12.08.2024 - 07:06 Uhr

Axiomatic
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Axiomatic
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32
Germaniens Gruselmärchen
Erklärungsversuche, nachdem man als Geisterfahrer die gesittete Duftvergangenheit etlicher Duftanhänger arg beschmutzt hat.
Aber ich kann nicht anders.
Und ich hoffe, dass nach der Lektüre meines tapferen Durchhaltens im Pantheon Germaniens meine Einschätzung des heiligen Grals verständlicher wird.
1995
Herrje, was ist aus der Duftwelt der Herrensparte geworden?
Abgerundet, verweichlicht, obstbeladen, verwässert.
Die deutschen Duft-Anbieter jonglierten zu jener Zeit mit Lübecker Marzipan.
Und so hegte ich große Hoffnung, dass zumindest Grinsekater Willy Bogner die Skibretter doch noch durch herrlich alpine Landschaften wie einst reiten könnte.
Konzernparfümerie.
Palim palim.
Grüner Flakon wie gehabt, der Bogen an gewohnter Stelle.
Der Name leider angelsächsisch massenkompatibel uninspiriert.
Zisch!
Hoppla, tiefe Orange zur Begrüßung. Eher die schönen getrockneten Scheiben mit dem kuscheligem Aroma.
An Muskatnuss wird nicht gespart. So wird für Wärme gesorgt.
Etwas Rosmarin sorgt für eine Erinnerung der 1980er Glanzstücke des Hauses.
Doch…
Trockener Zimt und herbe Lavendelblüten verdüstern die anfängliche Skihütten-Stimmung am Kamin.
Dazu noch der cremige Akkord aus Moschus und Sandelholz (nicht deklariert) der Basis, abgerundet mit Labdanum.
Hier die eine dunkle und dumpfe Seite des Duftes, welche von einer hellen, leicht stechenden Gegenseite durchbohrt wird. Neroli kämpft sich da durch und wird leicht säuerlich vom Vetiver unterstützt.
Das Ruhebett wird aus erdigem Patchouli, leisem Weihrauch und leicht bitterem Moos gebildet.
Doch nach einer Weile, etwa zwei Stunden, zeigt der Duft sein wahres Gesicht.
Das Sandelholz wird mit Zeder unterstützt, das Vetiver bekommt genau diese grüngraue Schattierung, welche die Bürotauglichkeit signalisiert.
Abgerundet wird weiterhin mit cremigem Moschus.
Entfernt noch die Gewürze zu vernehmen, von der Orange blieb nichts mehr übrig. Dafür aber ein vanilliges Harz ganz nach dem Geschmack der lieblichen 1990er.
Kein tiefer Wald weit und breit an der Münchner Ingolstädter Straße mit ihren Bürobauten.
Leider hielt sich meine Begeisterung damals in Grenzen.
Ich hatte tatsächlich eine Variante von Rouge Eau de Toilette an Orange wahrgenommen.
Wo blieben die Inspirationen von Bogner Man (1985) und Bogner Man II ?
Heute würde der Duft wie warme Semmel weg gehen, keine Frage.
Der perfekte Begleiter in der kalten Jahreszeit.
Mir leider zu cremig, anfangs mit etwas unstimmigen Kontrasten und einer technisch gediegenen aber mir zu gesetzten Basis.
Was ich aber der Komposition hochhalte, das ist ihre Inspirationskraft. Immerhin duften heuer nicht wenige Kreationen ähnlich, teilen ihre Grundstruktur.
Von daher dürften Anhänger des Duftes recht einfach Ersatzmöglichkeiten finden, die immer noch angeboten werden.
So, und nun das Erlebte.
In den Freundeskreis gesellte sich damals ein Hüne dazu.
Er war so groß wie die Blitze des Thors, hatte aber auch unter niedrigem Blutdruck zu leiden.
Blass war sein Erscheinungsbild, aschblonde Haare, helle graublaue Augen, kreidebleiche Haut.
Ernst war er, lachte nur bei extrem guten Witzen zwanzig Sekunden und beruhigte sich schnell wieder.
Und traurig fühlte er sich weit weg von seiner mystisch märchenhaften Waldheimat.
Eine gehässige Seele (nach beendeter Beziehung folgerichtig giftig wie eine zornige Kreuzotter) titulierte ihn Butler Lurch der Addams Familie.
Doch für mich war er der coolste Kenner symbolischer Abwehrzauber an Fachwerkhäusern.
Allein wie er die gruseligen Aspekte gemeiner germanischer Gottheiten beschrieb, jagte mir kalte Schauder den Rücken runter.
Er bebilderte alles so ruhig und gefasst, fast wie der Chronist des örtlichen Friedhofs.
Ach ja, dreimal dürft Ihr raten, welchen Duft er entsprechend seiner Körperlänge großzügig applizierte.
„So riecht mein Wald“ murmelt er voller Heimweh und recht genervt, als ich etwas neckisch ihn klar machen wollte, dass Zimtsterne wohl zu seinem göttlichen Speiseplan gehörten.
Unbewandert wie ich immer noch bin, kann ich leider nur vermuten, dass Göttin Freya zwischen erlaubten und verbotenen Plätzchen unterscheidet.
So nach dem Motto der kryptischen Sage, als jener germanische Jüngling es wagte, die dreifach und eben nicht zweifach gedrehte Brezel zu verputzen, verwandelte sie ihn in ein Eichhörnchen!
Unsere erste Meinungsverschiedenheit ließ natürlich nicht lange auf sich warten und ich, der simple Alberich, erklärte ihm, dass der Duft weder Kiefern noch Tannen vorweise, wohl aber Gewürze aus fernen Ländern. Und Sandelholz sei kein heimisches Gewächs.
Ob er es nicht mit Krizia Uomo Eau de Toilette versuchen wolle.
Ui ui ui
Wodan, Odin, Thor, you name it, brauten recht schnell ein Fässchen Rache in seinem Dachstüble.
Was mich erwarten sollte…
Unsere Rasselbande amüsierte sich an jenem Abend im Frankfurter Kultclub Plasik in dieser schönen Villa mitten im Bethmannpark.
Doch der Zorn Thors hatte andere Pläne vor.
Klassisch, tanzverschwitzt und etwas angesäuselt machte ich mir keine Gedanken ob seines Vorschlags, der Spur der Gehängten am Main zu folgen.
Und so fuhren wir durch die dunkle Nacht entlang gruseliger Orte. Die Stimmung sollte stets finsterer werden, je weiter wir verborgene Stätte des Grauens ansteuerten.
Um es noch zu untermalen, ließ er eine dieser obskuren EBM Grüppchen auf Kassette laufen mit diesen gekonnt dosierten Texten der Hölle.
Was aber nicht so richtig passen wollte, das war der cremige Geruch gesetzter Hölzer und Vetiver.
Im Nachhinein würde ich sagen, dass ich neben dem Buchhalter des Bestattungsunternehmen saß. Damals aber fand ich seine bognerische Ausdünstung etwas abtörnend brav.
Gut, das hinderte ihn nicht, mir mit aller Präzision die Aufgaben der Scharfrichter, den ausgewählten Standort der Gerichtslinde, die Vergehen der Verdammten und deren Verbleib zu schildern.
Irgendwie hatte ich langsam das Gefühl, dass mein späteres Verschwinden für erfolglose Suchaufrufe der Polizei im Radio sorgen würde.
Und ich hatte plötzlich unerklärliche Angst.
Im Nordosten der Mainmetropole hielten wir endlich an einem Hügel an.
Dort würden immer noch die Geister jener Kopflosen sich an den Lebenden rächen.
In der Dunkelheit konnte ich nur einen großen Baum auf der Wiese ausmachen, wahrscheinlich der Hinrichtungsort.
Er schnaufte etwas beim Gehen, legte aber seine Pranke von Hand auf meinen Nacken und begann über die Hinrichtungsmethoden zu sinnieren.
Das war‘s, ich bin Geschichte!
Doch…
In der Finsternis übersah er einen Kaninchenbau und stolperte, zog mich automatisch mit und wir landeten auf dem kalten Boden.
Aufgeschreckt heulte und kicherte ein putziges Tier mit funkelnden Augen an einem Gebüsch.
Ein Fuchs!
Der Riese begann panisch zu hyperventilieren, dieses Vieh könnte die Tollwut übertragen!
Und eh ich mich versah, spielte sein niedriger Blutdruck meinen rettenden Trumpf aus.
Er fiel für ein paar Augenblicke in Ohnmacht.
Um es kurz zu machen, ich schaffte es, ihn wieder wach zu ohrfeigen, seine schwere Masse zum Wagen zu schleppen, wo wir anschließend überglücklich lachten, es doch noch bei den Lebenden auszuhalten.
Aber den Duft würde er weiterhin als Signatur behalten.
Bei Teutates!
Aber ich kann nicht anders.
Und ich hoffe, dass nach der Lektüre meines tapferen Durchhaltens im Pantheon Germaniens meine Einschätzung des heiligen Grals verständlicher wird.
1995
Herrje, was ist aus der Duftwelt der Herrensparte geworden?
Abgerundet, verweichlicht, obstbeladen, verwässert.
Die deutschen Duft-Anbieter jonglierten zu jener Zeit mit Lübecker Marzipan.
Und so hegte ich große Hoffnung, dass zumindest Grinsekater Willy Bogner die Skibretter doch noch durch herrlich alpine Landschaften wie einst reiten könnte.
Konzernparfümerie.
Palim palim.
Grüner Flakon wie gehabt, der Bogen an gewohnter Stelle.
Der Name leider angelsächsisch massenkompatibel uninspiriert.
Zisch!
Hoppla, tiefe Orange zur Begrüßung. Eher die schönen getrockneten Scheiben mit dem kuscheligem Aroma.
An Muskatnuss wird nicht gespart. So wird für Wärme gesorgt.
Etwas Rosmarin sorgt für eine Erinnerung der 1980er Glanzstücke des Hauses.
Doch…
Trockener Zimt und herbe Lavendelblüten verdüstern die anfängliche Skihütten-Stimmung am Kamin.
Dazu noch der cremige Akkord aus Moschus und Sandelholz (nicht deklariert) der Basis, abgerundet mit Labdanum.
Hier die eine dunkle und dumpfe Seite des Duftes, welche von einer hellen, leicht stechenden Gegenseite durchbohrt wird. Neroli kämpft sich da durch und wird leicht säuerlich vom Vetiver unterstützt.
Das Ruhebett wird aus erdigem Patchouli, leisem Weihrauch und leicht bitterem Moos gebildet.
Doch nach einer Weile, etwa zwei Stunden, zeigt der Duft sein wahres Gesicht.
Das Sandelholz wird mit Zeder unterstützt, das Vetiver bekommt genau diese grüngraue Schattierung, welche die Bürotauglichkeit signalisiert.
Abgerundet wird weiterhin mit cremigem Moschus.
Entfernt noch die Gewürze zu vernehmen, von der Orange blieb nichts mehr übrig. Dafür aber ein vanilliges Harz ganz nach dem Geschmack der lieblichen 1990er.
Kein tiefer Wald weit und breit an der Münchner Ingolstädter Straße mit ihren Bürobauten.
Leider hielt sich meine Begeisterung damals in Grenzen.
Ich hatte tatsächlich eine Variante von Rouge Eau de Toilette an Orange wahrgenommen.
Wo blieben die Inspirationen von Bogner Man (1985) und Bogner Man II ?
Heute würde der Duft wie warme Semmel weg gehen, keine Frage.
Der perfekte Begleiter in der kalten Jahreszeit.
Mir leider zu cremig, anfangs mit etwas unstimmigen Kontrasten und einer technisch gediegenen aber mir zu gesetzten Basis.
Was ich aber der Komposition hochhalte, das ist ihre Inspirationskraft. Immerhin duften heuer nicht wenige Kreationen ähnlich, teilen ihre Grundstruktur.
Von daher dürften Anhänger des Duftes recht einfach Ersatzmöglichkeiten finden, die immer noch angeboten werden.
So, und nun das Erlebte.
In den Freundeskreis gesellte sich damals ein Hüne dazu.
Er war so groß wie die Blitze des Thors, hatte aber auch unter niedrigem Blutdruck zu leiden.
Blass war sein Erscheinungsbild, aschblonde Haare, helle graublaue Augen, kreidebleiche Haut.
Ernst war er, lachte nur bei extrem guten Witzen zwanzig Sekunden und beruhigte sich schnell wieder.
Und traurig fühlte er sich weit weg von seiner mystisch märchenhaften Waldheimat.
Eine gehässige Seele (nach beendeter Beziehung folgerichtig giftig wie eine zornige Kreuzotter) titulierte ihn Butler Lurch der Addams Familie.
Doch für mich war er der coolste Kenner symbolischer Abwehrzauber an Fachwerkhäusern.
Allein wie er die gruseligen Aspekte gemeiner germanischer Gottheiten beschrieb, jagte mir kalte Schauder den Rücken runter.
Er bebilderte alles so ruhig und gefasst, fast wie der Chronist des örtlichen Friedhofs.
Ach ja, dreimal dürft Ihr raten, welchen Duft er entsprechend seiner Körperlänge großzügig applizierte.
„So riecht mein Wald“ murmelt er voller Heimweh und recht genervt, als ich etwas neckisch ihn klar machen wollte, dass Zimtsterne wohl zu seinem göttlichen Speiseplan gehörten.
Unbewandert wie ich immer noch bin, kann ich leider nur vermuten, dass Göttin Freya zwischen erlaubten und verbotenen Plätzchen unterscheidet.
So nach dem Motto der kryptischen Sage, als jener germanische Jüngling es wagte, die dreifach und eben nicht zweifach gedrehte Brezel zu verputzen, verwandelte sie ihn in ein Eichhörnchen!
Unsere erste Meinungsverschiedenheit ließ natürlich nicht lange auf sich warten und ich, der simple Alberich, erklärte ihm, dass der Duft weder Kiefern noch Tannen vorweise, wohl aber Gewürze aus fernen Ländern. Und Sandelholz sei kein heimisches Gewächs.
Ob er es nicht mit Krizia Uomo Eau de Toilette versuchen wolle.
Ui ui ui
Wodan, Odin, Thor, you name it, brauten recht schnell ein Fässchen Rache in seinem Dachstüble.
Was mich erwarten sollte…
Unsere Rasselbande amüsierte sich an jenem Abend im Frankfurter Kultclub Plasik in dieser schönen Villa mitten im Bethmannpark.
Doch der Zorn Thors hatte andere Pläne vor.
Klassisch, tanzverschwitzt und etwas angesäuselt machte ich mir keine Gedanken ob seines Vorschlags, der Spur der Gehängten am Main zu folgen.
Und so fuhren wir durch die dunkle Nacht entlang gruseliger Orte. Die Stimmung sollte stets finsterer werden, je weiter wir verborgene Stätte des Grauens ansteuerten.
Um es noch zu untermalen, ließ er eine dieser obskuren EBM Grüppchen auf Kassette laufen mit diesen gekonnt dosierten Texten der Hölle.
Was aber nicht so richtig passen wollte, das war der cremige Geruch gesetzter Hölzer und Vetiver.
Im Nachhinein würde ich sagen, dass ich neben dem Buchhalter des Bestattungsunternehmen saß. Damals aber fand ich seine bognerische Ausdünstung etwas abtörnend brav.
Gut, das hinderte ihn nicht, mir mit aller Präzision die Aufgaben der Scharfrichter, den ausgewählten Standort der Gerichtslinde, die Vergehen der Verdammten und deren Verbleib zu schildern.
Irgendwie hatte ich langsam das Gefühl, dass mein späteres Verschwinden für erfolglose Suchaufrufe der Polizei im Radio sorgen würde.
Und ich hatte plötzlich unerklärliche Angst.
Im Nordosten der Mainmetropole hielten wir endlich an einem Hügel an.
Dort würden immer noch die Geister jener Kopflosen sich an den Lebenden rächen.
In der Dunkelheit konnte ich nur einen großen Baum auf der Wiese ausmachen, wahrscheinlich der Hinrichtungsort.
Er schnaufte etwas beim Gehen, legte aber seine Pranke von Hand auf meinen Nacken und begann über die Hinrichtungsmethoden zu sinnieren.
Das war‘s, ich bin Geschichte!
Doch…
In der Finsternis übersah er einen Kaninchenbau und stolperte, zog mich automatisch mit und wir landeten auf dem kalten Boden.
Aufgeschreckt heulte und kicherte ein putziges Tier mit funkelnden Augen an einem Gebüsch.
Ein Fuchs!
Der Riese begann panisch zu hyperventilieren, dieses Vieh könnte die Tollwut übertragen!
Und eh ich mich versah, spielte sein niedriger Blutdruck meinen rettenden Trumpf aus.
Er fiel für ein paar Augenblicke in Ohnmacht.
Um es kurz zu machen, ich schaffte es, ihn wieder wach zu ohrfeigen, seine schwere Masse zum Wagen zu schleppen, wo wir anschließend überglücklich lachten, es doch noch bei den Lebenden auszuhalten.
Aber den Duft würde er weiterhin als Signatur behalten.
Bei Teutates!
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