In den nächsten Tagen soll der Frühling seine saisonale Herrschaft an den Sommer übergeben; der uralte Rhythmus.
Der fruchtbare Netz für Mai und Juni ist gewoben, nun dauert es nicht mehr lange, bis der Sommer übernehmen wird. Zuerst vielleicht noch etwas schüchtern, das ist normal.
Es sei denn, es kommt wieder so ein junges Ding, das mit Wucht alle sein Schätze auf einmal auf die Erde wirft und keine Geduld für die Schönheit der Schöpfung hat.
Auch deshalb will der Frühling in Ruhe von seinem Werk Abschied nehmen. Wie in jedem Jahr erklimmt er einen der Hügel, wo er den Blick über den Farbenteppich, den er in den letzten Wochen mir großzügigen Schwüngen gemalt hat, genießen kann:
Das Auf und Ab der Hügel in den unterschiedlichsten Grüntönen, da und dort noch transparente Stellen dazwischen; hier wird es wohl etwas länger dauern, bis sich mehr als ein zarter Blattschleier zeigt.
Aber - welche Freude - inmitten des Grüns hier und da schon helle Tupfen: die Baumblüte hat schon begonnen: Linden und Robinien wollen zeigen, das sie wach geworden sind!
Der Blick geht über Wiesen, im ersten schönen Frühlingsgrün, in das der leichte Wind zarte Muster zeichnet, streift die Obstbäume, die sich auf ihre Hochzeit vorbereiten und streichelt dabei zärtlich die im Sonnenlicht friedlich daliegenden Gärten.
Diese frühsommerlichen, etwas bäuerlichen Gärten, denen man die Lebenslust ansieht.
Der Frühling ist glücklich, wenn er all das sieht, was er hinterlassen wird und deshalb sitzt er auf seinem Hügel und singt.
Singt vor Freude über diese schöne Jahreszeit, auch wenn er weiß, dass ihn bei alle dem Lärm, mit dem die Menschen sich umgeben, kaum noch jemand hören wird.
Und doch lässt ihn die Freude singen und die Hoffnung, dass vielleicht doch der eine oder andere Klang die Ohren erreicht.
So (wohl nur für sich) singend steigt der den Hügel hinab, durchquert frischgrüne würzig duftende Wiesen und stattet seinem Lieblingsgarten einen Besuch ab.
Hier schlendert der Frühling leichtfüßig umher, grüßt liebevoll die Magnolien, die jedes Jahr so mutig ihre porzellanähnlichen weißen und rosa Tulpenblüten in die noch kühle Luft strecken und mit ihrem zarten Duft das neue Leben begrüßen: sie verdienen eine besondere Umarmung!
Die bunten Freesien in ihren Blattnestern entfalten ebenfalls ihre Blüten und duften; wie berauschend können sie in Blumensträußen sein und so manchen, noch trostlosen Raum mit ihren Aromen füllen und erhellen.
Das gilt auch für die kleinen Veilchen; freundlich und harmlos sitzen sie in ihren Blattrosetten, aber ihre Düfte kleiden jede Frau im Frühling. Das macht sie stolz und sie recken sich gleich noch ein Stückchen der Sonne und der liebkostenden Hand des Frühlings entgegen.
Feines, aber doch schon recht ausdauerndes Rosenaroma zieht durch die Luft und so entsteht ein femininer Dreiklang, durchzogen von leicht geknüpften bunten Bändern aus Düften.
Der aus einer alten Schrankwand zusammengezimmert Schuppen (wo findet man heute noch Palisanderholz?) am Ende des Gartens ist reich umrankt von Jasmin und Geißblatt.
Die alten Ranken tragen schon ihr erstes Blätterkleid, die neuen sind noch schüchtern dabei, ihren Platz zu erobern und streben dem Licht entgegen.
Und wie sie schon unter der Wärme der Sonne duften!
Natürlich stehen sie im Wettstreit: der weiße, so manche Fläche füllende Jasmin, schon nicht für seine Schüchternheit bekannt und die Honigduft geschwängerten Blüten des Geißblatts.
Aber auch die aromatische Holznote des Schuppen bringt sich ein. Warum sollte er im Duftreigen nicht mitspielen?
Fleißige, gemütlich vor sich hin taumelnden Hummeln kommen zu Besuch. Ihr Summen wird ein zufriedenes Brummen: hier gibt es etwas zu holen.
Das wissen auch die Schmetterlinge und schauen fröhlich falternd vorbei, kehren hier und dort bei einer Blüte zu einer kleinen Pause ein und nippen dabei ein bisschen Nektar.
Glücklich und zufrieden mit seinem Werk beschließt der Frühling eine Phiole dieses feinen, frühsommerlichen Gartenduften auf seine Reise mitzunehmen.
Ob er wohl noch in den vielen bunten, reich mit Blüten bestickten Schleiern ein leeres Fläschchen findet?
Hier ist eines, aber - oh, es enthält noch einen kleinen Rest Patchouli; woher der wohl kommt?
Erdige sinnliche Würze entsteigt diesem Bodensatz, also entschließt sich der Frühling, der doch so gern dieses herrliches Gartenaroma einfangen möchte, es darauf ankommen zu lassen:
Er lockt die Fülle von Blütendüften, von der Holznuance unterlegt, in das Glasgefäß und verschließt dieses dann.
Es ist vollbracht! Dieser Garten in seiner Pracht wird ihn nicht nur in Gedanken begleiten.
Und so kann er dem Sommer mit gutem Gewissen den Staffelstab übergeben und weiterreisen.
Das Haus Nina Ricci hat hier nach dem immer noch so beliebten "L'Air du Temps" einen zweiten sehr weiblichen Blütenduft geschafft, der den Namen "L'Air" verdient und als jüngere Schwester einem ebenso hübschen Flacon bewohnen darf.
"L'Air" ist zwar weniger elegant, dafür aber beschwingter und absolut zauberhaft.
Anmutig schmiegt sich dieses heitere Duftwesen an, umschwebt seine Trägerin reizend und unkompliziert, verbringt mit ihr einige schöne Stunden, wird dabei aber zarter und noch transparenter.
Nina Riccis "L'Air" tanzt heiter und leichtfüßig durch die Luft!
Und das ist schön so; schrieb doch schon Oscar Wilde:
"It is sweet to dance to violins
When Love and Life are Fair:
To dance to flutes, to dance to lutes
Is delicate and rare:
But it is not sweet with nimble feet
To dance upon the air!"
Nun, diese Gefahr besteht bei "L'Air" nicht; dieser Duft ist tanzende Luft!