutlich so ähnlich wie das heute noch bekannte und berühmte Cologne gleichen Namens. Schon ein Jahr später sah man sich aufgrund des großen Erfolgs gezwungen, den Produktnamen um das Wort „original“ zu ergänzen, um sich von Nachahmern abzugrenzen, die auch einige goldene Hellerlein vom Schatz abhaben wollten.
Noch immer jedoch waren die deutschen Männer nicht reif für eine ganze Produktpalette, ergänzt um After Shave, Pre Shave oder sogar ein Cologne, die dann erst gegen Ende der 50er Jahre folgte. Und so stimmt es auch eigentlich nicht, dass dieser Duft bereits seit dem Jahre 1951/52 existiere, wie auf der Parfumo-Seite zum Eau de Toilette dieses Duftes zu lesen ist. Das trifft im engeren Sinn nur auf den Duftstoff der o.g. Seife zu. Als After Shave kam er 1959 in den Handel, wie hier beim After Shave korrekt vermerkt und auf der Homepage von Mäurer & Wirtz nachzulesen.
Zeitreisenden sei die Homepage schon allein deshalb ans Herz gelegt, weil es dort eine Sammlung alter Werbeplakate von Tabac original zu bewundern gibt, beginnend mit der ersten Werbekampagne aus dem Jahr 1959, über die Swinging Sixties zu den schrillen Siebzigern, von den coolen Achtzigern und Neunzigern bis in die Post-Postmoderne unserer Tage. Trotz des sich wandelnden Zeitgeistes: Tabac original blieb sich dabei auch im Bild immer treu, nie so ganz konservativ, nie ganz progressiv, ein bisschen kernig, aber auch charmant, klassisch und ein ganz klein wenig verspielt (im Duft angedeutet durch die blumigen Akzente).
Warum veröffentliche ich meinen Kommentar auf der Seite des After Shaves? Das After Shave ist weitgehend identisch mit dem Cologne, nicht aber das Eau de Toilette, das vom Originalduft abweicht, wie auch gelegentlich in Kommentaren zu diesem Duft korrekt zu lesen. Ich persönlich bevorzuge ganz klar den Geruch des Colognes und kann nur empfehlen, dieses zu kaufen, beim Kauf also die Augen aufzuhalten, da das Cologne in Drogerien oftmals direkt neben dem Eau de Toilette steht und dies zumeist auch noch leicht verwechselbar verpackt in der gleichen Flasche (Schüttflakon im Opalglas im klassischen Amphorendesign oder Sprayflakon in der länglichen Zylinderflasche).
Dennoch: Auch das Eau de Toilette gefällt mir gut und von Zeit zu Zeit nutze ich auch dieses recht gern.
Wir schreiben das Jahr 2013. Die Zeit, in denen das Wünschen noch half, ist lang vorbei. Der Duftmarkt ist indessen größer und größer, unüberschaubarer und unüberschaubarer geworden. Wer meint, das wäre schön, der verkennt die kapitalistische Produktionslogik, die auf ein Immer-mehr-und-mehr setzt und dabei den Verbraucher, uns, überrumpelt. Tiefer und tiefer führt uns der Wolf in den dunklen Tann und dabei merken wir gar nicht mehr, wie sehr wir die Übersicht verlieren und schließlich bereit sind, alles zu kaufen, nur um wieder schneller aus dem finsteren Wald der Sehnsüchte heraus zu finden. Die Qualität bleibt dabei schon lange auf der Strecke. Immer schwieriger wird es, in der Masse der gleichförmigen Düfte, die sich kaum noch von banalen Deos unterscheiden, herausragende Klassiker zu entdecken. Nischenmarken, die angeblich höhere Qualität zu exorbitanten Preisen verkaufen, helfen da nicht wirklich weiter, zumal gerade sie der kapitalistischen Spirale der Teuerung unterliegen. Wer außer uns Duftliebhabern ist noch in der Lage zu unterscheiden? Da hilft es manchmal, sich auf das Gute und Bewährte zu besinnen. Das meine ich nicht im Sinne einer konservativen Logik, denn Weiterentwicklung ist immer gut und richtig, so lange sie nicht auf Kosten der Menschen vonstatten geht, so lange sie dem Menschen dient.
Gut und bewährt aber ist Tabac original allemal, das ich darum jedem (männlichen) Duftliebhaber empfehlen möchte. Es ist ein Duft, der vor allem auch deshalb überrascht, weil der Name ein wenig irreführend ist. Tabakgeruch ist es nicht, den wir hier riechen (auch wenn man sich das einbilden mag), sondern aldehydische Noten, florale Noten (in den 50ern m.E. in einem Herrenduft sehr mutig) und holzig-würzige Akzente. Auch die Kartonage mit ihrem dunkelbraunen, klassisch gewordenen „Warenkistendesign“ führt in die Irre: Der Auftakt wird nämlich nicht durch dunkle, warme Ledernoten geprägt, sondern durch zitrische Komponenten und Lavendel. Abgerundet wird das ganze neben dem Blumenakkord durch Vanille und Tonkabohne. Ob das auch 1959 schon so war, vermag ich nicht sicher zu sagen (ich bin Jahrgang 1967), weiß aber noch dunkel, dass mein Vater neben „Russisch Leder“ (zu dem ein Kommentar folgt) immer wieder auch Tabac verwendete und damals am Frühstückstisch nach der Rasur wohl schon so roch wie ich heute, wenn ich es benutze. Tabac original ist darum für fast alle Männer auch ein nostalgischer Blick in die Vergangenheit, als die Männer noch Jungs waren und die Väter noch junge Männer.
Natürlich ist Tabac original bei einem Parfümliebhaber nicht das Produkt der ersten Wahl. Es gehört aber m.E. in den gut sortierten Parfumschrank eines jeden Mannes, sei er progressiv oder konservativ, zu welchem Milieu auch immer er gehören mag, wie alt er auch sein möge. Der Preis jedenfalls liefert keine Ausrede, diesen Duft nicht zu besitzen, zumal er für mich zur positiven Geschichte deutscher Parfumkunst (von Farina bis zur Gegenwart) gehört. Tabac gab es (zumindest für die meisten Generationen) irgendwie schon immer, gibt es noch und wird es vermutlich noch lange geben, denn die Firma scheint wirtschaftlich gesund. Und das ist dann wirklich ein bisschen wie im Märchen: Die gehen auch immer gut aus.
In der europäischen Nachbarschaft war man da schon längst weiter: In Frankreich galt spätestens seit der Lancierung von Caron pour un homme (1934), dass auch Männer gut zu riechen hatten - und in England war die gute alte Tradition, dass gerade Düfte Männlichkeit gut zu unterstreichen vermögen, fast bruchlos bis ins 20. Jahrhundert gerettet worden. Dort wählte man Colognes aus Dufthäusern wie Trumper, Harris und Floris, die in der Regel mindestens seit dem 19. Jahrhundert bekannt waren.
Nicht aber in Deutschland: Dort duftete zwar Gretel, nicht aber Hänsel und so kam es, wie es kommen musste. Erst nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und dem allmählich dämmernden Bewusstsein von Schuld und notwendiger Sühne geschah etwas Merkwürdiges: Die Soldaten des fremden Königs, der sich amerikanischer Präsident nannte, dufteten nach jeder Rasur stets gut nach ihren Rasierwässern amerikanischer Produktion. Die deutsche Gretel fand das gar nicht unattraktiv und so besann sich der deutsche Hänsel, es auch einmal zu versuchen. Wenn schon die Soldaten des fremden Königs durch den Gebrauch von Duft nicht unmännlicher wurden, sondern sogar eine Völkerschlacht gewinnen konnten, so würde es wohl den deutschen Männern auch nicht schaden (Quelle: Handelsblatt - im Gegensatz zur Darstellung in Wikipedia. Verlässlicher ist hier das Handelsblatt, da die amerikanischen Düfte alle älter sind: Williams, Mennen etc.).
Doch woher nehmen und den Fremden nicht stehlen? So besann sich ein wackerer Produzent aus heimischen Landen darauf, ab 1951 eine wohlriechende Seife herzustellen, die schon bald reißenden Absatz fand. Diese Seife hörte auf den Namen Tabac und roch vermutlich so ähnlich wie das heute noch bekannte und berühmte Cologne gleichen Namens. Schon ein Jahr später sah man sich aufgrund des großen Erfolgs gezwungen, den Produktnamen um das Wort „original“ zu ergänzen, um sich von Nachahmern abzugrenzen, die auch einige goldene Hellerlein vom Schatz abhaben wollten.
Noch immer jedoch waren die deutschen Männer nicht reif für eine ganze Produktpalette, ergänzt um After Shave, Pre Shave oder sogar ein Cologne, die dann erst gegen Ende der 50er Jahre folgte. Und so stimmt es auch eigentlich nicht, dass dieser Duft bereits seit dem Jahre 1951/52 existiere, wie auf der Parfumo-Seite zum Eau de Toilette dieses Duftes zu lesen ist. Das trifft im engeren Sinn nur auf den Duftstoff der o.g. Seife zu. Als After Shave kam er 1959 in den Handel, wie hier beim After Shave korrekt vermerkt und auf der Homepage von Mäurer & Wirtz nachzulesen.
Zeitreisenden sei die Homepage schon allein deshalb ans Herz gelegt, weil es dort eine Sammlung alter Werbeplakate von Tabac original zu bewundern gibt, beginnend mit der ersten Werbekampagne aus dem Jahr 1959, über die Swinging Sixties zu den schrillen Siebzigern, von den coolen Achtzigern und Neunzigern bis in die Post-Postmoderne unserer Tage. Trotz des sich wandelnden Zeitgeistes: Tabac original blieb sich dabei auch im Bild immer treu, nie so ganz konservativ, nie ganz progressiv, ein bisschen kernig, aber auch charmant, klassisch und ein ganz klein wenig verspielt (im Duft angedeutet durch die blumigen Akzente).
Warum veröffentliche ich meinen Kommentar auf der Seite des After Shaves? Das After Shave ist weitgehend identisch mit dem Cologne, nicht aber das Eau de Toilette, das vom Originalduft abweicht, wie auch gelegentlich in Kommentaren zu diesem Duft korrekt zu lesen. Ich persönlich bevorzuge ganz klar den Geruch des Colognes und kann nur empfehlen, dieses zu kaufen, beim Kauf also die Augen aufzuhalten, da das Cologne in Drogerien oftmals direkt neben dem Eau de Toilette steht und dies zumeist auch noch leicht verwechselbar verpackt in der gleichen Flasche (Schüttflakon im Opalglas im klassischen Amphorendesign oder Sprayflakon in der länglichen Zylinderflasche).
Dennoch: Auch das Eau de Toilette gefällt mir gut und von Zeit zu Zeit nutze ich auch dieses recht gern.
Wir schreiben das Jahr 2013. Die Zeit, in denen das Wünschen noch half, ist lang vorbei. Der Duftmarkt ist indessen größer und größer, unüberschaubarer und unüberschaubarer geworden. Wer meint, das wäre schön, der verkennt die kapitalistische Produktionslogik, die auf ein Immer-mehr-und-mehr setzt und dabei den Verbraucher, uns, überrumpelt. Tiefer und tiefer führt uns der Wolf in den dunklen Tann und dabei merken wir gar nicht mehr, wie sehr wir die Übersicht verlieren und schließlich bereit sind, alles zu kaufen, nur um wieder schneller aus dem finsteren Wald der Sehnsüchte heraus zu finden. Die Qualität bleibt dabei schon lange auf der Strecke. Immer schwieriger wird es, in der Masse der gleichförmigen Düfte, die sich kaum noch von banalen Deos unterscheiden, herausragende Klassiker zu entdecken. Nischenmarken, die angeblich höhere Qualität zu exorbitanten Preisen verkaufen, helfen da nicht wirklich weiter, zumal gerade sie der kapitalistischen Spirale der Teuerung unterliegen. Wer außer uns Duftliebhabern ist noch in der Lage zu unterscheiden? Da hilft es manchmal, sich auf das Gute und Bewährte zu besinnen. Das meine ich nicht im Sinne einer konservativen Logik, denn Weiterentwicklung ist immer gut und richtig, so lange sie nicht auf Kosten der Menschen vonstatten geht, so lange sie dem Menschen dient.
Gut und bewährt aber ist Tabac original allemal, das ich darum jedem (männlichen) Duftliebhaber empfehlen möchte. Es ist ein Duft, der vor allem auch deshalb überrascht, weil der Name ein wenig irreführend ist. Tabakgeruch ist es nicht, den wir hier riechen (auch wenn man sich das einbilden mag), sondern aldehydische Noten, florale Noten (in den 50ern m.E. in einem Herrenduft sehr mutig) und holzig-würzige Akzente. Auch die Kartonage mit ihrem dunkelbraunen, klassisch gewordenen „Warenkistendesign“ führt in die Irre: Der Auftakt wird nämlich nicht durch dunkle, warme Ledernoten geprägt, sondern durch zitrische Komponenten und Lavendel. Abgerundet wird das ganze neben dem Blumenakkord durch Vanille und Tonkabohne. Ob das auch 1959 schon so war, vermag ich nicht sicher zu sagen (ich bin Jahrgang 1967), weiß aber noch dunkel, dass mein Vater neben „Russisch Leder“ (zu dem ein Kommentar folgt) immer wieder auch Tabac verwendete und damals am Frühstückstisch nach der Rasur wohl schon so roch wie ich heute, wenn ich es benutze. Tabac original ist darum für fast alle Männer auch ein nostalgischer Blick in die Vergangenheit, als die Männer noch Jungs waren und die Väter noch junge Männer.
Natürlich ist Tabac original bei einem Parfümliebhaber nicht das Produkt der ersten Wahl. Es gehört aber m.E. in den gut sortierten Parfumschrank eines jeden Mannes, sei er progressiv oder konservativ, zu welchem Milieu auch immer er gehören mag, wie alt er auch sein möge. Der Preis jedenfalls liefert keine Ausrede, diesen Duft nicht zu besitzen, zumal er für mich zur positiven Geschichte deutscher Parfumkunst (von Farina bis zur Gegenwart) gehört. Tabac gab es (zumindest für die meisten Generationen) irgendwie schon immer, gibt es noch und wird es vermutlich noch lange geben, denn die Firma scheint wirtschaftlich gesund. Und das ist dann wirklich ein bisschen wie im Märchen: Die gehen auch immer gut aus.
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