19.02.2016 - 14:25 Uhr

Yatagan
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Yatagan
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Offener Brief an Ernest Daltroff betreffs Neuinterpretation einer seiner bedeutsamen Klassiker
Lieber Onkel Ernest,
als Du seinerzeit die Marke Caron begründet hast, schwebte dir wohl nichts Geringeres als die Neuinterpretation von Duft an sich vor. Anders wäre es kaum erklärbar, dass noch zu deinen Lebzeiten (bis 1941) einige der bedeutsamsten Damenparfums, vielleicht sogar der erste echte Herrenduft (Pour un Homme) und darüber hinaus einige ganz und gar außergewöhnliche Düfte mit gewagten Themen entstanden. Da gab es schwarze Blumen (Narcisse noir), einen der ersten Tabakdüfte (Tabac Blond), einen Weihnachtsduft (Nuit de Noel) als noch niemand an so etwas dachte, En Avion, den ersten Duft der jungen Luftfahrtgeschichte, Steinblumen (Fleurs de rocaille) - und auch nach deinem bedauerlichen Tod Meilensteine wie Royal Bain de Champagne, Yatagan (ein Duft, der für mich eine besondere Rolle spielt, aber das erzähle ich dir ein andermal), Le 3e Homme und L'Anarchiste. Auf alle diese Nachkommen wärest Du sicherlich stolz gewesen.
Ich hatte eigentlich auch nie die Absicht, deine Ruhe zu stören; nicht einmal, als man bei deinen Erben die ersten postmodernen Parfums entwickelte und einen Yuzu-Duft für den Herrn entwarf. Immerhin war er ordentlich gelungen und seiner Zeit fast noch voraus.
Dann aber, lieber Ernest, hörte der Spaß mehr und mehr auf. Da lancierte man unter deinem Namen (Caron) einen Pour Un Homme-Ableger (Impact pour un Homme), der das Thema merklich variierte und sich offensichtlich beim jüngeren Publikum anbiedern sollte. Nach dem ersten verrauchten Ärger schien mir aber, dass es wohl eher an mir selbst liegen müsse: Man wird so langsam zum alten Grantler. Warum sollte es denn keine modernere Variante des etwas angestaubten Monolithen geben? So weit, so gut.
Ähnliches dachte ich zunächst auch noch, als ich las, dass man zu deinem olfaktorischen Denkmal eine Sport-Variante entwickelt habe. Caron pour un Homme Sport. So schlecht ist die Idee schließlich nicht, den vanilleschwangeren Drydown etwas aufzuhellen und die Lavendelfahne des Beginns mit gelb-orangenen Streifen (Zitrus, Mandarine) aufzuhellen.
Was aber schließlich daraus wurde, treibt mit doch die Tränen in die Augen. Nicht, dass der Duft komplett misslungen wäre. Vergleicht man ihn nicht mit seinem Großonkel (von Großvater zu sprechen, verbietet sich aufgrund der deutlich veränderten DNA), dann kann man ihm durchaus noch etwas abgewinnen, auch wenn nach akzeptablem Beginn die Basis wie dutzende andere Herrendüfte, die Jahr für Jahr auf den Markt geschleudert werden, riecht.
Wenn man aber das tut, was man tunlichst lassen sollte, nämlich dieses grün-silbern lackierte Tuningmodell mit dem chromglänzenden Oldtimer von 1934 zu vergleichen, dann bleibt aus meiner Sicht nur noch eins, lieber Ernest Daltroff: Schau dir an, was aus deinem Erbe geworden ist und greife ein. Ein kleiner Fluch über diesen neuen Ableger würde mir schon reichen.
Nicht, dass Du gleich deine ganze Marke in Bausch und Bogen verdammen müsstest. Ganz im Gegenteil. Der Großteil der Caron-Düfte ist so gut wie eh und je. Umso fragwürdiger, was man mit dieser Neuinterpretation bezwecken wollte. Verjüngung, Aufmerksamkeit, einen kleinen Skandal? Was auch immer, aber alles was recht ist, das geht zu weit.
Die stark dominierende Mandarine versteckt sich hinter einem kühl-krautigen Eisenkraut-Schleier aus der Massenproduktion der Parfum-Postmoderne. Eine etwas süßere Basis macht den Duft letztlich zwar wieder tragbar, zerstört aber auch gleichzeitig die kühne Zitrus-Mandarinen-Fanfare des Anfangs. Alles nicht vollkommen schlecht, aber im Grunde mit dem L'Homme Ideal- und Chanel Bleu-Desaster der jüngsten Zeit vergleichbar.
Lieber Ernest! Tu etwas!
Herzliche Grüße
Dein
Yatagan
als Du seinerzeit die Marke Caron begründet hast, schwebte dir wohl nichts Geringeres als die Neuinterpretation von Duft an sich vor. Anders wäre es kaum erklärbar, dass noch zu deinen Lebzeiten (bis 1941) einige der bedeutsamsten Damenparfums, vielleicht sogar der erste echte Herrenduft (Pour un Homme) und darüber hinaus einige ganz und gar außergewöhnliche Düfte mit gewagten Themen entstanden. Da gab es schwarze Blumen (Narcisse noir), einen der ersten Tabakdüfte (Tabac Blond), einen Weihnachtsduft (Nuit de Noel) als noch niemand an so etwas dachte, En Avion, den ersten Duft der jungen Luftfahrtgeschichte, Steinblumen (Fleurs de rocaille) - und auch nach deinem bedauerlichen Tod Meilensteine wie Royal Bain de Champagne, Yatagan (ein Duft, der für mich eine besondere Rolle spielt, aber das erzähle ich dir ein andermal), Le 3e Homme und L'Anarchiste. Auf alle diese Nachkommen wärest Du sicherlich stolz gewesen.
Ich hatte eigentlich auch nie die Absicht, deine Ruhe zu stören; nicht einmal, als man bei deinen Erben die ersten postmodernen Parfums entwickelte und einen Yuzu-Duft für den Herrn entwarf. Immerhin war er ordentlich gelungen und seiner Zeit fast noch voraus.
Dann aber, lieber Ernest, hörte der Spaß mehr und mehr auf. Da lancierte man unter deinem Namen (Caron) einen Pour Un Homme-Ableger (Impact pour un Homme), der das Thema merklich variierte und sich offensichtlich beim jüngeren Publikum anbiedern sollte. Nach dem ersten verrauchten Ärger schien mir aber, dass es wohl eher an mir selbst liegen müsse: Man wird so langsam zum alten Grantler. Warum sollte es denn keine modernere Variante des etwas angestaubten Monolithen geben? So weit, so gut.
Ähnliches dachte ich zunächst auch noch, als ich las, dass man zu deinem olfaktorischen Denkmal eine Sport-Variante entwickelt habe. Caron pour un Homme Sport. So schlecht ist die Idee schließlich nicht, den vanilleschwangeren Drydown etwas aufzuhellen und die Lavendelfahne des Beginns mit gelb-orangenen Streifen (Zitrus, Mandarine) aufzuhellen.
Was aber schließlich daraus wurde, treibt mit doch die Tränen in die Augen. Nicht, dass der Duft komplett misslungen wäre. Vergleicht man ihn nicht mit seinem Großonkel (von Großvater zu sprechen, verbietet sich aufgrund der deutlich veränderten DNA), dann kann man ihm durchaus noch etwas abgewinnen, auch wenn nach akzeptablem Beginn die Basis wie dutzende andere Herrendüfte, die Jahr für Jahr auf den Markt geschleudert werden, riecht.
Wenn man aber das tut, was man tunlichst lassen sollte, nämlich dieses grün-silbern lackierte Tuningmodell mit dem chromglänzenden Oldtimer von 1934 zu vergleichen, dann bleibt aus meiner Sicht nur noch eins, lieber Ernest Daltroff: Schau dir an, was aus deinem Erbe geworden ist und greife ein. Ein kleiner Fluch über diesen neuen Ableger würde mir schon reichen.
Nicht, dass Du gleich deine ganze Marke in Bausch und Bogen verdammen müsstest. Ganz im Gegenteil. Der Großteil der Caron-Düfte ist so gut wie eh und je. Umso fragwürdiger, was man mit dieser Neuinterpretation bezwecken wollte. Verjüngung, Aufmerksamkeit, einen kleinen Skandal? Was auch immer, aber alles was recht ist, das geht zu weit.
Die stark dominierende Mandarine versteckt sich hinter einem kühl-krautigen Eisenkraut-Schleier aus der Massenproduktion der Parfum-Postmoderne. Eine etwas süßere Basis macht den Duft letztlich zwar wieder tragbar, zerstört aber auch gleichzeitig die kühne Zitrus-Mandarinen-Fanfare des Anfangs. Alles nicht vollkommen schlecht, aber im Grunde mit dem L'Homme Ideal- und Chanel Bleu-Desaster der jüngsten Zeit vergleichbar.
Lieber Ernest! Tu etwas!
Herzliche Grüße
Dein
Yatagan
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