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Unterholz
Top Rezension
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Das Cocktail-Oud!
Das Thema Oud ist endlos und bietet zig Facetten, die man thematisieren könnte. Angefangen mit der Frage nach der Qualität und den lokalen Unterschieden des Rohstoffs bis hin zu dem Gegenstand „wieviel Hype braucht der Mensch?“. Das alles soll hier weniger Thema sein; dennoch scheint mir Shagyar von Parfums de Marly ein paar Sätze wert.
Meine ersten Erfahrungen mit Oud habe ich mit den Montales gemacht, alles recht heftige, kräftige Parfums mit wenig Zurückhaltung und eben (leider) oft etwas künstlich anmutenden Beinoten. Hier auf parfumo werden ja gerne Vergleiche zu Haarspray gezogen, was eigentlich auch schon wieder zum Klischee geworden ist und den Düften nicht in jedem Fall gerecht wird. Wichtiger scheint mir persönlich eher die Frage, ob denn auch überall, wo Oud draufsteht, auch Oud drin ist. Und da bin ich mir sicher, dass nicht jedes Wässerchen, das sich mit diesem Etikett schmückt, auch tatsächlich bieten kann, was es vollmundig verspricht. Bei einem derart limitierten Rohstoff einfach unmöglich.
Nun aber zu Shagya, der hier noch nicht viel Beachtung gefunden hat – zu Unrecht. Möglicherweise enthält er tatsächlich echtes Oud, leicht balsamisch-würzig-medizinische Komponenten, die fast von Beginn an durchschlagen, weisen darauf hin. Auf mich wirkt das durchaus authentisch, fast ein bisschen unspektakulär, wenn man mit den gängigen Oud-Safran-Rose-Bomben vergleicht. Sensationell empfinde ich den Start von Shagya, der erinnert mich an einen Cocktail, der soeben frisch mit Eis geshaked und abgesiebt im Glas vor einem steht. Umgebung: Natürlich eine offene Strand-Bar mit Strohdach, kühle Vormittagsbrise, das Meer… So habe ich Oud noch nie erlebt, fruchtig frisch, mit unerhörter Leichtigkeit und beinahe ein wenig kühlend. Künstlich wirkt dabei nichts, die Kopfnote verfliegt aber auch sehr schnell, was wirklich schade ist. Aber auch danach ist/wird Shagya gottseidank kein typischer Oud-Muffel. Florale Komponenten vermisst man gänzlich (Rosenegeranie??), was ich nicht als Manko empfinde, im Gegenteil, es betont die holzig-würzige Komponente des Oud. Herrlich stimmig ist die Kombination mit Zeder, die sensationell trocken ist und dem Duft Transparenz verleiht. Sicher ist diese Beschwingtheit auch auf das Vetiver zurückzuführen, aber es fehlt dabei jeder säuerliche oder übertrieben erdig-rauchige Eindruck, der oft im Zusammenhang mit dem Süssgras steht. Und Moschus geht ja fast immer, macht den Duft breiter, dichter, da kann man nichts falsch machen.
Mit Shagya wurde gewissermassen kein Risiko eingegangen. Ein beschwingtes, leichtes Sommer-Oud mit Cologne-Aspekten, das dennoch über genügend Komplexität und Strahlkraft verfügt, um über längere Zeit (und überhaupt durchs ganze Jahr hindurch) Freude zu bereiten. Seltsam, dass es noch nicht mehr Anhänger gefunden hat. Shagya könnte auch gut von Creed sein und dann würden sich vermutlich alle darum reissen. Die Haltbarkeit ist ideal und übersteht gerade so einen Tag urbane Asphaltglut. Mehr wäre zuviel. Sillage ist sicher auch ok, obwohl das jeweils mit schlichtem Testen am Handgelenk schwierig zu beurteilen ist. Preis: 150 € / 125mL geht in Ordnung für die gebotene Qualität.