12.06.2019 - 08:19 Uhr
Profumo
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'Après l'Ondée' auf Speed
Aufgrund eines Inhaltstoffes habe ich jahrelang einen großen Bogen um diesen Duft gemacht: Cashmeran.
Mit diesem hell-holzigen, süßlich und moschusartig riechenden Duftstoff, der vorallem eines soll: Düfte kuschelig machen, konnte ich mich noch nie wirklich anfreunden Aber sowenig ich die Farbe Beige mag, mit dieser Farbe assoziiere ich Cashmeran, sowenig mag ich’s kuschelig – zumindest in olfaktorischer Hinsicht.
Nun habe ich aber irgendwo mal gelesen, dass Fréderic Malle (wie ja so viele!) Cashmeran ganz großartig findet, und dass er in Maurice Roucel einen Parfumeur fand, der ihm einen genuinen Cashmeran-Duft kreierte.
Roucel, ein Meister sinnlicher Düfte, man denke nur an ‚Musc Ravageur’ oder das EdC/EdP Duo von Helmut Lang, war vermutlich genau die richtige Wahl, diesen allseits, besonders in der modernen Herrenpafümerie, beliebten Duftstoff gebührend in Szene zu setzen.
Wie ein Bildhauer aus einem Marmorblock eine Skulptur meißelt, so entwickelte Maurice Roucel aus einem Block Cashmeran diesen so wunderbar poetisch lautenden Duft ‚Dans tes bras’. Dabei ist Cashmeran offenbar ein Stoff, mit dem sich seiner Komplexität und seines Facettenreichtums wegen sehr gut arbeiten lässt – so erklärt es jedenfalls der Meister persönlich.
Und da Roucel selbst ja das hauseigene ‚Musc Ravageur’ komponierte, lag es nahe, den neuen Duft in eine engere Beziehung zu diesem erfolgreichsten Malle-Duft zu setzen.
Sinnlichkeit gepaart mit deutlichen erotischen Vibes – Stichwort Moschus – sollte die gemeinsame Grundlage darstellen, allein die Darreichungsform eine völlig gegensätzliche sein: Extrovertiertheit hier (Musc Ravageur), Introvertiertheit dort (Dans tes bras).
Interessanterweise enthält ‚Musc Ravageur’ aber fast keinen Moschus, ‚Dans tes bras’ dafür umso mehr. Und so nennt Roucel ‚Dans tes bras’ auch folgerichtig sein eigentliches Moschus-Meisterwerk und eben nicht ‚Musc Ravageur’, den er als animalischen Orientalen mit starken Amber-Akzenten bezeichnet. Dennoch vermittelt ‚Musc Ravageur’ auf sehr direkte und erotische Weise die sinnlich-animalische Seite des Moschus, während ‚Dans tes bras’, wie der Name ja auch wunderbar bebildert, eher die stille, intime Seite hervorhebt.
Das Cashmeran-Moschus-Duo bildet nun das Zentrum und die Basis des Duftes. Da kuschelt’s gedämpft erotisch vor sich hin, dass es eine wahre Freude ist! Doch zum Glück sind noch andere Gäste zur Party geladen und durchkreuzen die heimelige Kuscheligkeit wo’s nur geht: rauchige Nuancen durchwabern die hell-holzigen Facetten des Cashmerans und einige florale Elemente sprießen fröhlich aus dessen Hauttönigkeit hervor, vor allem Veilchen, bzw. Veilchenblatt und Heliotrop. Ersteres bringt blumige Frische mit, während letzteres ein Mandel-artiges Aroma verströmt, das wunderbar mit den vanilligen Hautnoten des Cashmerans, sowie den Moschusakzenten harmoniert.
Hier erinnert mich ‚Dans tes bras’ sehr stark an Guerlains ‚Après l’ondée’, allerdings an ein ‚Après l’ondée’ auf Speed., denn das Heliotropin tritt in Malles Duft viel deutlicher und offensiver zutage als in dem wunderbaren, in pastellenen Tönen gehaltenen, leisen Duft von Guerlain.
Nein, pastellen sind die Farben des Maurice Roucel nun wirklich nicht, wie überhaupt der ganze Duft nicht wirklich leise ist, im Gegenteil. Er dreht zunächst ziemlich deutlich auf, wird dann zwar zunehmend leiser, besitzt aber eine gute Ausdauer und Präsenz. Auch hat er nicht die seidige, schleierartige Textur des Guerlain-Duftes sondern vielmehr eine fast kräftige, dichte Konsistenz. Wer in den Armen eines anderen liegt, hält schließlich keinen fein gewebten Seidenschal in Händen, sondern einen warmen, pulsierenden und festen Körper.
Hier unterscheidet sich ‚Dans tes bras’ auch wiederum von Roucels früherem Werk für Helmut Lang. Dessen EdC, bzw EdP gelten ja auch eher als Hautdüfte. Roucel berichtet über Helmut Langs Absichten: ‚He wanted the scent of his lover's sweat …erotic, musk, skin.’
So schön ihm das mit den fast schon legendären Helmut Lang-Düften gelungen ist, mit ‚Dans tes bras’ ist er einen entscheidenden Schritt weiter gegangen – hier duftet es nicht mehr ganz so frisch, adrett und sauber, hier schlummert die animalische Kraft im Verborgenen, subkutan sozusagen. Und das ist, finde ich, das Besondere an diesem Duft: die unterschwelligen erotischen Schwingungen, die diesen Duft mit einer leisen Erregung durchwirken.
So weit, so schön. Ein gelungener Hautduft, der mehr als die Reste eines verflogenen Parfums auf der Haut sein möchte, nämlich der Duft der Haut selbst, pulsierender Haut, von Erregung schweißfeuchter Haut, von Haut auf Haut.
Dabei ist ‚Dans tes bras’ natürlich nur die abstrakte Idee einer duftenden Haut, quasi der Idealfall wohlriechender Haut.
Doch was ist mit dem vermaledeiten Cashmeran?
Tja, ich muss gestehen, ich finde es hier gar nicht so schlecht. Maurice Roucel hat es geschafft dem blasse Beige einen dunkleren Teint zu geben, die vanillige Süße durch florale Kontraste zu bändigen, mithilfe salziger Beinoten sogar fast zu neutralisieren, und den hell-holzigen Noten durch feine Weihrauch-Schlieren etwas Charakter zu verleihen.
Großartig finde ich es immer noch nicht, aber vermutlich ist ‚Dans tes bras’ das Beste was diesem synthetischen und hybriden Stoff passieren konnte.
Auf die Frage welchem seiner Düfte Fréderic Malle etwas mehr Aufmerksamkeit wünschen würde, sagt er in einem Interview einmal: diesem hier.
Warum es ‚Dans tes bras’ von Seiten des geneigten Konsumentenpublikums an Aufmerksamkeit mangelt? Keine Ahnung.
Aber ich empfinde ‚Dans tes bras’ als intellektuellen, dabei nicht verkopften, überaus sinnlichen, für beide Geschlechter geeigneten Duft, der sich jedoch nicht gleich erschließt und sogar als sperrig empfunden werden kann.
Wer ihm eine Chance geben möchte: bitte mehrfach testen, es lohnt sich.
Der Duft wächst auf der Haut!
Mit diesem hell-holzigen, süßlich und moschusartig riechenden Duftstoff, der vorallem eines soll: Düfte kuschelig machen, konnte ich mich noch nie wirklich anfreunden Aber sowenig ich die Farbe Beige mag, mit dieser Farbe assoziiere ich Cashmeran, sowenig mag ich’s kuschelig – zumindest in olfaktorischer Hinsicht.
Nun habe ich aber irgendwo mal gelesen, dass Fréderic Malle (wie ja so viele!) Cashmeran ganz großartig findet, und dass er in Maurice Roucel einen Parfumeur fand, der ihm einen genuinen Cashmeran-Duft kreierte.
Roucel, ein Meister sinnlicher Düfte, man denke nur an ‚Musc Ravageur’ oder das EdC/EdP Duo von Helmut Lang, war vermutlich genau die richtige Wahl, diesen allseits, besonders in der modernen Herrenpafümerie, beliebten Duftstoff gebührend in Szene zu setzen.
Wie ein Bildhauer aus einem Marmorblock eine Skulptur meißelt, so entwickelte Maurice Roucel aus einem Block Cashmeran diesen so wunderbar poetisch lautenden Duft ‚Dans tes bras’. Dabei ist Cashmeran offenbar ein Stoff, mit dem sich seiner Komplexität und seines Facettenreichtums wegen sehr gut arbeiten lässt – so erklärt es jedenfalls der Meister persönlich.
Und da Roucel selbst ja das hauseigene ‚Musc Ravageur’ komponierte, lag es nahe, den neuen Duft in eine engere Beziehung zu diesem erfolgreichsten Malle-Duft zu setzen.
Sinnlichkeit gepaart mit deutlichen erotischen Vibes – Stichwort Moschus – sollte die gemeinsame Grundlage darstellen, allein die Darreichungsform eine völlig gegensätzliche sein: Extrovertiertheit hier (Musc Ravageur), Introvertiertheit dort (Dans tes bras).
Interessanterweise enthält ‚Musc Ravageur’ aber fast keinen Moschus, ‚Dans tes bras’ dafür umso mehr. Und so nennt Roucel ‚Dans tes bras’ auch folgerichtig sein eigentliches Moschus-Meisterwerk und eben nicht ‚Musc Ravageur’, den er als animalischen Orientalen mit starken Amber-Akzenten bezeichnet. Dennoch vermittelt ‚Musc Ravageur’ auf sehr direkte und erotische Weise die sinnlich-animalische Seite des Moschus, während ‚Dans tes bras’, wie der Name ja auch wunderbar bebildert, eher die stille, intime Seite hervorhebt.
Das Cashmeran-Moschus-Duo bildet nun das Zentrum und die Basis des Duftes. Da kuschelt’s gedämpft erotisch vor sich hin, dass es eine wahre Freude ist! Doch zum Glück sind noch andere Gäste zur Party geladen und durchkreuzen die heimelige Kuscheligkeit wo’s nur geht: rauchige Nuancen durchwabern die hell-holzigen Facetten des Cashmerans und einige florale Elemente sprießen fröhlich aus dessen Hauttönigkeit hervor, vor allem Veilchen, bzw. Veilchenblatt und Heliotrop. Ersteres bringt blumige Frische mit, während letzteres ein Mandel-artiges Aroma verströmt, das wunderbar mit den vanilligen Hautnoten des Cashmerans, sowie den Moschusakzenten harmoniert.
Hier erinnert mich ‚Dans tes bras’ sehr stark an Guerlains ‚Après l’ondée’, allerdings an ein ‚Après l’ondée’ auf Speed., denn das Heliotropin tritt in Malles Duft viel deutlicher und offensiver zutage als in dem wunderbaren, in pastellenen Tönen gehaltenen, leisen Duft von Guerlain.
Nein, pastellen sind die Farben des Maurice Roucel nun wirklich nicht, wie überhaupt der ganze Duft nicht wirklich leise ist, im Gegenteil. Er dreht zunächst ziemlich deutlich auf, wird dann zwar zunehmend leiser, besitzt aber eine gute Ausdauer und Präsenz. Auch hat er nicht die seidige, schleierartige Textur des Guerlain-Duftes sondern vielmehr eine fast kräftige, dichte Konsistenz. Wer in den Armen eines anderen liegt, hält schließlich keinen fein gewebten Seidenschal in Händen, sondern einen warmen, pulsierenden und festen Körper.
Hier unterscheidet sich ‚Dans tes bras’ auch wiederum von Roucels früherem Werk für Helmut Lang. Dessen EdC, bzw EdP gelten ja auch eher als Hautdüfte. Roucel berichtet über Helmut Langs Absichten: ‚He wanted the scent of his lover's sweat …erotic, musk, skin.’
So schön ihm das mit den fast schon legendären Helmut Lang-Düften gelungen ist, mit ‚Dans tes bras’ ist er einen entscheidenden Schritt weiter gegangen – hier duftet es nicht mehr ganz so frisch, adrett und sauber, hier schlummert die animalische Kraft im Verborgenen, subkutan sozusagen. Und das ist, finde ich, das Besondere an diesem Duft: die unterschwelligen erotischen Schwingungen, die diesen Duft mit einer leisen Erregung durchwirken.
So weit, so schön. Ein gelungener Hautduft, der mehr als die Reste eines verflogenen Parfums auf der Haut sein möchte, nämlich der Duft der Haut selbst, pulsierender Haut, von Erregung schweißfeuchter Haut, von Haut auf Haut.
Dabei ist ‚Dans tes bras’ natürlich nur die abstrakte Idee einer duftenden Haut, quasi der Idealfall wohlriechender Haut.
Doch was ist mit dem vermaledeiten Cashmeran?
Tja, ich muss gestehen, ich finde es hier gar nicht so schlecht. Maurice Roucel hat es geschafft dem blasse Beige einen dunkleren Teint zu geben, die vanillige Süße durch florale Kontraste zu bändigen, mithilfe salziger Beinoten sogar fast zu neutralisieren, und den hell-holzigen Noten durch feine Weihrauch-Schlieren etwas Charakter zu verleihen.
Großartig finde ich es immer noch nicht, aber vermutlich ist ‚Dans tes bras’ das Beste was diesem synthetischen und hybriden Stoff passieren konnte.
Auf die Frage welchem seiner Düfte Fréderic Malle etwas mehr Aufmerksamkeit wünschen würde, sagt er in einem Interview einmal: diesem hier.
Warum es ‚Dans tes bras’ von Seiten des geneigten Konsumentenpublikums an Aufmerksamkeit mangelt? Keine Ahnung.
Aber ich empfinde ‚Dans tes bras’ als intellektuellen, dabei nicht verkopften, überaus sinnlichen, für beide Geschlechter geeigneten Duft, der sich jedoch nicht gleich erschließt und sogar als sperrig empfunden werden kann.
Wer ihm eine Chance geben möchte: bitte mehrfach testen, es lohnt sich.
Der Duft wächst auf der Haut!
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