16.07.2021 - 13:14 Uhr
Siebenkäs
63 Rezensionen
Siebenkäs
Top Rezension
35
Fassung
Dann fiel ihm noch ein Satz ein:
„Die Sprache marschiert im Gleichschritt mit den Bütteln.
Deshalb müssen wir eine neue Sprache erfinden.“
Dieser Satz… sollte er ihn verbreiten, irgendwo wild ein-
pflanzen, z.B. auf der Toilettenwand eines Cafès
oder in einem Parfumforum?
Oder war er nur wieder mal zu ernst?
Er schnupperte an sich selbst.
Der Widerspruch war es, der ihm gefiel.
Vielleicht waren es sogar mehrere davon.
Der Erste hieß männlich & blumig, ja geradezu rosig.
Nicht, dass er eins von beiden für sich allein
besonders schätzte. Aber beides zugleich war nicht
normal. Und somit zwangsläufig reizvoll.
Ein anderer bestand aus grüner, leicht erdiger Garten-Würze,
die noch am Spaten klebt, gepaart mit seifiger Sauberkeit.
Man könnte auch sagen – trocken und süß.
Oder auch bitter und lieblich.
Aramis 900 kommt aus Amerika, riecht aber englisch.
Oder?
Eigentlich war das Blödsinn.
Bedeutete ihm Herkunft denn etwas?
Für ihn kam dieser Duft eher aus einem Land,
das noch nicht leer geträumt war.
War das am Ende wieder ein Zitat, von wo auch immer?
Wieviel würde von ihm selbst übrigbleiben,
wenn man alle Zitate, alle Gedankenblüten aus irgendwo
mal Geschriebenem abzöge?
Was wäre das für einer, der dann vor einem stünde?
Wie wäre er?
Auf jeden Fall – elegant.
Denn das war er doch, zweifelsohne.
Für seine eigenen Maßstäbe jedenfalls.
Und das hieß – für andere nicht unbedingt wahrnehmbar.
Seine spezielle Eitelkeit.
Teure Klamotten, die eher ärmlich aussahen.
Natürlich gab es Leute, die es doch genau sahen und
erkannten. (Zum Glück?)
„Klamotten“ nannte er sie schon allein, um vor sich
selbst möglichst viel von etwas zu kaschieren, dass man
womöglich elitär nennen könnte.
Oder – schlimmer fast – high class. Er hasste das Wort.
Er schrieb es so klein wie möglich.
Eleganz war ja fast schon ein Wert für ihn.
Eleganz ist die Kunst dasselbe anders zu tun.
Und sie steckte auch in Aramis 900 .
Eine schneeweiße, gebügelte Taschentuch-Eleganz.
Die eines Taschentuchs, das man niemals benutzte,
sondern nur für den Fall eines nötigen Hilfseinsatzes
bereithielt, etwa einem Missgeschick einer Frau
oder auch eines Mannes.
Die Eleganz von Aramis 900 war zurückhaltend und
doch auch ein bisschen laut. So, wie Eleganz nun mal
je nach Umfeld sich dezenter oder deutlicher abhebt.
In diesem Duft spielten das Feminine und das Maskuline
ein raffiniertes Spiel. Denn das Florale meldete sich
immer wieder zu Wort im Duftverlauf.
Und wirkte stets wieder ein wenig anders, wenn
die Entwicklung des Duftes sanft die Richtung wechselte.
Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung
wechseln können. War das er oder Man Ray?
Der Duft erinnerte ihn an ein sehr buntes Einstecktuch,
das ja im Gesamtbild dennoch konservativ wirkte.
Oranges Paisley-Muster auf grünem Grund, das Ganze
vor dem ruhigen Hintergrund eines beigen Leinensakkos.
Dem entsprach das Rosen-dominierte Blumenbouquet
mit ein paar Maiglöckchen, Nelken und ein klein wenig
Iris, das vor einem bitter-holzig-ernstem Tableau mit einer
gewissen pudrig-erdigen Aura zu schweben schien.
Florale-rosige Üppigkeit gepaart mit leicht Bitternis.
Das Prinzip des Unerwarteten.
Auf Partys war er jemand, mit dem man sich eigentlich
gerne unterhielt, ja auch gern gesehen wurde, weil er
als nicht unbedingt langweilig galt.
So understated formulierte er das vor sich selbst.
Zugleich aber fürchtete man ihn als bisweilen unberechen-
baren Stimmungskiller. Von einem Thema wie „Laufschuhe,
die unter 300 Gramm wiegen und eine Art Boostergefühl
erzeugen“, konnte er in 2,5 Sek auf Kinderarbeit umleiten.
Ohne dabei eine Miene zu verziehen. Oder schlecht gelaunt
zu wirken.
Oder neulich auf der Groucho-look-a-like-Party.
Da fiel er aus dem Rahmen, weil er statt Kostüm eine graue
Hose und ein graues T-Shirt trug, auf dem stand:
„Der Mensch ist ein sprachbegabtes Tier, das sich immer
durch das Wort verführen lassen wird.“
Ist das etwa Humor mit Dornen? Eine Art Rosen-Humor?
Irgendwie schien er gern allem Leichten etwas Schweres
beizumischen.
Ähnelte er da nicht vielleicht Aramis 900, das unvermittelt
von floraler Verspieltheit, die so fröhlich wie eine Rose
im Knopfloch daher hüpfte, zu einer vegetabil-bitteren
Herbheit umschwenken konnte, die manch einen an
Friedhöfe erinnern mochte.
Heiterkeit und Ernst.
Wobei er genau wusste, wie wenig Ernst allein wert war.
Wie hatte es dieser Journalist schon im 19. Jahrhundert
gesagt? Ernst ist das Mittelmäßige und das Mittelmäßige
ist das Schlechteste, denn es ist langweilig.
War das seine eigentliche Angst – langweilig zu sein?
Die ganze Eleganz nichts weiter als Tünche?
Wollte er sich diese Frage überhaupt beantworten?
Am Ende wurde Aramis 900 weicher, ausgeglichener.
Holz, eine feine, distinguierte Moosnote, eine tiefe,
ruhige harmonisch passende Patchouli-Melodie.
Ein vollkommen gefasstes Wesen der Gattung Chypre,
das Widersprüche einfach in Einklang brachte. Seinem
Bruder, dem ungestümen, schillernd-oszillierenden, viel-
gesichtigem Aromatics Elixir durchaus nicht unähnlich.
Nur eben beherrschter, kontrollierter, gefasster.
„Alles halb so wild“, sagte Aramis 900.
„Ja, ich glaube du hast recht, ich muss wirklich nicht alle
Fragen beantworten.“
„Du musst gar nichts“, sagte der Duft.
„Die Sprache marschiert im Gleichschritt mit den Bütteln.
Deshalb müssen wir eine neue Sprache erfinden.“
Dieser Satz… sollte er ihn verbreiten, irgendwo wild ein-
pflanzen, z.B. auf der Toilettenwand eines Cafès
oder in einem Parfumforum?
Oder war er nur wieder mal zu ernst?
Er schnupperte an sich selbst.
Der Widerspruch war es, der ihm gefiel.
Vielleicht waren es sogar mehrere davon.
Der Erste hieß männlich & blumig, ja geradezu rosig.
Nicht, dass er eins von beiden für sich allein
besonders schätzte. Aber beides zugleich war nicht
normal. Und somit zwangsläufig reizvoll.
Ein anderer bestand aus grüner, leicht erdiger Garten-Würze,
die noch am Spaten klebt, gepaart mit seifiger Sauberkeit.
Man könnte auch sagen – trocken und süß.
Oder auch bitter und lieblich.
Aramis 900 kommt aus Amerika, riecht aber englisch.
Oder?
Eigentlich war das Blödsinn.
Bedeutete ihm Herkunft denn etwas?
Für ihn kam dieser Duft eher aus einem Land,
das noch nicht leer geträumt war.
War das am Ende wieder ein Zitat, von wo auch immer?
Wieviel würde von ihm selbst übrigbleiben,
wenn man alle Zitate, alle Gedankenblüten aus irgendwo
mal Geschriebenem abzöge?
Was wäre das für einer, der dann vor einem stünde?
Wie wäre er?
Auf jeden Fall – elegant.
Denn das war er doch, zweifelsohne.
Für seine eigenen Maßstäbe jedenfalls.
Und das hieß – für andere nicht unbedingt wahrnehmbar.
Seine spezielle Eitelkeit.
Teure Klamotten, die eher ärmlich aussahen.
Natürlich gab es Leute, die es doch genau sahen und
erkannten. (Zum Glück?)
„Klamotten“ nannte er sie schon allein, um vor sich
selbst möglichst viel von etwas zu kaschieren, dass man
womöglich elitär nennen könnte.
Oder – schlimmer fast – high class. Er hasste das Wort.
Er schrieb es so klein wie möglich.
Eleganz war ja fast schon ein Wert für ihn.
Eleganz ist die Kunst dasselbe anders zu tun.
Und sie steckte auch in Aramis 900 .
Eine schneeweiße, gebügelte Taschentuch-Eleganz.
Die eines Taschentuchs, das man niemals benutzte,
sondern nur für den Fall eines nötigen Hilfseinsatzes
bereithielt, etwa einem Missgeschick einer Frau
oder auch eines Mannes.
Die Eleganz von Aramis 900 war zurückhaltend und
doch auch ein bisschen laut. So, wie Eleganz nun mal
je nach Umfeld sich dezenter oder deutlicher abhebt.
In diesem Duft spielten das Feminine und das Maskuline
ein raffiniertes Spiel. Denn das Florale meldete sich
immer wieder zu Wort im Duftverlauf.
Und wirkte stets wieder ein wenig anders, wenn
die Entwicklung des Duftes sanft die Richtung wechselte.
Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung
wechseln können. War das er oder Man Ray?
Der Duft erinnerte ihn an ein sehr buntes Einstecktuch,
das ja im Gesamtbild dennoch konservativ wirkte.
Oranges Paisley-Muster auf grünem Grund, das Ganze
vor dem ruhigen Hintergrund eines beigen Leinensakkos.
Dem entsprach das Rosen-dominierte Blumenbouquet
mit ein paar Maiglöckchen, Nelken und ein klein wenig
Iris, das vor einem bitter-holzig-ernstem Tableau mit einer
gewissen pudrig-erdigen Aura zu schweben schien.
Florale-rosige Üppigkeit gepaart mit leicht Bitternis.
Das Prinzip des Unerwarteten.
Auf Partys war er jemand, mit dem man sich eigentlich
gerne unterhielt, ja auch gern gesehen wurde, weil er
als nicht unbedingt langweilig galt.
So understated formulierte er das vor sich selbst.
Zugleich aber fürchtete man ihn als bisweilen unberechen-
baren Stimmungskiller. Von einem Thema wie „Laufschuhe,
die unter 300 Gramm wiegen und eine Art Boostergefühl
erzeugen“, konnte er in 2,5 Sek auf Kinderarbeit umleiten.
Ohne dabei eine Miene zu verziehen. Oder schlecht gelaunt
zu wirken.
Oder neulich auf der Groucho-look-a-like-Party.
Da fiel er aus dem Rahmen, weil er statt Kostüm eine graue
Hose und ein graues T-Shirt trug, auf dem stand:
„Der Mensch ist ein sprachbegabtes Tier, das sich immer
durch das Wort verführen lassen wird.“
Ist das etwa Humor mit Dornen? Eine Art Rosen-Humor?
Irgendwie schien er gern allem Leichten etwas Schweres
beizumischen.
Ähnelte er da nicht vielleicht Aramis 900, das unvermittelt
von floraler Verspieltheit, die so fröhlich wie eine Rose
im Knopfloch daher hüpfte, zu einer vegetabil-bitteren
Herbheit umschwenken konnte, die manch einen an
Friedhöfe erinnern mochte.
Heiterkeit und Ernst.
Wobei er genau wusste, wie wenig Ernst allein wert war.
Wie hatte es dieser Journalist schon im 19. Jahrhundert
gesagt? Ernst ist das Mittelmäßige und das Mittelmäßige
ist das Schlechteste, denn es ist langweilig.
War das seine eigentliche Angst – langweilig zu sein?
Die ganze Eleganz nichts weiter als Tünche?
Wollte er sich diese Frage überhaupt beantworten?
Am Ende wurde Aramis 900 weicher, ausgeglichener.
Holz, eine feine, distinguierte Moosnote, eine tiefe,
ruhige harmonisch passende Patchouli-Melodie.
Ein vollkommen gefasstes Wesen der Gattung Chypre,
das Widersprüche einfach in Einklang brachte. Seinem
Bruder, dem ungestümen, schillernd-oszillierenden, viel-
gesichtigem Aromatics Elixir durchaus nicht unähnlich.
Nur eben beherrschter, kontrollierter, gefasster.
„Alles halb so wild“, sagte Aramis 900.
„Ja, ich glaube du hast recht, ich muss wirklich nicht alle
Fragen beantworten.“
„Du musst gar nichts“, sagte der Duft.
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