19.07.2019 - 14:42 Uhr
Palonera
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Palonera
Top Rezension
30
gegen den Strom
1974.
Das Jahr, in dem Deutschland Fußball-Weltmeister wurde, das Richard Nixon dank Watergate den Kopf kostete und das erste IKEA nach Deutschland brachte.
In dem Alanis Morisette, Kate Moss und Robbie Williams zur Welt kamen und sich kein Mensch hätte vorstellen können, welch ein Rummel eines Tages um diese drei Winzlinge ausbrechen würde.
Im Geburtsjahr des Punk trug man Miniröcke und Overalls, Schockfarben an lätzchenähnlichen Krawatten, ondulierte Dauerwellen und Koteletten, die schon fast das Vermummungsverbot berührten.
Das Täubchen war noch kein Täubchen und trat mit Schultüte und Ranzen den Weg in den Ernst des Lebens an.
Und Roger & Gallet lancierten "Vetyver", ein Cologne, das wie ein Zeitreisender im falschen Jahr gelandet zu sein scheint.
Man kann nur vermuten, was das französische Traditionshaus, das im vergangenen Jahr seinen 150. Geburtstag feiern konnte, bewogen hat, einen ebenso feinen wie bodenständigen Duft wie "Vetyver" ausgerechnet in einem Jahr herauszubringen, dessen Geschmack doch als ein wenig lautstark bezeichnet werden darf.
Mag sein, daß es dem Zufall zu verdanken ist – "Vetyver" war nun einmal fertig und sollte nicht für die Schublade creiert worden sein.
Mag auch sein, daß man ein Zeichen setzen, gegen den Strom schwimmen wollte oder schlicht eine Klientel im Auge hatte, die abseits des Massengeschmacks einen Stil goutierte, den bereits 1864 Queen Victoria zu schätzen wußte und Roger & Gallet zu Hoflieferanten ernannte - eine Ehre, die nicht vielen nichtbritischen Unternehmen zuteil wurde.
Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, daß in meinem persönlichen Umfeld des Jahres 1974 irgendjemand "Vetyver" trug – doch in der sauerländischen Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, waren "Tosca" und "Tabac" ohnehin die unangefochtenen Spitzenreiter...
Auch ich mußte zunächst meinen 40. Geburtstag hinter mich bringen, um den Charme von "Vetyver" zu entdecken.
Was bergamottig-nerolig-zitrisch wie zahllose andere Colognes beginnt, ohne freilich auch nur einen Augenblick lang zu sticheln oder zu brizzeln, verläßt schon nach wenigen Minuten die hesperidisch-hellen Gefilde und verwandelt sich in einen holzig-würzig duftenden Sommergarten, in dem Gartennelken neben Rosmarin und weiteren Kräutern eine mediterrane, sehr entspannte Nachmittagsatmosphäre erschaffen.
Ein wenig Kardamom, einen Hauch Muskat und eine Prise Zimt meine ich zu erahnen, kraftvoll und doch dezent sich nicht sehr weit von meiner Haut entfernend.
Raumgreifende Duftauren sind Roger & Gallets Sache nicht, man weiß fein zwischen Understatement und falscher Bescheidenheit zu differenzieren.
Während ich mit geschlossenen Augen in meinem Garten liege und die Sonne mit meinen nackten Zehen spielt, erhebt sich ein leichter Wind und trägt den Duft trockener Gräser zu mir, ein wenig Erde und frisch geschlagenes Holz.
All dies verbindet sich mit den noch immer sehr präsenten Gewürznoten zu einem fast schon orientalisch anmutenden Dufteindruck, der jedoch zu keinem Zeitpunkt überladen wirkt – dafür sind alle Komponenten zu fein miteinander verwoben, ist die Komposition zu gut ausbalanciert.
Der einzige Wermutstropfen ist nach meinem Empfinden die für ein Eau de Cologne naturgemäß begrenzte Haltbarkeit: Nach spätestens vier Stunden ist "Vetyver" restlos verduftet.
PS: Dieser Kommentar wurde erstmals am 7. März 2013 unter dem Eau de Toilette eingestellt, das Eau de Cologne war zum damaligen Zeitpunkt hier noch nicht gelistet.
Dem aufmerksamen Hinweis von Couchlock ist es zu verdanken, daß der Kommentar heute an die richtige Stelle umziehen darf und an seinem ursprünglichen Standort gelöscht wird.
Das Jahr, in dem Deutschland Fußball-Weltmeister wurde, das Richard Nixon dank Watergate den Kopf kostete und das erste IKEA nach Deutschland brachte.
In dem Alanis Morisette, Kate Moss und Robbie Williams zur Welt kamen und sich kein Mensch hätte vorstellen können, welch ein Rummel eines Tages um diese drei Winzlinge ausbrechen würde.
Im Geburtsjahr des Punk trug man Miniröcke und Overalls, Schockfarben an lätzchenähnlichen Krawatten, ondulierte Dauerwellen und Koteletten, die schon fast das Vermummungsverbot berührten.
Das Täubchen war noch kein Täubchen und trat mit Schultüte und Ranzen den Weg in den Ernst des Lebens an.
Und Roger & Gallet lancierten "Vetyver", ein Cologne, das wie ein Zeitreisender im falschen Jahr gelandet zu sein scheint.
Man kann nur vermuten, was das französische Traditionshaus, das im vergangenen Jahr seinen 150. Geburtstag feiern konnte, bewogen hat, einen ebenso feinen wie bodenständigen Duft wie "Vetyver" ausgerechnet in einem Jahr herauszubringen, dessen Geschmack doch als ein wenig lautstark bezeichnet werden darf.
Mag sein, daß es dem Zufall zu verdanken ist – "Vetyver" war nun einmal fertig und sollte nicht für die Schublade creiert worden sein.
Mag auch sein, daß man ein Zeichen setzen, gegen den Strom schwimmen wollte oder schlicht eine Klientel im Auge hatte, die abseits des Massengeschmacks einen Stil goutierte, den bereits 1864 Queen Victoria zu schätzen wußte und Roger & Gallet zu Hoflieferanten ernannte - eine Ehre, die nicht vielen nichtbritischen Unternehmen zuteil wurde.
Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, daß in meinem persönlichen Umfeld des Jahres 1974 irgendjemand "Vetyver" trug – doch in der sauerländischen Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, waren "Tosca" und "Tabac" ohnehin die unangefochtenen Spitzenreiter...
Auch ich mußte zunächst meinen 40. Geburtstag hinter mich bringen, um den Charme von "Vetyver" zu entdecken.
Was bergamottig-nerolig-zitrisch wie zahllose andere Colognes beginnt, ohne freilich auch nur einen Augenblick lang zu sticheln oder zu brizzeln, verläßt schon nach wenigen Minuten die hesperidisch-hellen Gefilde und verwandelt sich in einen holzig-würzig duftenden Sommergarten, in dem Gartennelken neben Rosmarin und weiteren Kräutern eine mediterrane, sehr entspannte Nachmittagsatmosphäre erschaffen.
Ein wenig Kardamom, einen Hauch Muskat und eine Prise Zimt meine ich zu erahnen, kraftvoll und doch dezent sich nicht sehr weit von meiner Haut entfernend.
Raumgreifende Duftauren sind Roger & Gallets Sache nicht, man weiß fein zwischen Understatement und falscher Bescheidenheit zu differenzieren.
Während ich mit geschlossenen Augen in meinem Garten liege und die Sonne mit meinen nackten Zehen spielt, erhebt sich ein leichter Wind und trägt den Duft trockener Gräser zu mir, ein wenig Erde und frisch geschlagenes Holz.
All dies verbindet sich mit den noch immer sehr präsenten Gewürznoten zu einem fast schon orientalisch anmutenden Dufteindruck, der jedoch zu keinem Zeitpunkt überladen wirkt – dafür sind alle Komponenten zu fein miteinander verwoben, ist die Komposition zu gut ausbalanciert.
Der einzige Wermutstropfen ist nach meinem Empfinden die für ein Eau de Cologne naturgemäß begrenzte Haltbarkeit: Nach spätestens vier Stunden ist "Vetyver" restlos verduftet.
PS: Dieser Kommentar wurde erstmals am 7. März 2013 unter dem Eau de Toilette eingestellt, das Eau de Cologne war zum damaligen Zeitpunkt hier noch nicht gelistet.
Dem aufmerksamen Hinweis von Couchlock ist es zu verdanken, daß der Kommentar heute an die richtige Stelle umziehen darf und an seinem ursprünglichen Standort gelöscht wird.
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