22.06.2020 - 17:26 Uhr

Fittleworth
89 Rezensionen

Fittleworth
59
Kummerkasten: Fragen Sie Dr. Onckelmann!
“Hababah! Und abermals Bah!”
Mömselbach verzog gequält das Gesicht und stülpte die Unterlippe trotzig nach vorn.
Seit geraumer Zeit fand er kaum noch Vergnügen daran, den Kummerkasten einer geruchsaffinen Kommune zu betreuen.
War dies vor Dekaden noch ein ebenso vergnügliches wie gedeihliches Streunen durch gar erstaunliche Weiten, um nicht zu sagen die ganze Welt der feinen Düfte und der erlesenen Elixiere gewesen, so verödete nunmehr ein dortselbst seit einiger Zeit zu verortender Mangel an Exklusivität und Feinsinn alle Freude und minderte nachhaltig jedwede Gedeihlichkeit.
Folgerichtig wurde die vielgelesene Rubrik “Fragen Sie Dr. Onckelmann!” mehr und mehr zu einer deprimierenden Abfolge der scheinbar immer gleichen Fragen.
Sollte er sich denselben wirklich und wahrhaftig weiterhin widmen?
“Nimmermehr!” murmelte Mömselbach angewidert und ließ den Blick ins Ungefähre schweifen.
Dann schüttelte er sich dramatisch.
“Hach”, so dachte es in ihm, “man möchte Amok schleichen!”
Was, so frug er sich beklommen, bewog Menschen dazu, ihn mit Fragen nach langweiligen, beliebigen, austauschbaren und uninspiriert zusammengepanschten überzuckerten Plörren zu behelligen, die “Parfum” zu nennen er nicht übers Herz brachte?
Wer, so frug er sich des weiteren, war denn geneigt, sich derlei Gebräu freiwillig an- und aufzutun, zu immerwährender ruchloser ... nein, vielmehr durchaus ruchbarer Belästigung unschuldiger Passanten, Straßenbäume und letzteren innewohnender Vogelwelt?
Eine Vielzahl der Anfragen in seinem Kummerkasten bestand zudem aus zwar berechtigten, gleichwohl miserabel formulierten Beschwerden über nachlassende Güte und Haltbarkeit beliebter, bekannter, wiewohl nicht bewährter Düfte.
Die offenbar einem finsteren Syndikat marodierender, ruchloser international vernetzter Geschmacksverächter in die Hände gefallen waren.
Jene nun sahen es a priori wohl als ihre vornehmste Pflicht an, ihre Mitmenschen bis zum Überdruss zu gängeln und zum Objekt ihrer gutgemeinten, aber unsagbar lästigen erzieherischen Bemühungen zu machen.
Neuerdings hatten sie es mit “Refomulierung” genannten seelischen Grausamkeiten auf den Parfumliebhaber als solchen und auf das Objekt seiner Zuneigung abgesehen, um diesen zu deprimieren und jenes nachhaltig zu verwüsten.
Oder zu verwursten.
Wenn das noch nötig sein sollte.
Etwelche der als “neu” bezeichneten süßlich faden oder auch süßlich penetranten Kreationen wirkten nämlich von vornherein so, als ob sie geschaffen seien, den allgemeinen Verfall jedweder Ästhetik zu befördern, und eben das schien auch das erklärte Ziel der allgemeinen olfaktorischen Einebnung zu sein.
Und nun dies.
In seinem Kummerkasten fand sich eine Anfrage, deren Absenderin sich selbst als Schantall Mutzenbecher-Gumpicht bezeichnete. Mömselbach befürchtete sofort das Schlimmste und wurde nicht enttäuscht.
Schantall Mutzenbecher-Gumpicht behelligte ihn mit einer ausufernden, textlich mäandernden Jeremiade, deren Sinn er nach mehrmaligem Lesen immerhin und mit Mühe soweit zu enträtseln vermochte, dass sich ihm der Inhalt erschloss.
Die wonnigliche Maid gedachte, ihn, Mömselbach, zum arbiter elegantiarum zu noblitieren und frug ihn um seine Meinung zu einem Duftgewässer, welchselbiges sie für den ihr offenbar spärlich Angetrauten zu erwerben trachtete.
Die angesichts dieses Ansinnens auftretende verblüffte Sprachlosigkeit überwand Mömselbach jedoch rasch, als er sich des abscheulichen Gebräus erinnerte.
Den Maßgaben der militant pädagogisch-moralisch agierenden Geschmacksverächter folgend war auch das fragliche, angefragte, offenkundig recht gefragte Produkt aus dem Hause Bulgari als beinahe schon bösartiger Angriff auf die noch intakten Geruchsnerven normaler Menschen konzipiert worden. Man hatte ebenso erwartungsgemäß wie erfolgreich einen wabernden, monosaccharidal synthetischen Einheitsbrei kreiert, der mit der süßlichen Nachahmung eines natürlichen Öles namens Neroli nicht zu überzeugen vermochte. Angereichert hatte man diese zuckrige Brühe sodann um sogenannte holzige Noten, die sich mäßig interessiert bemühten, Imitate aus imitiertem Sperrholz-Imitat zu imitieren.
Sehr unersprießlich, das Zeug.
Zumal man sicherheitshalber noch einige äußerst haltbare stechende Noten hinzugefügt hatte, die denen eines in die Jahre gekommenen, verschmorten Plastikduschvorhangs täuschend ähnlich waren und die ein Schelm als Virginiazeder zu bezeichnen den Humor hatte. Dies alles ergab eine disharmonische, wiewohl aufdringliche Komposition, die aus dem siebten Kreis der Dufthölle entsprungen schien.
Etliche Menschen, denen sich Mömselbach freundschaftlich oder sonstwie verbunden fühlte, waren angesichts der Rüchnis dieses unedlen Stöffchens in begeisterte Rufe wie “Igitt!” und “Bääääh, was stinkt hier denn so?!” oder auch “Hilfe! Ruft die Feuerwehr und den Notarzt!” ausgebrochen.
Mömselbach wusste sich mit ihnen in begeisterter Ablehnung herzlich einig.
Daher eröffnete er die für Schantall Mutzenbecher-Gumpicht bestimmte Antwort mit den innigen Worten:
“Liebe, verheerte gnädige Frau!”
“Ich bitte um Vergeblichkeit, Teuerste, doch dieser Duft” fuhr Mömselbach sodann mit dem ihm eigenen feinen Herzenstakt fort, “gleicht einer warzigen Unke, die trotz üppigen Knutschens nicht Prinzessin werden will. Die verwaschene fade Süße, die eine unglückliche Liaison mit der penetranten Note subtil kokelnden Plastiks einzugehen verdammt ist, wird, wie zu hoffen wäre, dermaleinst glückhaft im Orkus des Vergessens verschollen sein. Dieser Duft ist eine jener Kreationen, die schon dann, wenn sie noch unter uns weilen, niemand vermisst. Sie, Gnädigste, sollten sich des An-ihn-Denkens entschlagen. Andererseits konzediere ich diesem Gebräu, als ebenso hinreichender wie einzigartiger Grund für ein prächtiges innerfamiliäres Zerwürfnis mit anschließender Scheidung geradezu prädestiniert zu sein.
Ihr sehr ergebener Dr. Yannik-Sebaldus Onckelmann, Duftgutachter und Experte”
So, dachte Mömselbach, es ist wohl vergebliche Liebesmüh', aber das perforiert mich höchst tangential.
“Ha!” murmelte er versonnen, “wie sprach doch der große Philosoph Balthasar Matzbächen? Er sprach: An einem Abhang ist mir Neigung Pflicht!”
Mömselbach verzog gequält das Gesicht und stülpte die Unterlippe trotzig nach vorn.
Seit geraumer Zeit fand er kaum noch Vergnügen daran, den Kummerkasten einer geruchsaffinen Kommune zu betreuen.
War dies vor Dekaden noch ein ebenso vergnügliches wie gedeihliches Streunen durch gar erstaunliche Weiten, um nicht zu sagen die ganze Welt der feinen Düfte und der erlesenen Elixiere gewesen, so verödete nunmehr ein dortselbst seit einiger Zeit zu verortender Mangel an Exklusivität und Feinsinn alle Freude und minderte nachhaltig jedwede Gedeihlichkeit.
Folgerichtig wurde die vielgelesene Rubrik “Fragen Sie Dr. Onckelmann!” mehr und mehr zu einer deprimierenden Abfolge der scheinbar immer gleichen Fragen.
Sollte er sich denselben wirklich und wahrhaftig weiterhin widmen?
“Nimmermehr!” murmelte Mömselbach angewidert und ließ den Blick ins Ungefähre schweifen.
Dann schüttelte er sich dramatisch.
“Hach”, so dachte es in ihm, “man möchte Amok schleichen!”
Was, so frug er sich beklommen, bewog Menschen dazu, ihn mit Fragen nach langweiligen, beliebigen, austauschbaren und uninspiriert zusammengepanschten überzuckerten Plörren zu behelligen, die “Parfum” zu nennen er nicht übers Herz brachte?
Wer, so frug er sich des weiteren, war denn geneigt, sich derlei Gebräu freiwillig an- und aufzutun, zu immerwährender ruchloser ... nein, vielmehr durchaus ruchbarer Belästigung unschuldiger Passanten, Straßenbäume und letzteren innewohnender Vogelwelt?
Eine Vielzahl der Anfragen in seinem Kummerkasten bestand zudem aus zwar berechtigten, gleichwohl miserabel formulierten Beschwerden über nachlassende Güte und Haltbarkeit beliebter, bekannter, wiewohl nicht bewährter Düfte.
Die offenbar einem finsteren Syndikat marodierender, ruchloser international vernetzter Geschmacksverächter in die Hände gefallen waren.
Jene nun sahen es a priori wohl als ihre vornehmste Pflicht an, ihre Mitmenschen bis zum Überdruss zu gängeln und zum Objekt ihrer gutgemeinten, aber unsagbar lästigen erzieherischen Bemühungen zu machen.
Neuerdings hatten sie es mit “Refomulierung” genannten seelischen Grausamkeiten auf den Parfumliebhaber als solchen und auf das Objekt seiner Zuneigung abgesehen, um diesen zu deprimieren und jenes nachhaltig zu verwüsten.
Oder zu verwursten.
Wenn das noch nötig sein sollte.
Etwelche der als “neu” bezeichneten süßlich faden oder auch süßlich penetranten Kreationen wirkten nämlich von vornherein so, als ob sie geschaffen seien, den allgemeinen Verfall jedweder Ästhetik zu befördern, und eben das schien auch das erklärte Ziel der allgemeinen olfaktorischen Einebnung zu sein.
Und nun dies.
In seinem Kummerkasten fand sich eine Anfrage, deren Absenderin sich selbst als Schantall Mutzenbecher-Gumpicht bezeichnete. Mömselbach befürchtete sofort das Schlimmste und wurde nicht enttäuscht.
Schantall Mutzenbecher-Gumpicht behelligte ihn mit einer ausufernden, textlich mäandernden Jeremiade, deren Sinn er nach mehrmaligem Lesen immerhin und mit Mühe soweit zu enträtseln vermochte, dass sich ihm der Inhalt erschloss.
Die wonnigliche Maid gedachte, ihn, Mömselbach, zum arbiter elegantiarum zu noblitieren und frug ihn um seine Meinung zu einem Duftgewässer, welchselbiges sie für den ihr offenbar spärlich Angetrauten zu erwerben trachtete.
Die angesichts dieses Ansinnens auftretende verblüffte Sprachlosigkeit überwand Mömselbach jedoch rasch, als er sich des abscheulichen Gebräus erinnerte.
Den Maßgaben der militant pädagogisch-moralisch agierenden Geschmacksverächter folgend war auch das fragliche, angefragte, offenkundig recht gefragte Produkt aus dem Hause Bulgari als beinahe schon bösartiger Angriff auf die noch intakten Geruchsnerven normaler Menschen konzipiert worden. Man hatte ebenso erwartungsgemäß wie erfolgreich einen wabernden, monosaccharidal synthetischen Einheitsbrei kreiert, der mit der süßlichen Nachahmung eines natürlichen Öles namens Neroli nicht zu überzeugen vermochte. Angereichert hatte man diese zuckrige Brühe sodann um sogenannte holzige Noten, die sich mäßig interessiert bemühten, Imitate aus imitiertem Sperrholz-Imitat zu imitieren.
Sehr unersprießlich, das Zeug.
Zumal man sicherheitshalber noch einige äußerst haltbare stechende Noten hinzugefügt hatte, die denen eines in die Jahre gekommenen, verschmorten Plastikduschvorhangs täuschend ähnlich waren und die ein Schelm als Virginiazeder zu bezeichnen den Humor hatte. Dies alles ergab eine disharmonische, wiewohl aufdringliche Komposition, die aus dem siebten Kreis der Dufthölle entsprungen schien.
Etliche Menschen, denen sich Mömselbach freundschaftlich oder sonstwie verbunden fühlte, waren angesichts der Rüchnis dieses unedlen Stöffchens in begeisterte Rufe wie “Igitt!” und “Bääääh, was stinkt hier denn so?!” oder auch “Hilfe! Ruft die Feuerwehr und den Notarzt!” ausgebrochen.
Mömselbach wusste sich mit ihnen in begeisterter Ablehnung herzlich einig.
Daher eröffnete er die für Schantall Mutzenbecher-Gumpicht bestimmte Antwort mit den innigen Worten:
“Liebe, verheerte gnädige Frau!”
“Ich bitte um Vergeblichkeit, Teuerste, doch dieser Duft” fuhr Mömselbach sodann mit dem ihm eigenen feinen Herzenstakt fort, “gleicht einer warzigen Unke, die trotz üppigen Knutschens nicht Prinzessin werden will. Die verwaschene fade Süße, die eine unglückliche Liaison mit der penetranten Note subtil kokelnden Plastiks einzugehen verdammt ist, wird, wie zu hoffen wäre, dermaleinst glückhaft im Orkus des Vergessens verschollen sein. Dieser Duft ist eine jener Kreationen, die schon dann, wenn sie noch unter uns weilen, niemand vermisst. Sie, Gnädigste, sollten sich des An-ihn-Denkens entschlagen. Andererseits konzediere ich diesem Gebräu, als ebenso hinreichender wie einzigartiger Grund für ein prächtiges innerfamiliäres Zerwürfnis mit anschließender Scheidung geradezu prädestiniert zu sein.
Ihr sehr ergebener Dr. Yannik-Sebaldus Onckelmann, Duftgutachter und Experte”
So, dachte Mömselbach, es ist wohl vergebliche Liebesmüh', aber das perforiert mich höchst tangential.
“Ha!” murmelte er versonnen, “wie sprach doch der große Philosoph Balthasar Matzbächen? Er sprach: An einem Abhang ist mir Neigung Pflicht!”
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