23.06.2020 - 10:20 Uhr

FvSpee
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FvSpee
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39
Die schöne Minimitin
Die Welt der Parfüms kann sehr grausam und sehr schnelllebig sein, und so kommt es, dass dieser wundervoll anmutige Duft, derjenige, mit dem diese Marke einst ihr Angebot eröffnet hat, zwar erst zehn Jahre alt, aber schon vergangener als die Welt der mittelalterlichen Klöster ist.
"Le Couvent", also "der Konvent" (ein in seiner Bedeutung schillerndes Wort, das aber meist das Wohn- oder Versammlungshaus der Mönche oder Nonnen in einem Kloster, oder das Kloster an sich, meint), eine französische Marke, pusselte von 2010 bis 2017 so vor sich hin und brachte jährlich etwa einen Duft heraus. Die Düfte machten alle ein bisschen auf Kloster: schlichte Flakons, auf alt gemachte Etiketten und klösterliche und christliche Namen wie Missionswasser (für einen orientalisch-gourmandigen Duft) oder Matutinwasser, oder eben Paulanerwasser (dieses hier). Natürlich war das schon damals Schein, aber bei so schönen Düften wie diesen breite ich darüber gerne den Mantel der christlichen Nächstenliebe. Broschüren oder Internetauftritte dieses alten Konvents kenne ich nicht, aber vermutlich waren sie in karolingischen Minuskeln geschrieben.
2018 kam aus mir nicht bekannten Gründen der harte Bruch: Alle bis dahin herausgegebenen Düfte wurden eingestellt und stattdessen innerhalb von nur drei Jahren knapp dreißig neue in drei Serien auf den Markt geworfen. Das Design der Flakons ist jetzt hip, als olfaktorischer Direktor eines großen Parfumeurteams fungiert Herr Ellena, und die christlichen Bezüge in den (neuen) Duftnamen und in der Unternehmenssaga sind auf ein Minimum reduziert. Der neue Konvent interpretiert sich jetzt so: Die Marke ist dem Andenken eines französischen Weltreisenden und Botanikers gewidmet, der in der Nähe von Le Couvent des Minimes (bzw. in der Nähe des Paulanerkonvents, den es ist nicht ganz klar, ob ein Dorf nach dem historischen Kloster, das heute noch steht, benannt ist) wohnte. Alles klar. Da ist mir dann eigentlich eine Fake-Kloster-Marke fast lieber als solche religiös überkorrekten Jahresendgrüße. Ahja, welcher Konzern (heute jedenfalls) hinter Le Couvent steht, habe ich nicht herausgefunden, der Vertrieb soll jedenfalls über die Zahnpastazaren von Colgate-Palmolive laufen.
Eau des Minimes ist eine liebliche, wundervoll schlichte, unendlich harmonische, unschuldig wirkende aber dennoch ganz schön komplexe Komposition aus drei Sechsteln Zitrik, zwei Sechsteln satten Grüns und einem Sechstel hübscher, sanfter, zarter Wiesenblümchen. Die Zitrik ist dominant, aber nicht vorlaut; es ist die mildeste und friedlichste Zitrone der Welt; tupft man den Duft auf, statt ihn zu sprühen, nimmt man eine pazifistische Pampelmuse wahr. Trotz des im Duftnotenblatt angegebenen Rosmarins nehme ich den grünen Teil weniger als kräuterig denn als grasig, blättrig und gemüsig wahr. Die Stiefmütterchen sprechen für sich selbst, oder wir schauen sie einfach entzückt an. Erwähnt werden soll noch, dass hier nicht nur die wenig prätentiöse Zutat Malve verbaut ist, sondern auch die Klette, die nicht nur als Vorbild für den Klettverschluss, sondern auch als Gift- und vor allem als vielfältig verwendete Heilpflanze bekannt geworden ist. Das ist deshalb etwas besonderes, weil Eau des Minimes unter den etwa 150.000 Düften der Parfumo-Datenbank der einzige Duft ist - genauer: war! - der diese Zutat enthält.
Eau de Minimes ist für mich der Duft des von mediterranen Zitrushainen umgebenenen Einsiedelei-Gemüsegärtchens (mit ein paar Blümchen darin als Tribut an die Schönheit) einer (selbstverständlich wunderschönen) Minimitin-Eremitin, deren Augenblick man einen Augenblick im Vorbeiwandern erhascht. Er ist formal als Cologne deklariert; ich empfinde ihn aber wegen der starken feuchtgrünen Komponente, die mich ein wenig an Eau de Camapagne von Sisley erinnert, nicht als colognetypisch, weshalb ich ihn außerhalb meiner Cologne-Reihen kommentiere. Die Haltbarkeit nehme ich stärker wahr als die meisten hier: gut vier Stunden hautnah.
Mörderbiene sei vielmals gedankt, dass er mir ermöglicht hat, diese Duftreliquie kennenzulernen, und herzlichen Glückwunsch an die 51 verzeichneten Besitzer eines Flakons. Haltet diesen Schatz in Ehren, wenn auch nicht in den Ehren der Altäre.
Da ich unter dem Alias eines Ordensmanns schreibe und hier schon mal als "Infotainment"-Experte beschrieben worden bin, will ich noch das Folgende hinzufügen (Dank insofern nicht nur an Wikipedia, sondern auch an Johanna Lanczkowskis "Kleines Lexikon des Mönchtums"): Franz von Paola, der im späten Mittelalter in Italien lebte, sollte nach dem Willen seiner Eltern eigentlich Franziskanermönch werden, fühlte sich aber vom bereits eingetretenen Reichtum dieses Ordens, der sich ja eigentlich besonderer Armut und Demut verpflichtet hatte (daher auch Minoriten oder Minderbrüder, also die Kleineren, Ärmeren, Niedrigeren) abgestoßen. Er gründete daher einen eigenen Orden, der im italienischen und französischen Sprachraum als Minimen (die Allerkleinsten, Allerärmsten, Allerniedrigsten) und im deutschen als Paulaner (nach dem Geburtsort des Gründers) bekannt wurde, und dessen Spezialitäten der hohe Stellenwert des eremitischen Lebens in Einseideleien abseits der Klöster und die äußerst karge und rein vegane Ernährung waren. Möglicherweise scheinen aber auch diese Ideale bald pragmatischer ausgelegt worden zu sein, denn der Konvent, nach dem diese Marke benannt ist (und in dem sich heute ein Wellnesspalast befindet) sieht ziemlich prächtig aus, und das Paulanerbier ist ja auch kein Quellwasser. Der (immer nur schwach ausgeprägte) weibliche Zweig des Ordens sind die Minimitinnen. Und vom ganzen Orden, der in der Französischen Revolution fast ausgelöscht wurde, sollen heute nur noch Restbestände irgendwo in Spanien und Südamerika existieren.
Restbestände, wie bei diesem Duft...
"Le Couvent", also "der Konvent" (ein in seiner Bedeutung schillerndes Wort, das aber meist das Wohn- oder Versammlungshaus der Mönche oder Nonnen in einem Kloster, oder das Kloster an sich, meint), eine französische Marke, pusselte von 2010 bis 2017 so vor sich hin und brachte jährlich etwa einen Duft heraus. Die Düfte machten alle ein bisschen auf Kloster: schlichte Flakons, auf alt gemachte Etiketten und klösterliche und christliche Namen wie Missionswasser (für einen orientalisch-gourmandigen Duft) oder Matutinwasser, oder eben Paulanerwasser (dieses hier). Natürlich war das schon damals Schein, aber bei so schönen Düften wie diesen breite ich darüber gerne den Mantel der christlichen Nächstenliebe. Broschüren oder Internetauftritte dieses alten Konvents kenne ich nicht, aber vermutlich waren sie in karolingischen Minuskeln geschrieben.
2018 kam aus mir nicht bekannten Gründen der harte Bruch: Alle bis dahin herausgegebenen Düfte wurden eingestellt und stattdessen innerhalb von nur drei Jahren knapp dreißig neue in drei Serien auf den Markt geworfen. Das Design der Flakons ist jetzt hip, als olfaktorischer Direktor eines großen Parfumeurteams fungiert Herr Ellena, und die christlichen Bezüge in den (neuen) Duftnamen und in der Unternehmenssaga sind auf ein Minimum reduziert. Der neue Konvent interpretiert sich jetzt so: Die Marke ist dem Andenken eines französischen Weltreisenden und Botanikers gewidmet, der in der Nähe von Le Couvent des Minimes (bzw. in der Nähe des Paulanerkonvents, den es ist nicht ganz klar, ob ein Dorf nach dem historischen Kloster, das heute noch steht, benannt ist) wohnte. Alles klar. Da ist mir dann eigentlich eine Fake-Kloster-Marke fast lieber als solche religiös überkorrekten Jahresendgrüße. Ahja, welcher Konzern (heute jedenfalls) hinter Le Couvent steht, habe ich nicht herausgefunden, der Vertrieb soll jedenfalls über die Zahnpastazaren von Colgate-Palmolive laufen.
Eau des Minimes ist eine liebliche, wundervoll schlichte, unendlich harmonische, unschuldig wirkende aber dennoch ganz schön komplexe Komposition aus drei Sechsteln Zitrik, zwei Sechsteln satten Grüns und einem Sechstel hübscher, sanfter, zarter Wiesenblümchen. Die Zitrik ist dominant, aber nicht vorlaut; es ist die mildeste und friedlichste Zitrone der Welt; tupft man den Duft auf, statt ihn zu sprühen, nimmt man eine pazifistische Pampelmuse wahr. Trotz des im Duftnotenblatt angegebenen Rosmarins nehme ich den grünen Teil weniger als kräuterig denn als grasig, blättrig und gemüsig wahr. Die Stiefmütterchen sprechen für sich selbst, oder wir schauen sie einfach entzückt an. Erwähnt werden soll noch, dass hier nicht nur die wenig prätentiöse Zutat Malve verbaut ist, sondern auch die Klette, die nicht nur als Vorbild für den Klettverschluss, sondern auch als Gift- und vor allem als vielfältig verwendete Heilpflanze bekannt geworden ist. Das ist deshalb etwas besonderes, weil Eau des Minimes unter den etwa 150.000 Düften der Parfumo-Datenbank der einzige Duft ist - genauer: war! - der diese Zutat enthält.
Eau de Minimes ist für mich der Duft des von mediterranen Zitrushainen umgebenenen Einsiedelei-Gemüsegärtchens (mit ein paar Blümchen darin als Tribut an die Schönheit) einer (selbstverständlich wunderschönen) Minimitin-Eremitin, deren Augenblick man einen Augenblick im Vorbeiwandern erhascht. Er ist formal als Cologne deklariert; ich empfinde ihn aber wegen der starken feuchtgrünen Komponente, die mich ein wenig an Eau de Camapagne von Sisley erinnert, nicht als colognetypisch, weshalb ich ihn außerhalb meiner Cologne-Reihen kommentiere. Die Haltbarkeit nehme ich stärker wahr als die meisten hier: gut vier Stunden hautnah.
Mörderbiene sei vielmals gedankt, dass er mir ermöglicht hat, diese Duftreliquie kennenzulernen, und herzlichen Glückwunsch an die 51 verzeichneten Besitzer eines Flakons. Haltet diesen Schatz in Ehren, wenn auch nicht in den Ehren der Altäre.
Da ich unter dem Alias eines Ordensmanns schreibe und hier schon mal als "Infotainment"-Experte beschrieben worden bin, will ich noch das Folgende hinzufügen (Dank insofern nicht nur an Wikipedia, sondern auch an Johanna Lanczkowskis "Kleines Lexikon des Mönchtums"): Franz von Paola, der im späten Mittelalter in Italien lebte, sollte nach dem Willen seiner Eltern eigentlich Franziskanermönch werden, fühlte sich aber vom bereits eingetretenen Reichtum dieses Ordens, der sich ja eigentlich besonderer Armut und Demut verpflichtet hatte (daher auch Minoriten oder Minderbrüder, also die Kleineren, Ärmeren, Niedrigeren) abgestoßen. Er gründete daher einen eigenen Orden, der im italienischen und französischen Sprachraum als Minimen (die Allerkleinsten, Allerärmsten, Allerniedrigsten) und im deutschen als Paulaner (nach dem Geburtsort des Gründers) bekannt wurde, und dessen Spezialitäten der hohe Stellenwert des eremitischen Lebens in Einseideleien abseits der Klöster und die äußerst karge und rein vegane Ernährung waren. Möglicherweise scheinen aber auch diese Ideale bald pragmatischer ausgelegt worden zu sein, denn der Konvent, nach dem diese Marke benannt ist (und in dem sich heute ein Wellnesspalast befindet) sieht ziemlich prächtig aus, und das Paulanerbier ist ja auch kein Quellwasser. Der (immer nur schwach ausgeprägte) weibliche Zweig des Ordens sind die Minimitinnen. Und vom ganzen Orden, der in der Französischen Revolution fast ausgelöscht wurde, sollen heute nur noch Restbestände irgendwo in Spanien und Südamerika existieren.
Restbestände, wie bei diesem Duft...
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