Wer sich für einen Urlaub in Sverige (Schweden) entscheidet, der weiß, dass er bei Düften keine überragende Auswahl finden wird. Parfymerier (Parfümerien) sind in Schweden auf dem Land ohnehin Mangelware, immer mehr Schweden stehen parfym (Duft) sogar ablehnend gegenüber (Allergierisiko), starkes Parfümieren ist verpönt und so bleibt für die meisten Reisenden allenfalls der Kauf von Produkten, die man genauso gut auch zu Hause in jedem Kaufhaus erstehen könnte. Ausnahmen wie Byredo oder Agonist, die man nur in Stockholm, Göteborg oder Malmö bzw. im Internet erwerben kann, ändern da kaum etwas am Gesamtbild.
Was bleibt dem nationalstolzen Schweden, wenn er sich nicht für die Düfte vom südlichen Kontinent entscheiden mag und stattdessen nach eigenen Produkten Ausschau hält? In Deutschland weitgehend unbemerkt, hat sich in Schweden das Kosmetikunternehmen Oriflame etabliert, 1967 gegründet, ist es inzwischen in mehr als 60 Ländern vertreten, auch in Deutschland, sogar mit einer eigenen Shop-Homepage. Oriflame bietet dabei ein Geschäftsmodell an, das auch von anderen Herstellern bekannt ist. Man kann als Consultant die Produkte zu günstigeren Preisen beziehen und anschließend (auch) weiter verkaufen. Da mir persönlich derartige Geschäftsmodelle nicht allzu sympathisch sind, bleibe ich bei den Düften und ihrer Beschreibung selbst, insbesondere bei Oriflames Arichtect, den ich mir kurz vor Beginn unserer Schwedenreise gekauft hatte, auch weil die Kommentare positiv ausfielen und er bei den Bewertungen aus dem Durchschnitt der anderen Oriflame-Herrendüfte heraus ragt.
Zunächst ist bei den meisten Oriflame-Düften die dezente Sillage, die blasse, fast wässrige Aura, die eher geringe Haltbarkeit auffallend. Das jedoch scheint mir im Kontext der ablehnenden Haltung gegenüber Duft in Schweden verständlich. In einem Land, in dem medizinische Routinebehandlungen abgelehnt werden können, wenn ein Patient zu stark parfümiert ist und viele Krankenhäuser Duft für Patienten verbieten, sollte man vorsorglich eher dezent parfümiert sein. Auch am Arbeitsplatz kann es Probleme mit Kollegen, der Leitung oder Kunden geben, wenn man starke, orientalische, allgemein schwere Düfte verwendet. So bleibt unterm Strich zu den meisten Oriflame-Düften kaum etwas zu sagen. Von einer großen Zahl der Herrendüfte dieses Herstellers besitze ich zwar Proben, auch von einigen Damendüften. Keiner der Düfte erreicht jedoch aus meiner Sicht die Qualität bekannter Parfüms europäischer Hersteller. Einige wenige sind mit durchschnittlichen Mainstreamprodukten vergleichbar, bleiben aber kaum im Gedächtnis haften, weil ihnen Ecken und Kanten fehlen.
Architect wanderte auch deshalb in meine Sammlung, weil er neben Maria Candida Gentiles Barry Lyndon, einem meiner Favoriten im Herrensegment, einer der wenigen Düfte ist, die Heidekraut als Inhaltsstoff enthalten, darüber hinaus auch die von mir geliebten Vetiver und Zitrone sowie Weißfichte. Diese Kombination ließ auf einen interessanten Duft hoffen, auch wenn mir natürlich klar war, dass ein so preiswerter Duft kaum an die Qualität der exquisiten Produkte von Maria Candida Gentile heran reichen kann; dennoch hatte ich auf eine Mischung gehofft, die einigermaßen meinen Geschmack treffen könnte. Vielleicht waren die Erwartungen letztlich doch zu hoch, denn die Enttäuschung über diesen Duft war umso größer.
An sich ist Architect kein wirklich schlechter Herrenduft. Ich schließe mich in der Beschreibung Leimbacher an, Tabak und süße Gewürze stehen im Mittelpunkt; gerade das aber ist das Problem: Während die erhofften Inhaltsstoffe Zitrone, Vetiver, Heidekraut und Fichte kaum oder gar nicht wahrnehmbar sind, stehen warme und süße, überdies etwas synthetisch wirkende Akzente im Vordergrund: Klar erkennbar ist die Süße von Kardamom, die etwas dumpfe Schwere von Patchouli und eine künstliche Note von Tabak. Dabei hat man über den gesamten Duftverlauf den Eindruck, dass der Duft trotz seiner süßen Essenzen quasi gebremst wurde, auch hier vielleicht wegen der oben beschriebenen Abneigung vieler Schweden gegen eine wuchtige Aura: sozusagen ein Orientale für Menschen, denen Orientalen zu schwer, zu süß oder zu warm sind.
Noch einmal möchte ich mich Leimbacher anschließen: Überzeugend ist hier eigentlich nur der Flakon. Da zeigt sich die Liebe der Skandinavier zum Design, auch wenn mir persönlich die eigenwillige Optik mit dem versetzten mittleren Glasblock (um einige Grad zur Seite gedreht, so als stünden drei Glaswürfel nicht ganz exakt aufeinander) aus der Entfernung nicht mehr so gut gefällt. Während das Objekt in der Hand noch gefällig wirkt, macht es sich mit einigem Abstand im Bad weniger gut: Man hat ständig das Gefühl, als würde die Kappe nicht richtig auf der Flasche sitzen. Letztlich wurde hier aber ein originelles Flakondesign umgesetzt, das immerhin aus dem Durchschnitt heraus ragt und dem Namen des Duftes gerecht wird.
Eigenartigerweise ist die Entwicklung - anders als bei vielen anderen orientalischen Düften - wenig bemerkenswert. Die Kardamom-Tabak-Note, die von Beginn an präsent ist, bleibt über lange Zeit in gleicher Weise erhalten. Dabei stört mich überdies eine synthetische Note, die stark an Deodorants oder Raumdüfte erinnert. Offenbar wurde hier nicht allzu viel Geld in hochwertige Duftstoffe investiert; wen wundert das, bei diesem fast konkurrenzlos günstigen Preis. Wer es noch billiger haben möchte, muss in Drogerien kaufen. Vielleicht bekommt er dort allerdings sogar eine bessere Alternative.
Warum ist die Bewertung nicht noch schlechter ausgefallen? Gerade während dieser ungewöhnlich kühlen Sommertage entfaltet der Duft einen gewissen Reiz, der mich bei der Bewertung zwischen 50 und 70% schwanken lässt. Ich kann die Einschätzung meines Vorredners jedenfalls durchaus nachvollziehen. Letztlich war die Enttäuschung des Schwedenliebhabers über diesen Duft dann jedoch ausschlaggebend für die mäßige Bewertung, die bei längerem Gebrauch durchaus noch schlechter ausfallen könnte.
Svenska dofter är inte sa bra. Svenska bilar är bättre.
(Übersetzung bei einschlägig bekannten Suchmaschinen oder bei mir. Bitte berücksichtigen, dass ich das schwedische a mit Kringel - sprich „o“ - , z.B. in „fran“, hier nicht wiedergeben konnte.)