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Stilvolle Zitrik mit prominenter Orangenblüte und sonniger Aquatik für die Sporttasche
Ich hatte ja gehofft, einmal auf eine jungfräuliche Seite rezensieren zu können. Der Tim ist mir bei diesem Vertreter aus dem Haus Carner Barcelona allerdings zuvor gekommen; der wunderschöne Duft mit grün-herber Zitrik im Opening, prominenter Orangenblüte im Herzen samt sonniger Aquatik im Unterton ist mir dennoch ein paar Worte wert!
Ich habe den Duft bei Myke & Ryan (The Cologne Podcast #231) kennengelernt. Meine Tennisaffinität, der hochgradig schöne Flakon, Tims Erstrezension sowie die Duftpyramide selbst haben mich schließlich zum 30ml Blindkauf bewegt, zumal mein Casamorati Mefisto, in der gleichen tollen Sporttaschen-Größe, gerade ausging. Ich wurde nicht enttäuscht.
Der Duft startet belebend zitrisch mit markantem grün-herben Twist. Sidenote: Ich wollte ja zuerst bitter-zitrisch schreiben, konnte aber ergoogeln, dass "bitter" eine primäre Geschmacksrichtung ist, "herb" indes eher zu einer olfaktorische Wahrnehmung passt. In den ersten Sekunden rieche ich das Petitgrain in der Luft sehr deutlich, was zusammen mit der Blutorange wohl diese leicht scharfe, etwas säuerliche, eben herbe Zitrik komponiert. Das macht den Duft insgesamt auch irgendwie eleganter (oder besser: stilvoller) und erwachsener als modernere Mandarine-Ingwer-Kreationen (Afternoon Swim, Aventus Cologne, Hedonist). Diese riechen zugegeben aber auch sehr nice, aber eben jünger und moderner.
Tatsächlich verfliegt diese Zitrik bei mir rasant schnell und die weiteren Komponenten der Orangenblüte drängen sich ins Rampenlicht. Dabei ist bei mir die lieblichere Orangenblüte selbst und nicht das frischere Neroli deutlich prominenter, was zwar dieselbe Ressource ist, aber unterschiedliche Vorgänge der Gewinnung haben. Folglich erinnert mich der Duft viel eher an einen Mandarino di Amalfi als an ein 4711! Auf meiner Haut halten sich irgendwie immer die Herznoten besonders stark. Durch diese Veränderung wird der Duft auch komplett unisex und im Herzpart vielleicht sogar mit einem dezenten femininen Touch versehen. Belebend aber stilvoll! Muss man erstmal hinbekommen.
Der Drydown oder besser der Unterton, der später immer mitschwingt, ist durchaus auch spannend. Die Orangenblüte wird mit einer dezenten Aquatik verfeinert. Diese ist vielmehr sonnig und keinesfalls algig! Ich konkretisiere was ich damit meine: Man wird schon an einen Tennisclub im Süden erinnert. Dieser liegt etwas entfernt vom Meer, eine dezente salzige Prise weht hin und wieder vorbei und verbindet sich mit der sonnengebräunten, nicht eingecremten Haut - so nehme ich die angegebene Solar-Note war. Einen Sonnencreme-Vibe, wie die karibischen Ylang-Ylang oder Kokosnuss-Vertreter hat er eben gar nicht, worüber ich sehr froh bin! Der Unterton aus maritimen und solaren Noten ist durchaus wahrnehmbar und harmoniert toll mit der Orangenblüte. Kritiker könnten hier anmerken, dass genau das einen leichten synthetischen Twist im Duft verankert. Das Herbe vom Opening ploppt auch immer wieder auf und platziert den Tennis Club schon in einer grüner Umgebung im Pinienwäldchen. Ach ja, ich schwärme. Ich stelle mir beim Riechen des Duftes gerade eine utopisch schöne Anlage vor, wo man sich nicht nur mit unangenehmen Kick-Serves, langen Cross-Duellen und ansehnlichen Winnern die Filzkugel auf Asche um die Ohren haut, sondern es sich auch danach richtig gut gehen lassen kann. Am besten passt der Duft eben beim sportlichen Feierabend-Drink; dieser ist passend zum Duft aber kein übertrapierter Cocktail sondern eher ein hochwertiger Vino. Für mich glänzt er also mehr nach dem Kultivieren von einer Sporteinheit als tatsächlich zum Sport selbst, egal ob auf dem Tennisplatz oder im Gym! Ich fände ihn übrigens sogar zu einem Sommer-Date toll; persönlich würde ich dazu figurbetonte ankle-free Jeans (ich weiß nicht mehr modern) samt weißem T-Shirt, was gut mit sommerlichen Teint matched, Sonnenbrille, Schlapperl und 5-Tage-Bart tragen. So wirkt auch der Duft: unaufgeregt aber souverän, belebend aber stilsicher, clean aber interessant!!
Die Haltbarkeit war jetzt mit 7h doch überraschend gut. In der ersten halben Stunde riecht man ihn noch auf Armlänge, nach 2 Stunden immerhin noch in Gesprächsdistanz dann aber gänzlich hautnah. Non-Sillage-Beastmode unterstreicht ja auch wieder die in der Überschrift angegebene Stilsicherheit, Souveränität oder gar Eleganz, wobei mir letztgenannter Begriff etwas zu stark nach Abendgarderobe klingt, da würde ich dann doch eher einen Aqua di Parma Oud o.ä. wählen! Passt schon so für den Zweck: Er wird einen festen Platz in meiner Duftgarderobe (und in meiner Sporttasche) bekommen, was gar nicht so leicht ist, da sie auf ein Oktett gedeckelt ist. Für aktive und nicht nur für tennisbegeisterte Frauen und Männer, die einen eher erwachsenen, durchaus belebenden aber dennoch sehr stilvollen Duft suchen und besonders beim Ausklang nach dem Sport am Frühabend, beim Sommerbruch auf der Terrasse oder bei daytime-Aktivitäten olfaktorisch glänzen wollen, ist der Vertreter aus dem Haus Carner Barcelona sehr empfehlenswert. Für mich mehr passend für Freizeit und easy living als wie ein Begleiter für anstrengende Bürotage im Sommer. Der Flakon ist zudem hochgradig schön und der Sprüher sehr hochwertig. Ich freue mich jetzt schon auf den Drink nach dem nächsten Tennismatch.