24.08.2019 - 16:12 Uhr
Profumo
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Viel Patchouli, fast obszöne Animalik und alle rauchen - die 70er eben!
Als ich an den Regalen meines Local-Duft-Dealers vorbei schlenderte, bin ich an ‚Sandor 70’s’ eigentlich nur seines Namens wegen hängen geblieben: Sandor.
Vor vielen Jahren hatte ich mal einen Chef ungarischer Herkunft mit gleichem Vornamen. Er trug ausgiebig ‚Van Cleef & Arpels pour Homme’ und hatte eine unglaubliche sexuelle Präsenz, die mich einschüchterte, aber auch faszinierte. Lüsternheit und Sandor sind für mich seither Synonyme geblieben und so griff ich automatisch nach dem Flakon.
Wow, das saß - der Duft träg zu Recht seinen Namen!
(Von der Bar ‚Sandor’ habe ich noch nie etwas gehört, aber ich war auch noch nie in Barcelona, was ich vermutlich schleunigst nachholen sollte...)
Auch das alte ‚VC&A op.H.’ hatte ja schon eine ziemlich animalisch-erotische Aura, aber dieser Duft toppt es dann doch. Kaum aufgesprüht entfaltete sich eine dunkle, schwülstig-schwere Patchouli-Lederwolke mit heftigen animalischen Beimischungen. Welcher Art sie sind, weiß ich nicht, ich vermute alle zusammen: Zibet, Moschus, Bibergeil, Costus & Co., wahrscheinlich in Form der Parfum-Base ‚Animalis’.
Jedenfalls erinnerte mich dieser Auftakt augenblicklich an Mazzolaris ‚Lui’, den ein Basenoter mit folgender, meines Erachtens völlig zutreffender Beschreibung bedachte: „pantaloon-bursting-potency“. Auch bei ‚Sandor 70’s’ platzt schier die Hose, aber vor allem ist der Auftakt der beiden Düfte verblüffend ähnlich: erdiges Patchouli, dunkles Leder und aromatische Würze, von schwülstiger Animalik durchdrungen.
Puh, man möchte zum Fenster eilen...
Aber nein, irgendwie ist dieser verstörende Dunst auch faszinierend, und das Fenster bleibt zu! Denn wo ‚Lui’ im weiteren Duftverlauf auch noch ins Urinöse abgleitet, bleibe ich bei ‚Sandor 70’s’ von Inkontinenz zum Glück verschont.
Im Gegenteil, nach nur wenigen Minuten erhellen wunderbare Blüten-Akkorde wie grelle Blitze den wilden, tierisch durchdampften Patchouli-Auftakt und schaffen verblüffende Kontraste: hier Leder, Erde, Tier, und dort ein munter blühendes Jasmin/Osmanthus/Rosen-Trio.
Scheint erst mal nicht zusammengehen zu wollen, geht aber doch, denn wie so oft erzeugen Disharmonien Spannungen, die auch in diesem speziellen Fall den Konsumenten vor einem komatösen Dahinsinken, angesichts der tierischen Übermacht, bewahren. Das Blüten-Terzett quasi als Riechsalz-Ersatz.
Zum Glück betreten weitere Akteure die Bühne, bzw. füllen die Bar ‚Sandor’, und wie es in den 70ern eben so war: alle rauchen, wirklich alle.
Überall verkokelt aromatischer Tabak zu süßlich-beißendem Qualm und legt sich fast wie Mehltau über das olfaktorische Geschehen, wären da nicht die in Vasen arrangierten Blütenbouquets, sich tapfer duftend durch die Schwaden kämpfend, und auch das ein oder andere üppige orientalische Vanille-Parfum anwesender Damen, das dem Gequarze Paroli bietet. So entsteht eine ziemlich heterogene Melange, bzw. Aromenvielfalt, die diesen Duft auszeichnet. Und obwohl ich eigentlich gar kein Freund überladener Düfte bin, muss ich zugeben: wenn die Orchestrierung stimmt, lausche ich dem Resultat doch gerne.
Und ja, Rodrigo Flores-Roux hat ganz schön viel hineingepackt in seinen Duft, und trotzdem möchte ich keine einzige Note missen.
So hat nicht nur die schon genannte Vanille ihren Platz, sondern auch die grünen Nuancen des Vetivers und die erdige Bitterkeit des Eichenmooses, das den Fond deutlich prägt und ihn zu einem veritablen Chypre orientalischer Prägung macht.
Dass aller Vielstimmigkeit zum Trotz keine Kakophonie ausbricht, versteht sich natürlich von selbst: immerhin ist Flores-Roux ein erfahrener Meister-Parfumeur - die einzelnen Noten, mögen sie auch noch so dissonant sein, kontrastieren gut und auch die Balance stimmt.
Die Haltbarkeit ist zudem enorm, die Projektion allerdings eher moderat, vom lauten Auftakt einmal abgesehen. Nach ca. 4-5 Stunden entwickelt sich ‚Sandor 70’s’ zu einem gut wahrnehmbaren Hautduft, der noch am nächsten Tag erkennbar bleibt. Auf Textilien haftet der Duft noch viele Tage länger.
Diese eher zurückhaltende aber beharrliche Präsenz scheint nach meinem Eindruck einem recht hohen Parfumöl-Anteil geschuldet zu sein. Ich hatte mich nämlich schon gewundert, warum für schlappe 50ml ein derart hoher Preis veranschlagt wird.
Letztlich habe ich aber gemerkt, dass zwei Sprühstöße absolut ausreichen, um eine – zumindest für mich – angenehme Duftaura zu entfalten.
Mehr wäre mir unangenehm.
So grüßt ‚Sandor 70’s’ aus Barcelona zu seinem Mailänder Vetter ‚Lui’ hinüber und zeigt ihm, dass „pantaloon-bursting-potency“ auch zivilisierter geht: erotisch vibrierend, ja, aber irgendwann ist auch mal gut mit obszöner Lüsternheit.
‚Lui’ kennt da keine Gnade und hat mich bei jedem Tragen arg gefordert, um nicht zu sagen: überfordert. ‚Sandor 70’s’ zügelt sich dagegen wie beschrieben und mutiert zu einem wohltuenden, rauchig-bitteren Chypre-Duft, von letztlich nur noch leisen Schlieren tierischer Ausdünstungen durchzogen.
Ja, man muss Animalik schön mögen, sonst wird das nichts mit diesem Duft, der wahrlich kein Crowd-Pleaser ist, dafür ein Nischenduft im besten Sinne. Einer aber auch, der dem Träger (natürlich auch der Trägerin, obwohl der Duft sich doch ziemlich zur maskulinen Seite neigt) einiges an Rückgrat abverlangt, denn die Blicke, oder gar Kommentare könnten zwiespältig sein.
Ich mag ihn sehr.
Vor vielen Jahren hatte ich mal einen Chef ungarischer Herkunft mit gleichem Vornamen. Er trug ausgiebig ‚Van Cleef & Arpels pour Homme’ und hatte eine unglaubliche sexuelle Präsenz, die mich einschüchterte, aber auch faszinierte. Lüsternheit und Sandor sind für mich seither Synonyme geblieben und so griff ich automatisch nach dem Flakon.
Wow, das saß - der Duft träg zu Recht seinen Namen!
(Von der Bar ‚Sandor’ habe ich noch nie etwas gehört, aber ich war auch noch nie in Barcelona, was ich vermutlich schleunigst nachholen sollte...)
Auch das alte ‚VC&A op.H.’ hatte ja schon eine ziemlich animalisch-erotische Aura, aber dieser Duft toppt es dann doch. Kaum aufgesprüht entfaltete sich eine dunkle, schwülstig-schwere Patchouli-Lederwolke mit heftigen animalischen Beimischungen. Welcher Art sie sind, weiß ich nicht, ich vermute alle zusammen: Zibet, Moschus, Bibergeil, Costus & Co., wahrscheinlich in Form der Parfum-Base ‚Animalis’.
Jedenfalls erinnerte mich dieser Auftakt augenblicklich an Mazzolaris ‚Lui’, den ein Basenoter mit folgender, meines Erachtens völlig zutreffender Beschreibung bedachte: „pantaloon-bursting-potency“. Auch bei ‚Sandor 70’s’ platzt schier die Hose, aber vor allem ist der Auftakt der beiden Düfte verblüffend ähnlich: erdiges Patchouli, dunkles Leder und aromatische Würze, von schwülstiger Animalik durchdrungen.
Puh, man möchte zum Fenster eilen...
Aber nein, irgendwie ist dieser verstörende Dunst auch faszinierend, und das Fenster bleibt zu! Denn wo ‚Lui’ im weiteren Duftverlauf auch noch ins Urinöse abgleitet, bleibe ich bei ‚Sandor 70’s’ von Inkontinenz zum Glück verschont.
Im Gegenteil, nach nur wenigen Minuten erhellen wunderbare Blüten-Akkorde wie grelle Blitze den wilden, tierisch durchdampften Patchouli-Auftakt und schaffen verblüffende Kontraste: hier Leder, Erde, Tier, und dort ein munter blühendes Jasmin/Osmanthus/Rosen-Trio.
Scheint erst mal nicht zusammengehen zu wollen, geht aber doch, denn wie so oft erzeugen Disharmonien Spannungen, die auch in diesem speziellen Fall den Konsumenten vor einem komatösen Dahinsinken, angesichts der tierischen Übermacht, bewahren. Das Blüten-Terzett quasi als Riechsalz-Ersatz.
Zum Glück betreten weitere Akteure die Bühne, bzw. füllen die Bar ‚Sandor’, und wie es in den 70ern eben so war: alle rauchen, wirklich alle.
Überall verkokelt aromatischer Tabak zu süßlich-beißendem Qualm und legt sich fast wie Mehltau über das olfaktorische Geschehen, wären da nicht die in Vasen arrangierten Blütenbouquets, sich tapfer duftend durch die Schwaden kämpfend, und auch das ein oder andere üppige orientalische Vanille-Parfum anwesender Damen, das dem Gequarze Paroli bietet. So entsteht eine ziemlich heterogene Melange, bzw. Aromenvielfalt, die diesen Duft auszeichnet. Und obwohl ich eigentlich gar kein Freund überladener Düfte bin, muss ich zugeben: wenn die Orchestrierung stimmt, lausche ich dem Resultat doch gerne.
Und ja, Rodrigo Flores-Roux hat ganz schön viel hineingepackt in seinen Duft, und trotzdem möchte ich keine einzige Note missen.
So hat nicht nur die schon genannte Vanille ihren Platz, sondern auch die grünen Nuancen des Vetivers und die erdige Bitterkeit des Eichenmooses, das den Fond deutlich prägt und ihn zu einem veritablen Chypre orientalischer Prägung macht.
Dass aller Vielstimmigkeit zum Trotz keine Kakophonie ausbricht, versteht sich natürlich von selbst: immerhin ist Flores-Roux ein erfahrener Meister-Parfumeur - die einzelnen Noten, mögen sie auch noch so dissonant sein, kontrastieren gut und auch die Balance stimmt.
Die Haltbarkeit ist zudem enorm, die Projektion allerdings eher moderat, vom lauten Auftakt einmal abgesehen. Nach ca. 4-5 Stunden entwickelt sich ‚Sandor 70’s’ zu einem gut wahrnehmbaren Hautduft, der noch am nächsten Tag erkennbar bleibt. Auf Textilien haftet der Duft noch viele Tage länger.
Diese eher zurückhaltende aber beharrliche Präsenz scheint nach meinem Eindruck einem recht hohen Parfumöl-Anteil geschuldet zu sein. Ich hatte mich nämlich schon gewundert, warum für schlappe 50ml ein derart hoher Preis veranschlagt wird.
Letztlich habe ich aber gemerkt, dass zwei Sprühstöße absolut ausreichen, um eine – zumindest für mich – angenehme Duftaura zu entfalten.
Mehr wäre mir unangenehm.
So grüßt ‚Sandor 70’s’ aus Barcelona zu seinem Mailänder Vetter ‚Lui’ hinüber und zeigt ihm, dass „pantaloon-bursting-potency“ auch zivilisierter geht: erotisch vibrierend, ja, aber irgendwann ist auch mal gut mit obszöner Lüsternheit.
‚Lui’ kennt da keine Gnade und hat mich bei jedem Tragen arg gefordert, um nicht zu sagen: überfordert. ‚Sandor 70’s’ zügelt sich dagegen wie beschrieben und mutiert zu einem wohltuenden, rauchig-bitteren Chypre-Duft, von letztlich nur noch leisen Schlieren tierischer Ausdünstungen durchzogen.
Ja, man muss Animalik schön mögen, sonst wird das nichts mit diesem Duft, der wahrlich kein Crowd-Pleaser ist, dafür ein Nischenduft im besten Sinne. Einer aber auch, der dem Träger (natürlich auch der Trägerin, obwohl der Duft sich doch ziemlich zur maskulinen Seite neigt) einiges an Rückgrat abverlangt, denn die Blicke, oder gar Kommentare könnten zwiespältig sein.
Ich mag ihn sehr.
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