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Top Rezension
Lanzen brechen
Ich fühle mich sehr wohl hier bei euch. Und das so richtig. Kein anderes Forum, das meinen Interessen entspricht, hat ein Niveau wie dieses hier. Dafür vorab schon einmal ein großer Dank!
Mitunter musste ich aber in letzter Zeit auch vermehrt Statements und Kommentare lesen, die mich nachdenklich machen. Von „Schenkelspreizer(n)“ und „Büchsenöffner(n)“ war die Rede, von „Pantydropper(n)“. Solch verquere Weltbilder - hier?! Ja, willkommen in der Wirklichkeit, Atanarjuat! Natürlich wohnt der gesellschaftliche Spiegel auch hier, hält beim Bedienen vieler Klischees nicht inne, Stereotypen werden als absolut wirklich und wahrhaftig angesehen. Menschen sind aber manchmal so überhaupt nicht diese Klischees, andere wahrscheinlich entsprechen ihnen ganz genau.
Für „Boy“ möchte ich deshalb eine Klischee-Lanze brechen. Nein. Mehrere Lanzen brechen.
Zunächst einmal eine kleine, die Lanze als klassischer Fougére-Duft. In dessen Duftkategorie passt „Boy“ natürlich wunderbar hinein: Lavendel, Cumarin, Geranie, etwas Zitrisches. Cumarin, das ich meist sehr mag, ist wahrnehmbar, der Lavendel zu Beginn ebenso. Kein winterfester, karger Kühllavendel, eher einer, der in der Sonne - vom Wind getragen - hin- und herwogt. Südfrankreich, Juli, morgens – es ist noch nicht so heiß. Der ganze Beginn gerät etwas verquer, etwas Störrisches ist da, vielleicht eine Charakternuance Arthur Edward Capels?
„Ich möchte jetzt doch lieber Diana Lister Wyndham heiraten. Aus reiner Notwendigkeit, versteht sich. Hat ja nichts mit Liebe zu tun, kommt aber besser in der Gesellschaft an.“ Der Freigeist Capel!? Haha, dass wir nicht lachen! Aber da ist es wieder, das Scheinen und Sein in der Gesellschaft…Eine Auseinandersetzung also mit Coco? Nein, nein, dies führe alles jetzt doch zu weit!
Dieser kleine Zwist zwischen dieser bösen Nuance und dem blanken Schönen wohnt diesem Start inne und das macht das Ganze recht interessant. Auf der Haut ahnt man dann schon eine vanillige Moschussüße, auf Kleidung strahlt der Beginn noch länger ab. Es wird schließlich pudrig-elegant – ja, ein recht klassischer Fougére, keiner, der Experimente macht, Komponenten einfach austauscht. #issara
Kollege Parma erkennt die „Allure-Homme-DNA recht deutlich“. Dem kann ich als Kenner aller Allure-Hommes nur zustimmen. Man – mit einem „n“ – fühlt sich sofort irgendwie zuhause, war bereits mehr als einmal hier. Ein Hauch grüner Frische bleibt bis zum Schluss, der nichts vom „Großvater“ oder sonst irgendwem hat. Klischees? Anscheinend zu viele, zu wenig gedankliche Freiheit!
Da sind wir schon bei der nächsten Lanze, die gebrochen werden muss. Für wen ist das Eau de Parfum jetzt? Freundinnen und Freunde: für euch alle. Wir hatten das doch bereits zu Beginn: Es. Ist. Egal. Jeder darf den hier tragen, jeder darf ihn (nicht) mögen. Aber in eine Ecke gehört er nicht. StereotypdenkerInnen? Tschüss, auf Wiedersehen! Vielleicht möchte Olivier Polge auch genau dies abbilden, den Ritt auf der Rasierklinge (#barbershop) beider Geschlechter. Alles für alle. „Boy“ als Abbild nicht allein des jungen Mannes A. E. Capel, sondern eines der Beziehung der beiden Verliebten Chanel und Capel? Das mag sein – und dieses Mal gar nicht so weit hergeholt.
Überhaupt haben sich in den letzten Jahren Erwartungen und Anforderungen in der Gesellschaft ge- und verändert. Es geht darum, über die Befreiung der starren und sich veränderten Geschlechterrollen nachzudenken. Manche von uns sind noch überfordert, niemand nehme sich da ganz heraus. Aber eine Denkweise, die widerspiegelt: „Sei so, wie du bist!“ – geschlechterunabhängig – kann nur das Ziel sein. „Boy“ ist so! Er riecht auf jeder Haut auch anders. Ich mag ihn auf der meiner Frau, da ist er etwas pudriger, bei mir riecht er etwas barbershoppiger. Weil ich das jetzt will? Vielleicht auch nur ein Klischee meiner Gehirnwindungen, wer weiß das schon?!
Das letzte Lanzebrechen ist recht einfach. Wann trägt man so etwas? Wann man will. Da mache ich es mir natürlich buchstäblich leicht, aber auch hier: Freiheit bittesehr. Frau und Mann wirken an und für sich mit dem Duft, nicht wegen des Duftes. „Boy“ trägt sich mit seiner grünen Frische sehr schön in wärmeren Gefilden und punktet nach Mutation später durch seifig-cremige Wärme in der Kühle. Was du dann dabei an Kleidung trägst - völlig egal. Toll!
Für mich ist Olivier Polge – abermals nach wochenlanger Testerei und mehreren Anläufen (ich habe wohl meine Schwierigkeiten mit ihm und hatte dabei einige Déjà-vus…) – ein grundklassischer bester Fougére der ganzen weiten Welt gelungen. Das geht natürlich alles krautiger, würziger, schärfer, maskul….nein, Letzteres nicht. Das wollte ich ja verhindert wissen…
„Die allermutigste Handlung ist immer noch, selbst zu denken. Laut.“
(Coco Chanel)
Mitunter musste ich aber in letzter Zeit auch vermehrt Statements und Kommentare lesen, die mich nachdenklich machen. Von „Schenkelspreizer(n)“ und „Büchsenöffner(n)“ war die Rede, von „Pantydropper(n)“. Solch verquere Weltbilder - hier?! Ja, willkommen in der Wirklichkeit, Atanarjuat! Natürlich wohnt der gesellschaftliche Spiegel auch hier, hält beim Bedienen vieler Klischees nicht inne, Stereotypen werden als absolut wirklich und wahrhaftig angesehen. Menschen sind aber manchmal so überhaupt nicht diese Klischees, andere wahrscheinlich entsprechen ihnen ganz genau.
Für „Boy“ möchte ich deshalb eine Klischee-Lanze brechen. Nein. Mehrere Lanzen brechen.
Zunächst einmal eine kleine, die Lanze als klassischer Fougére-Duft. In dessen Duftkategorie passt „Boy“ natürlich wunderbar hinein: Lavendel, Cumarin, Geranie, etwas Zitrisches. Cumarin, das ich meist sehr mag, ist wahrnehmbar, der Lavendel zu Beginn ebenso. Kein winterfester, karger Kühllavendel, eher einer, der in der Sonne - vom Wind getragen - hin- und herwogt. Südfrankreich, Juli, morgens – es ist noch nicht so heiß. Der ganze Beginn gerät etwas verquer, etwas Störrisches ist da, vielleicht eine Charakternuance Arthur Edward Capels?
„Ich möchte jetzt doch lieber Diana Lister Wyndham heiraten. Aus reiner Notwendigkeit, versteht sich. Hat ja nichts mit Liebe zu tun, kommt aber besser in der Gesellschaft an.“ Der Freigeist Capel!? Haha, dass wir nicht lachen! Aber da ist es wieder, das Scheinen und Sein in der Gesellschaft…Eine Auseinandersetzung also mit Coco? Nein, nein, dies führe alles jetzt doch zu weit!
Dieser kleine Zwist zwischen dieser bösen Nuance und dem blanken Schönen wohnt diesem Start inne und das macht das Ganze recht interessant. Auf der Haut ahnt man dann schon eine vanillige Moschussüße, auf Kleidung strahlt der Beginn noch länger ab. Es wird schließlich pudrig-elegant – ja, ein recht klassischer Fougére, keiner, der Experimente macht, Komponenten einfach austauscht. #issara
Kollege Parma erkennt die „Allure-Homme-DNA recht deutlich“. Dem kann ich als Kenner aller Allure-Hommes nur zustimmen. Man – mit einem „n“ – fühlt sich sofort irgendwie zuhause, war bereits mehr als einmal hier. Ein Hauch grüner Frische bleibt bis zum Schluss, der nichts vom „Großvater“ oder sonst irgendwem hat. Klischees? Anscheinend zu viele, zu wenig gedankliche Freiheit!
Da sind wir schon bei der nächsten Lanze, die gebrochen werden muss. Für wen ist das Eau de Parfum jetzt? Freundinnen und Freunde: für euch alle. Wir hatten das doch bereits zu Beginn: Es. Ist. Egal. Jeder darf den hier tragen, jeder darf ihn (nicht) mögen. Aber in eine Ecke gehört er nicht. StereotypdenkerInnen? Tschüss, auf Wiedersehen! Vielleicht möchte Olivier Polge auch genau dies abbilden, den Ritt auf der Rasierklinge (#barbershop) beider Geschlechter. Alles für alle. „Boy“ als Abbild nicht allein des jungen Mannes A. E. Capel, sondern eines der Beziehung der beiden Verliebten Chanel und Capel? Das mag sein – und dieses Mal gar nicht so weit hergeholt.
Überhaupt haben sich in den letzten Jahren Erwartungen und Anforderungen in der Gesellschaft ge- und verändert. Es geht darum, über die Befreiung der starren und sich veränderten Geschlechterrollen nachzudenken. Manche von uns sind noch überfordert, niemand nehme sich da ganz heraus. Aber eine Denkweise, die widerspiegelt: „Sei so, wie du bist!“ – geschlechterunabhängig – kann nur das Ziel sein. „Boy“ ist so! Er riecht auf jeder Haut auch anders. Ich mag ihn auf der meiner Frau, da ist er etwas pudriger, bei mir riecht er etwas barbershoppiger. Weil ich das jetzt will? Vielleicht auch nur ein Klischee meiner Gehirnwindungen, wer weiß das schon?!
Das letzte Lanzebrechen ist recht einfach. Wann trägt man so etwas? Wann man will. Da mache ich es mir natürlich buchstäblich leicht, aber auch hier: Freiheit bittesehr. Frau und Mann wirken an und für sich mit dem Duft, nicht wegen des Duftes. „Boy“ trägt sich mit seiner grünen Frische sehr schön in wärmeren Gefilden und punktet nach Mutation später durch seifig-cremige Wärme in der Kühle. Was du dann dabei an Kleidung trägst - völlig egal. Toll!
Für mich ist Olivier Polge – abermals nach wochenlanger Testerei und mehreren Anläufen (ich habe wohl meine Schwierigkeiten mit ihm und hatte dabei einige Déjà-vus…) – ein grundklassischer bester Fougére der ganzen weiten Welt gelungen. Das geht natürlich alles krautiger, würziger, schärfer, maskul….nein, Letzteres nicht. Das wollte ich ja verhindert wissen…
„Die allermutigste Handlung ist immer noch, selbst zu denken. Laut.“
(Coco Chanel)
29 Antworten


Dieser Duft war damals genau der Fougère, auf den ich lange gewartet hatte. Moderne Klassik, präzise ausgewogen und dadurch grundsolide Parfumeurskunst.
Dein Kommentar spiegelt genau das wieder. Mit chirurgischer Präzision eine Lanze gebrochen, wo es wirklich nötig gewesen ist. Danke dafür.
Lieben Gruß!
Sehr schöner Kommentar der mir richtig gut gefällt!
LG