Floyd
01.05.2023 - 15:00 Uhr
42
Top Rezension
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Nordengland, 1970

Die Arbeiterviertel riechen im Frühling nach Kohleöfen und schwarzen Kaminen. Der Regen wäscht den Ruß der Fabriken in die Gräser der nassen Wiesen. Doc Martens werden den Weißdorn töten, die herben Blüten darunter zertreten. Nach Teer riechen alle Lederklamotten und der graue Grobstrickpulli nach Rauch. Die Blumenwiesen sind noch feucht. Insekten tanzen im tiefen Licht. Katzen schleichen durch blühende Hecken. Am Horizont fallen Tonkaflocken in die Dämpfe über den Torfgruben. Alte Gitarren auf den Rücken. Auf dem Weg zum Proberaum. I don't mind springtime or disintegration. Eat my distortion. Er verhallt in den nebligen Weiten dort draußen wie in einem verschleierten Traum.
***
"Wendover" thematisiert das Großbritannien der 70er Jahre, als sich der Geruch von Kohleöfen und Fabrikschloten in den Leder- und Wollklamotten mit dem Duft der Gärten und Blumenwiesen mischte. Eine Impression davon ist Mark Sage von Clandestine Laboratories hiermit auf sehr ungewöhnliche und teils sehr realistische Art gelungen.
Leicht versotten wirkender Kohlerauch eröffnet den Duft in einem Akkord mit würzig-grünen Noten von feuchtem Grass, Cypriol und herbem Weißdorn. Leicht teerige Ledernoten (Leder, Castoreum) kommen hinzu, um sich bald in zart-grünen aber auch leicht animalischen Blüten (auf der Homepage sind Hyazinthen, Maiglöckchen und Narzissen angeführt) zu verlieren. Würzig rauchiger-Toft verschmilzt in der Basis zudem mit lieblichen Tabakblüten-, Moschus und Tonkanoten. Was zunächst einen zedernwacholderartigen Eindruck macht, entwickelt sich zusehends zu einem seidig leichten Wimmelbild einer nebligen britischen Landschaft, als ob man sich von der verkokten Stadt hinaus in die dunstige Natur begibt. Die abendfüllenden nordenglischen Impressionen projizieren moderat bis hautnah.

(Mit Dank an Chizza)
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