...würde Rojas „Tutti Frutti“-Duft Candy Aoud nicht gerecht. Denn Candy Aoud ist eine quietschoriginelle, kokette Kombination von aufreizendem Aoud, warmer Haut und reifen Früchten, die man von dieser warmen Haut nascht.
Roja Dove hat unter dem Namen „Tutti Frutti“ drei ungewohnt verspielte Aoud-Düfte auf den Markt gebracht. Bei Tutti Frutti denkt man unweigerlich an Hugo Egon Balders TV-Show „Tutti Frutti“ aus den frühen 90er-Jahren. Zwei Kandidaten konnten in Ratespielrunden Punkte erzielen, die in abzustreifende Kleidungsstücke von Stripperinnen investiert wurden. Konnte ein Kandidat eine Stripperin entkleiden, erhielt er den der Stripperin zugeordneten Länderpunkt.
Besonders beliebt beim Privat-TV-Publikum war das Ballett Cin Cin. Erotikmodels, die kleinere Rollen in den Quizrunden übernahmen und sich dabei spärlich bekleidet präsentierten. Jedes Model repräsentierte dabei eine bestimmte Frucht (oder Farbe). Die Spielregeln waren derart konfus, dass sie niemand so wirklich verstanden hat (auch der Moderator nicht), sodass sich die meisten Kritiken, die über ein Jeremy-ehrliches „Boah, ey, geil!“ oder das Schwarzersche Maledictum „Mann!“ hinausgingen, etwa mit „Wenigstens ein paar Möpse gesehen!“ zusammenfassen ließen.
Candy Aoud spielt ganz stripteaseunbeschwert und mindestens so unkonventionell wie Rojas Doves Kleidungsstil mit Kontrasten. Ein Anzugträger mit schwarzer Melone auf dem Kopf, der mit einem rosa Riesen-Lollipop in der einen Hand und ledernem Aktenkoffer in der anderen vergnügt auf dem Pferderl eines Karussells seine Runden dreht.
Candy Aoud ist tänzelnde Koketterie von gänzlich gegensätzlichen Noten. Leicht animalisches Schweinchen-Aoud, um das neckische Striptease-Früchtchen tänzeln, süßlich-warme und fruchtig-obstige Noten auf Weihrauchwölklein, metallisch kühle Iris auf nackter Haut.
Candy Aoud ist quietsch-rosa – wenigstens die Swarovski-Steine am Flakondeckel und die Beschriftung. Ansonsten täuscht Name und Flakon. Zwar ist das verwendete Aoud ein kleines barbusiges Schweinchen (zumindest zu Beginn, denn hier läuft der Aoud-Striptease in umgekehrter chronologischer Reihenfolge ab), ansonsten ist Candy Aoud nicht mädchenhaft und nicht rosa.
Nach SpongeBobs Marshmallows, bunten Street Parade-Lollipops oder synthetischer Escada-Zuckerwatte auf Hasis Mädchenbalkon riecht es hier nicht. Obwohl die einzelnen Früchte riech- und identifizierbar sind, an Essbares erinnert Candy Aoud nicht. Im Gegensatz zu Sweetie Aoud empfinde ich Candy Aoud denn auch nicht als eigentlichen Gourmand-Duft.
Candy Aoud startet mit einem Frischekick von vollbusiger Bergamotte, der ähnlich wie bei Sweetie Aoud nur wenige Sekunden anhält. Gleichzeitig stürmen Aoud und reife Früchtchen die Bühne. Rote, fruchtig-reife Äpfel, in Scheiben geschnitten, und einige prickelnd süß-säuerliche Beeren tänzeln zunächst auf dem Aoud-Parkett. Nach einiger Zeit gesellen sich hintergründig zwei, drei frisch entblätterte Bananen dazu. Nicht die EU-normierten Supermarktbananen, sondern die süßen, geschmacksintensiven Mini-Banänchen, die im Norden Gran Canarias wachsen. Im Hintergrund sind ferner noch einige allgemein frische, leicht gezuckerte und cremige Frühstücksbuffet-Fruchtsalat-Noten auszumachen. Abgerundet werden die Fruchtnoten von einer pastellzarten Note von Mairose – die einzige Note im Duft, die rosa wie eine Pralinenschachtel ist. Die Mairose riecht lieblich, süßlich und warm mit einem leichten Touch in Richtung Candies.
Ist die Aoud-Note in Sweetie Aoud und Fruity Aoud eher ätherisch-zahm und von britischer Zurückhaltung – sie dient vielmehr zur Verfeinerung –, erweist sich jene in Candy Aoud als zunächst kräftig, beinahe wuchtig. Am ehesten mit der Aoud-Komponente von Kilians Pure Oud zu vergleichen, wenngleich potenter. Es ist eine sehr dunkelholzige, fast ölig-dichte, zu Beginn vielleicht ein wenig holzigharsche Aoud-Note mit einem animalischen Unterton. Schweinchenstall in 250 Meter gegen den Wind, nicht wirklich fäkal, aber reizend animalisch. Schweinchensex, badend in der Schönheit der Animalie. Ich vermute, dass warmer, dunkler Patschuli und dunkles Nagarmotha-Öl mit einer Note von rauchigem Leder für diesen Charakter des Aouds verantwortlich sind.
Candy Aoud ist ein arabischer und europäischer Duft zugleich. Üblicherweise, denkt man an XerJoff, AJ Arabia etc., bildet animalisches Aoud den Bezug zur arabischen Duftkultur, die weiteren fruchtigen, beerigen oder floralen Komponenten den Bezug zur europäischen Parfumerie. Dies ist hier interessanterweise umgekehrt. Das Aoud geht in Richtung gemäßigtes europäisches Kilian-Aoud, die fruchtigen und floralen Aspekte von Candy Aoud erinnern an in arabischen Duftölen (z.B. Hind al Oud) verwendeten fruchtigen Akkorde.
Im weiteren Duftverlauf ziehen sich die animalischen Unternoten fast komplett zurück, ebenfalls das leicht Harsche des Aouds. Der dunkelholzige, dichte Charakter bleibt aber bis weit in die Basis erhalten. Die Aoud-Note ist zwar nicht dominierende Note, anders als in Sweetie Aoud und Fruity Aoud überragt sie jedoch alle anderen Noten ein wenig, zumindest bis in die Basis.
Mit der Zeit wandelt sich der süßlich-fruchtige Eindruck in Richtung warm-süß-balsamisch-grünlich. Eine obstige, pixelig-grüne Note macht sich bemerkbar. In der Pyramide ist Rhabarber vermerkt. Nun, nach selbstgefälligem Rhabarber riecht diese grüne Note eher nicht, er ist sonniger im Gemüt, lieblicher im Wesen, wärmer im Herzen als ein unüberlegter Biss in einen reifen roten Rhabarberstängel. Eine aromatisch-süßliche Kardamomnote gibt orientalische Wärme, während eine gelbliche, süß-fruchtige Blütennote mit leicht bitteren Anklängen ein Gegengewicht bildet und im Hintergrund einige trockene und klimatisierende Weihrauchwölklein aus der Tiefe emporsteigen.
Allmählich überdecken warme, betont pralinencremig-holzige und süßliche, bonbonfüllungsbalsamisch grüne Noten die letzten sommerlichen Früchtchen. Spannendes Gegengewicht bildet eine wie blitzendes Metall kühle und distinguiert pudrige Irisnote. Der trockene Weihrauch betont die kühlenden Aspekte im Duft. Im Hintergrund macht sich langsam der Geruch von warmer nackter Haut bemerkbar.
Candy Aoud klingt in diesem Kontrast zur kühlen Iris mit einem Hauch von lendenhautanimalischem Labdanum, etwas frisch gegerbtem dunklem Korsettleder und einer moschusweichen, kirmeswarmen, verführerisch süßlichen Ambra-Note langsam aus.
Candy Aoud spielt mit dem Swarovskikristall-Funkeln der Kontraste. Auch wenn sich die Duftpyramide wie ein wilder Eberritt durch das animalisch-gourmande Duftuniversum liest, es sind keine anstrengenden oder zu gewollte Kontraste (oder gar Brüche im Duft). Candy Aoud ist von Anfang bis in den Drydown spannend und ungewöhnlich, die gegensätzlichen Noten sind kunstvoll ineinander verwoben. Candy Aoud ist tänzelnde Koketterie.
Während Sweetie Aoud ein durchaus alltäglicher, ganzjährig frühlingshafter Gute-Laune-Duft ist, trägt man Candy Aoud ioci causa – dafür umso überzeugter. Candy Aoud trägt man nicht aus einer unbestimmten Laune heraus, sondern bewusst. Denn Candy Aoud hat selbstbewusste Ecken und Kanten. Candy Aoud ist ein Duft für die Tage, an denen man als Mittagessen eine Schachtel rosa Luxemburgerli verputzt, sich in der Eisdiele einen Riesenbecher Kindereis bestellt, im Meeting einen Lollipop lutsch, beim Business Lunch Himbeerlimo trinkt, sich so verkleidet, wie sich Roja Dove anzuziehen pflegt.